Allseitige Verarmung
Klaus Heinemann
Freier Journalist
Zahlenkolonnen haben für Politiker bekanntlich denselben Zweck wie Laternenpfähle für Betrunkene: Man kann sich daran festhalten. Damit ist indes kein Problem gelöst. Im Gegenteil erhebt sich erst dann die entscheidende Frage, in welche Richtung man sich fortbewegen soll. Nehmen wir das aktuelle Beispiel „drohender“ Kinderarmut. Aus einem einschlägigen Bericht im Auftrag der Bundesregierung extrapoliert ein Bundesminister A als Faktum, jedes achte Kind sei „bedroht“. Eine zeitgleich vorgelegte Studie eines Instituts verleitet eine Bundesministerin B gar zu der Behauptung, jedes sechste Kind befinde sich in prekärer Lebens- und Familiensituation. Müssen folglich also bereits hinsichtlich der methodischen Vorgehensweise erhebliche Bedenken angemeldet werden, so ist mit Blick auf die aus diesen „Fakten“ abgeleiteten Konsequenzen und Handlungsaufträge äußerste Skepsis angebracht. Von der Definition des Armutsbegriffs als solchem einmal ganz zu schweigen.
Wenn dem wirklich so ist, dass in unserer im Grundsatz nicht eben armen Gesellschaft gewisse Gruppen nicht Schritt halten können, so muss es doch wohl Aufgabe der Politik sein, genau hinzuschauen, wo die Ursachen liegen. Das Unvermögen zielgenauer Diagnosestellung offenbart sich bereits signifikant an einem Vorgang auf lokaler politischer Ebene. Wenn die Umsetzung der Offenen Ganztagsschule in einer Kommune daran zu scheitern droht, dass ein erheblicher Teil der Eltern behauptet, das Geld für das Mittagessen der Kinder nicht aufbringen zu können, so wird nicht etwa nachgeforscht, worin das finanzielle Unvermögen der Eltern seine Ursache hat. Nein, man beschreitet den allfälligen Weg über eine pauschale Alimentierung dieser Eltern aus allgemeinen Steuermitteln. Und so läuft es auch auf hoher politischer Ebene. Die in heftige öffentliche Erregung versetzte sogenannte öffentliche Meinung ist sich allzu schnell einig, welche Rezepte zur Behebung – oder besser gesagt zur Abwehr – drohender Kinderarmut taugen: Noch mehr Geld in die staatliche Umverteilungsmaschinerie, die ohnehin nur läuft, wenn sie stets mit neuen Milliarden geschmiert wird. Das heißt also, mehr Kindergeld und höhere Sätze für Empfänger von Hartz-IV-Leistungen. Die Tatsache, dass das Kindergeld erst 2002 deutlich erhöht worden ist, sich trotz der erheblich ausgeweiteten Finanztransfers die Lage rein statistisch eher verschlechtert hat, zeigt doch, dass dies ein Irrweg ist. Des Weiteren ist bereits jetzt erkennbar, dass sich die Schere zwischen den Nettobezügen eines verheirateten Hartz-IV-Beziehers mit zwei Kindern und denen eines gleichgestellten gut ausgebildeten Facharbeiters nahezu geschlossen hat.
Nehmt den Reichen, gebt den Armen, lautet das ebenso reflexartige wie populistische Motto der politischen Umverteiler aller Couleur. Doch wer sind „die Reichen“? Wer genau hinschaut, weiß doch, dass bereits jetzt die kleinen und mittleren Betriebe und Gewerbetreibenden, die Facharbeiter und Angestellten in gehobenen Positionen schwer unter der Steuer- und Abgabenlast stöhnen. Eine noch drückendere Last würde Arbeitsplätze vernichten und den Leistungswillen knicken. Oder aber den Trend zur Auswanderung der Besten (gegenwärtig zirka 150 000 pro Jahr) deutlich verstärken. Auswanderer übrigens, deren akademische Ausbildung der deutsche Steuerzahler mit hohen Steuergeldern finanziert hat.
Da aus den einschlägigen Armutsberichten zugleich hervorgeht, wo die eigentliche Ursache für Armut liegt, muss hier angesetzt werden. Die Wurzel allen Übels ist die mangelnde Bildung der betroffenen Schichten. Und dieses Defizit ist vornehmlich in Ausländerfamilien konzentriert. Keine Sprachkenntnis, kein Schulabschluss, kein Job, reine Transferkarriere. Diese Abwärtsspirale gilt es zu durchbrechen, indem rigoros ganz vorne, eben bei der Sprache – und damit der Bereitschaft zur Eingliederung in unser Gesellschaftssystem – angesetzt wird.
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