Tilgung mit Hindernissen

Wahrscheinlichkeit birgt Risiken

Wächst das Vermögen nur spärlich, kann dies in bestimmten Situationen der Lebensplanung zu unangenehmen Überraschungen führen.

Ursprünglich war vorgesehen, dass die vor fünfzehn Jahren gekaufte und selbst genutzte Immobilie einschließlich der vermieteten Einliegerwohnung schuldenfrei sein würde, wenn der Besitzer seinen sechzigsten Geburtstag feiert. Die Mieteinnahmen aus der Einliegerwohnung sollten mit der Auszahlung aus einer privaten Rentenversicherung für Siegfried K., niedergelassener Zahnarzt in Süddeutschland, ausreichen, seine Altersvorsorge finanziell abzusichern. Seinerzeit wurde ihm seitens der Bank wie auch der Versicherung prognostiziert, dass die monatlichen Einzahlungen in die Lebensversicherung (einschließlich der erwarteten Zins- und Ertragsüberschüsse) mit „hoher Wahrscheinlichkeit“ ausreichen würden, um bei Fälligkeit der Versicherungspolice das Darlehen für das Haus in einer Summe zurückzuzahlen. Darüber hinaus würden ihm – mit ebenso hoher Wahrscheinlichkeit – zusätzlich 20 000 Euro als weitere Liquiditätsreserve zur finanziellen Altersabsicherung zur Verfügung stehen.

Nachlässiges Vertrauen

Die Aussagen seiner damaligen Gesprächspartner aus der Finanzbranche schienen K. durchaus schlüssig. Daher verließ er sich in den Folgejahren darauf und verzichtete auf regelmäßiges Prüfen der tatsächlich erreichten Vermögenszuwächse der Lebensversicherung. Was anhand der Rückkaufswerte laut der jährlichen Standmitteilungen des Versicherers ein Leichtes gewesen wäre. Es spricht leider für die diesbezügliche nachlässige Vertrauensseligkeit des Zahnarztes, dass ihn sein Steuerberater auf mögliche Diskrepanzen hingewiesen hatte. Er selbst hätte, dies räumt K. ein, die Entwicklung nach wie vor nicht überprüft und wäre vielmehr von einer – verlockenden – kontinuierlichen Wertsteigerung seiner Lebensversicherung ausgegangen.

Den Unterschied zwischen einer langfristig vorhergesagten „hohen Wahrscheinlichkeit“ und aktuell erlebter Realität begriff K. spät. Mit 56 Jahren weiß er jetzt, dass seine ursprüngliche Rechnung nicht mehr aufgehen kann: Die Wertentwicklung seiner Lebensversicherung wird, kalkuliert auf heutiger Berechnungsgrundlage, um rund 35 000 Euro geringer ausfallen als ursprünglich angenommen.

Der Zahnarzt sieht sich zwei nicht zu unterschätzenden Problemen gegenüber: Bleibt es bei der negativen Prognose, davon sollte K. ausgehen, fehlen ihm nicht nur akut 15 000 Euro zur Rückzahlung seines Immobiliendarlehens, sondern darüber hinaus die erwähnten 20 000 Euro als Ergänzung seiner Altersvorsorge. Die persönliche Bestandsaufnahme zeigte schnell, dass kaum private Rücklagen bestehen, weil K. alle Ersparnisse in diese eine private Rentenversicherung eingezahlt hatte. Andere Anlageformen gab es nicht.

Das Gespräch mit seiner Hausbank, die maßgeblich an den Abschlüssen des Darlehensvertrages und der Lebensversicherung beteiligt war, führte zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis, zumindest bisher. Der Hinweis von K. auf die damals erwartete Wertentwicklung, die ihm seines Erachtens mehr oder weniger zugesagt wurde, halfnicht weiter. Sein Bankberater machte deutlich, dass es sich bei allen Angaben lediglich um Prognosen und keinesfalls um feste Gewinn- oder Ertragszusagen gehandelt habe, zumal entsprechende Zusagen über einen Zeitraum von fünfzehn Jahren seriös gar nicht möglich seien. Wenn K. dies anders verstanden haben sollte, bedauere die Bank das zwar, ändern könne sie aber nichts.

Die unterdurchschnittliche Wertentwicklung der Lebensversicherung führte der Bankmitarbeiter auf eine – weitgehend unbefriedigende – Entwicklung der Aktienkurse sowie die niedrigen Zinssätze an den Geld- und Kapitalmärkten zurück. Diese Erläuterungen mögen für K. zwar nachvollziehbar sein, in der Sache bringen sie ihn aber nicht weiter.

Ärmel hoch

Das zunächst drängende Problem des in fünf Jahren fälligen Darlehens muss er bereits heute konsequent angehen. Nach Rücksprache mit seinem Steuerberater hat sich K. eine Strategie in zwei Schritten aufgebaut: zunächst wird er versuchen, entweder mithilfe seiner Hausbank oder einer seiner Nebenbankverbindungen, die bevorstehende Finanzierungslücke durch ein zusätzliches Darlehen zu schließen. Dazu will er zügig in ersten Orientierungsgesprächen die grundsätzliche Kreditbereitschaft klären. Im zweiten Schritt der Strategie reduziert er ab sofort die Zahlungen in seine private Rentenversicherung, um mit diesem Kapital letztlich das Darlehen zu reduzieren. Dafür kann er seinen Ruhestand erst ein Jahr später als geplant antreten. Das ist der Preis, den er für die mangelnde Kontrolle dieser Anlage zahlt. Zukünftig will er sich bei Geldfragen nur noch auf das verlassen, was ihm eindeutig garantiert wird.

Michael VetterFranz-Lehar-Str. 1844319 Dortmund

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