Neue Versorgungsformen

Zukunft in Netzwerken

pr
Mit dem Auslaufen der Anschubfinanzierung zur Integrierten Versorgung (IV) Anfang 2009, wurde einem Großteil der neuen sektorenübergreifenden Versorgungsformen das Ende prophezeit. Doch der „bunte“ Markt der IV-Modelle blüht weiter. Denn eine engere Zusammenarbeit zwischen Kassen, Kranken-häusern, Haus- und Fachärzten sowie Reha- und Pflegeeinrichtungen wird heute angestrebt, um auf dem Markt konkurrenzfähig bleiben zu können – und nicht um eine Zusatzfinanzierung zu erhalten. Der 5. Kongress für Gesundheitsnetzwerker in Berlin bot einen Überblick über die weitere Perspektive der Integrierten Versorgung.

Die Komplexität des Gesundheitssystems sei zukünftig nur durch Netzwerke lösbar, erklärte Birgit Fischer, Staatsministerin a. D. und Vorstandsvorsitzende der Barmer GEK, im Rahmen einer Podiumsdiskussion zur Kongresseröffnung. Trotzdem ein politischer Korridor für IV-Modelle bislang nicht so recht erkennbar sei, liege die Zukunft der Versorgung in der Integration und Kooperation aller Prozessbeteiligten, so Fischer. Die Krankenkassen sieht sie dabei als Netzpartner. „Ziel ist es, gemeinsam unsere Versorgung effizienter, wirtschaftlicher zu gestalten und an einer steigenden Qualität auszurichten. Deshalb brauchen wir mehr als eine Gesundheitsreform, die lediglich die Einnahme- und die Ausgabenseite berücksichtigt“, forderte die Barmer GEK-Chefin. Vielmehr sollten leitlinienorientierte Versorgungskonzepte stärker gefördert werden, die sich auf bestimmte Patienten und Indikationen beziehen und dabei die sektoralen Ebenen miteinander verbinden.

Auch Ingo Kailuweit, Vorstandsvorsitzender der KKH-Allianz, mahnte zur Stärkung neuer professioneller Kooperationsformen, wobei er für eine Änderung des ärztlichen Anreizsystems plädierte: „Wir müssen von der leistungsbezogenen Arzthonorierung zu einer erfolgsorientierten Vergütung ärztlicher Leistung kommen.“ Der Arztlohn dürfe nicht weiter von der erbrachten Leistung und der dafür benötigten Arbeitszeit ab-hängen, sondern vom Behandlungserfolg im Sinne von „Pay for Performance“, so Kailuweit. Eine klare Absage erteilte der KKH-Allianz-Chef den Hausarztverträgen. „Kein einziger Hausarztvertrag hat bislang zu einer Qualitätsverbesserung geführt, sondern lediglich Honorarzuwächse für eine Fachgruppe generiert.“

Zunehmende Professionalität

„Heutige Ärztenetze sind unternehmerisch aufgebaut und werden zunehmend professioneller“, erklärte Dr. Klaus Bittmann, Vorsitzender des NAV-Virchowbundes. Bei der Überwindung der stationären und ambulanten Sektorengrenzen käme es auf „durchgängige und strukturierte Behandlungspfade“ und die gemeinsame Nutzung bestehender Ressourcen an, die zu einer „besseren Qualität und geringeren Kosten“ führten. „Die Erfahrungen zeigen jedoch, dass gerade bei den Verhandlungen mit regionalen Kassen und den Kassenärztlichen Vereinigungen um IV-Verträge viele noch im Kollektivsystem verwurzelt sind“, betonte Bittmann. Als weiteren Knackpunkt vieler Ärztenetze identifizierte Bittmann den IT- Bereich und die Anwendung verbindlicher Standards im Netz. „Allein bei der Vorhaltung einer 24-Stunden-Rufbereitschaft zeige sich, wie gut ein Netz gemanagt ist.“

Anforderungen steigen

„Uns fehlt bislang eine kontinuierliche Abbildung der verbesserten Versorgung durch die Netze. Deshalb brauchen wir verpflichtende und integrierte Dokumentationssysteme, die nachweisen, dass die Netze funktionieren“, sagte Christoph Straub, Vorstandsmitglied der Rhön-Klinikum AG. Entscheidend bei der Bewertung neuer Versorgungsformen sei der Nutzen für die Patienten. Hierbei müssten sich auch die Kassenärztlichen Vereinigungen stärker öffnen, damit ein Qualitätswettbewerb forciert werde.

Keine Alternative zur bestehenden kollektivvertraglichen Versorgung sah Dr. Bernhard Gibis, Dezernatsleiter bei der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). „Wir brauchen eine Basalabsicherung, wenn die Netze scheitern.“ Die KBV stehe in der Verantwortung, unabhängig von den positiven Ansätzen neuer Kooperationsmodelle, die flächendeckende Versorgung im deutschen Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten, betonte Gibis. Dies könne jedoch nur gelingen, wenn den Kassenärztlichen Vereinigungen nicht der hierfür notwendige finanzielle Boden entzogen werde. Allein in den letzten 20 Jahren sei die Lebenserwartung in den neuen Bundesländern um vier Jahre gestiegen. Dies gelte es – bei aller Kritik an den bestehenden kollektivvertraglichen Versorgungsstrukturen – zu berücksichtigen.

Selektivverträge aus Kassensicht

Um die Entwicklung von Selektivverträgen ging es im Statement vom Vorstandschef des Ersatzkassenverbands (vdek), Thomas Ballast. Er schilderte aus Sicht der Kassen, welche Anforderungen an Ärztenetze und an Sonderverträge für Hausbeziehungsweise Fachärzte nach § 73b und § 73c SGB V gestellt werden. „Der Köder muss dem Fisch schmecken“, sagte Ballast. Er verwies darauf, dass es zukünftig für Leistungserbringer nicht leichter werde „an das Geld der Kassen zu kommen“ und Selektivverträge abzuschließen. Für Ballast erhielten die Ärzte über den Kollektivvertrag bereits eine „gewisse“ Umsatzgarantie. Darauf aufbauend seien die Kassen jedoch bereit, für eine „besondere Versorgung“ auch „besondere Verträge mit entsprechenden Prämien“ zu vereinbaren. Als Bedingungen für den Abschluss von Sonderverträgen legten die Kostenträger unter anderem Wert auf eine klare Definition der Abrechnungsmodalitäten, auf eine strukturierte Dokumentation und nicht zuletzt auf eine frühzeitig einsetzende Evaluation.

Die Mehrzahl der Kongressteilnehmer war sich einig: Der professionellen Integrierten Versorgung gehört angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen und knapper Ressourcen die Zukunft. In der Frage nach der richtigen Balance zwischen kollektiv- und selektivvertraglichen Strukturen gingen die Meinungen auseinander.

Wolfgang StraßmeirStubenrauchstr. 17 A12161 Berlin

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