Rund ums Kaugummi

Kariesschutz, Frischekick und noch viel mehr

Wer regelmäßig zuckerfreies Kaugummi kaut, liegt richtig: Der leckere Kauspaß bringt den Speichel zum Fließen, schützt damit die Zähne vor Karies und eignet sich zur Zahnpflege zwischendurch. Doch Kaugummi kann noch mehr …

Als amerikanische Soldaten am Ende des Zweiten Weltkriegs deutschen Boden betraten, hatten sie Kaugummi im Marschgepäck. Die erfrischenden Streifen wurden in Deutschland schnell zum Renner. In den Nachkriegsjahren verkörperten sie den Geschmack der großen weiten Welt und standen wie Rock’n’Roll und Coca Cola für den „American Way of Life“: Wer „Chewinggum“ kaute, war lässig und cool, frei und unabhängig.

Heute greift jeder Deutsche rund 140-mal pro Jahr zum Kaugummi – aber immer häufiger aus anderen Gründen als damals. Wer Kaugummi kaut, will seinem Atem nicht mehr nur einen coolen Frischekick verpassen. Der Kauspaß fügt sich vielmehr in einen gesundheitsbewussten Lebensstil mit ausreichend Bewegung und abwechslungsreicher Ernährung ein.

Forschungen der letzen 30 Jahre brachten viele positive Effekte des Kaugummikauens ans Licht: Es unterstützt den Schutz vor Karies, Xerostomie und Erosion, es lindert Sodbrennen und kann beim Abbau von Stress und Anspannung helfen. Zudem geben Studien Hinweise, dass es bei der Konzentration und der Gewichtskontrolle hilft. Am meisten profitieren jedoch die Zähne. Wer zusätzlich zum täglichen Zähneputzen regelmäßig zuckerfreies Kaugummi kaut, kann das Kariesrisiko deutlich reduzieren. Unterstützen kann die Kaupflege vor allem dann, wenn nach einer Mahlzeit keine Zahnbürste zur Hand ist, also zum Beispiel nach dem Mittagessen in der Kantine oder nach einem Snack zwischendurch.

Zahnfreundliche Kaugummis im Trend

Zuckerfreie Kaugummis haben das Kaugummisegment inzwischen fest im Griff. Heute sind 83 Prozent der in Deutschland erhältlichen Produkte zuckerfrei, nur noch 17 Prozent enthalten Zucker. Zum Vergleich: In den 90er-Jahren war das Verhältnis noch nahezu umgekehrt.

Die Zahlen zeigen, dass das Wissen um die positiven Wirkungen des Kaugummikauens beim Verbraucher ankommt – und beim Zahnarzt sowieso: Umfragen zufolge ist über die Hälfte der deutschen Zahnärzte davon überzeugt, dass Kaugummi hilfreich bei der Kariesprävention ist; viele empfehlen ihren Patienten Zahnpflegekaugummis.

Ein Kaugummi sollte im Schnitt 20 Minuten lang gekaut werden. Dabei kann sich der Speichelfluss im Vergleich zum Ruhewert verzehnfachen. Studien zeigen, dass die Speichelfließrate beim Kaugummikauen initial von 0,4 bis 0,5 ml/min auf 5 bis 6 ml/min steigt. Nach fünf Minuten sinkt sie auf 2 ml/min und pendelt sich innerhalb der folgenden 20 Minuten langsam auf Werte zwischen 1,2 und 1,5 ml/min ein. Selbst nach 20 Minuten Kauen ist der Speichelfluss also immer noch 2,7 mal so hoch wie der Ruhewert.

Offenbar spielen Geschmacksstoffe eine große Rolle: Das Kauen von geschmackloser Basismasse erhöht die Speichelfließrate nur auf etwa 2 ml/min, also etwa das Fünffache des Ruhewerts.

Speichel als effektiver Säurepuffer

Speichel ist das wichtigste physiologische Schutzsystem für Zähne und Mundschleimhaut: Nach dem Essen spült er Nahrungsreste und Mikroorganismen aus der Mundhöhle, neutralisiert mit seinem Bikarbonatpuffersystem die entstandenen Säuren und stellt Kalzium- und Phosphationen zur Remineralisation der Zahnsubstanz bereit. Die im Speichel enthaltenen Muzine und Glykoproteine legen sich außerdem wie ein Schutzfilm auf Mundschleimhaut und Zahnoberflächen. Darüber hinaus hemmt er die Ausbreitung pathogener Mundbakterien, Viren und Pilze und sorgt damit für ein ökologisches Gleichgewicht in der Mundhöhle.

Diese positiven Effekte verstärken sich mit der Speichelstimulation. So zeigen Untersuchungen, dass die Bikarbonatkonzentration parallel zur Speichelfließrate ansteigt. Damit verändern sich der pH-Wert und die Pufferwirkung des Speichels: Säuren, die aus der Nahrung stammen oder bei der Vergärung von niedermolekularen Kohlenhydraten im Zahnbelag entstehen, können nun wesentlich effektiver neutralisiert werden als ohne Stimulation.

Die veränderte Zusammensetzung des Speichels verhindert nicht nur ein schnelles Absinken des pH-Werts, sondern unterstützt auch die Bildung von Hydroxyl-Apatit-Kristallen während der Remineralisation und verbessert die orale Clearance. Denn wenn reichlich Speichel fließt, können Zucker und Säuren im Mund gut verdünnt und leichter entfernt werden. Vor diesem Hintergrund beeinflussen die Eigenschaften des Speichels und seine Stimulation auch die individuelle Kariesdisposition.

Weniger Säurebildung in der Plaque

Beim Verzehr kariogener Nahrungsmittel spielt sich folgendes Szenario in der Mundhöhle ab: Innerhalb von 20 bis 30 Minuten nach dem Essen entstehen aggressive Säuren in der Mundhöhle. Würde nun der Speichelfluss entsprechend lange stimuliert, könnten diese Säuren neutralisiert werden. Dies geschieht bei den meisten Menschen aber nicht. Bereits fünf Minuten nach dem letzten Bissen bleibt buchstäblich die Spucke weg – und der Speichelfluss lässt so stark nach, dass Zusammensetzung und Fließrate des Speichels wieder auf die Ursprungswerte vor dem Essen zurückfallen. Das bedeutet: Ohne zusätzliche Stimulation fehlt die Schutzwirkung des Speichels ausgerechnet dann, wenn sie besonders notwendig ist.

Eine Möglichkeit, die protektiven Effekte des Speichels nach dem Essen dennoch zu nutzen, ist das Kauen von zuckerfreien Kaugummis. Sie sind mit Zuckeraustausch- und Süßstoffen gesüßt und liefern kaum Kalorien pro Verzehreinheit. Bereits Anfang der 60er-Jahre belegte eine Studie, dass Kaugummikauen nach dem Verzehr von zuckerhaltigen Nahrungsmitteln zu einem hohen und nachhaltigen Anstieg des pH-Werts im Zahnbelag führt. Ein Ergebnis, das seither in vielen Studien (siehe Tabelle 1) weltweit bestätigt wurde. Regelmäßiges Kauen von zuckerfreiem Kaugummi über einen Zeitraum von länger als zwei Wochen hat sogar einen Trainingseffekt auf die Speicheldrüsen. In einer Untersuchung konnten ein Anstieg der Ruhefließrate des Speichels, des pH-Werts sowie eine geringere Säureproduktion im Zahnbelag bei nachfolgendem Zuckerkonsum nachgewiesen werden.

Mineralstoff-Nachschub für den Zahnschmelz

Von einem vermehrten Speichelfluss profitiert der Zahnschmelz direkt, denn damit stehen mehr Ionen für den Mineralstoff-Nachschub zur Verfügung. Entsprechend effektiv ist stimulierter Speichel bei der Remineralisation von Zahnschmelz, der zuvor durch eine Säureattacke initial demineralisiert worden ist. In dieselbe Richtung weisen die Ergebnisse eines in-situ-Tests von Leach et al. 1989: Probanden trugen während der dreiwöchigen Studie Zahnschmelzstücke mit künstlichen Kariesläsionen. Fünfmal pro Tag kauten sie nach den Mahlzeiten 20 Minuten lang sorbithaltiges Kaugummi. Nach drei Wochen wurde gemessen, wie sich der Mineralgehalt in den Zahnschmelzstücken verändert hatte, und diese Werte wurden mit entsprechenden Zahnschmelzstücken ohne Kaugummieinwirkung verglichen. In beiden Fällen hatte zwar eine Remineralisation der Läsionen stattgefunden, doch diese war bei den Zahnschmelzstücken mit Kaugummieinfluss doppelt so hoch.

Eine andere Studie von Steinberg et al. 1992 belegt, dass das Kauen von zuckerfreiem Kaugummi über einen Zeitraum von sechs Wochen einerseits zu einer Zunahme von Kalzium im Zahnbelag führt, andererseits die Bildung von Zahnbelag vermindert.

Reduktion des Kariesrisikos

Der regelmäßige Einsatz von zuckerfreiem Kaugummi bewirkt also eine raschere Neutralisation von Plaque-Säuren und hilft, die Zähne zu remineralisieren. Langfristig lässt sich durch diese Effekte das Kariesrisiko deutlich reduzieren.

Diverse epidemiologische kontrollierte Studien mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren stellten fest, dass regelmäßiges Kaugummikauen im Vergleich zu den Kontrollgruppen einen Rückgang des Kariesbefalls um bis zu 40 Prozent bewirkte.

Offenbar entfaltet Kaugummikauen diese Effekte bereits bei beginnender Karies: In einer litauischen Studie mit 9- bis 14-jährigen Schulkindern hatte die Kaugummi kauende Gruppe ein signifikant geringeres Kariesrisiko als die Gruppe, die kein Kaugummi gekaut hatte.

Der präventive Effekt hängt dabei primär von der Dauer und Intensität des Kaugummikauens ab. Insgesamt belegen die Ergebnisse aller Studien zu diesem Thema die positive Wirkung von zuckerfreiem Kaugummi auf die Kariesprävention und auf die Mundgesundheit der Bevölkerung insgesamt. Diese hat sich seit den 80er-Jahren kontinuierlich verbessert. So zeigen die Daten der aktuellen Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS IV, siehe Kasten) erneut einen Kariesrückgang in allen Altersgruppen. Der Trend ist sicherlich zu einem großen Teil auf konzertierte Aktionen der Zahnärzteschaft und der Gesundheitspolitik in den letzten 20 Jahren zurückzuführen. Diese Initiativen führten unter anderem zu einer breiten Verfügbarkeit von Fluoriden in Zahnpasten, doch auch das allgemein gestiegene Prophylaxebewusstsein und der Kaugummikonsum dürften ihren Beitrag dazu geleistet haben.

Schutz vor Erosion und Mundtrockenheit

Die Speichelstimulation schützt nicht nur vor Karies, sondern beugt auch der Xerostomie vor – ein Problem, das nach internationalen Studien rund 20 Prozent der Gesamtbevölkerung und bis zu 30 Prozent der Menschen über 65 Jahre betrifft.

Da Mundtrockenheit als Nebenwirkung von über 400 Medikamenten auftritt, leiden insbesondere ältere Menschen daran, die unter regelmäßiger Mehrfach-Medikation stehen. Diskutiert wird darüber hinaus ein positiver Einfluss einer regelmäßigen Speichelstimulation auf Erosionen. Daher kann Kaugummi vor allem nach dem Genuss von säurehaltigen Nahrungsmitteln wie Obstsäften prophylaktisch empfohlen werden.

Grundsätzlich bewirkt jedes Kaugummi – ob zuckerfrei oder zuckerhaltig – eine Stimulation der Speichelsekretion und unterstützt damit die Clearance der Mundhöhle von Nahrungsresten, die Pufferung von Säuren und die Remineralisation des Zahnschmelzes. Wenn das Kaugummi jedoch Zucker enthält, wird dadurch Nährsubstrat für die Plaquebakterien in die Mundhöhle gebracht, die daraus Säure produzieren. Dieser kariogene Effekt wird nur dann kompensiert, wenn das Kaugummi so lange gekaut wird, bis er nicht mehr süß schmeckt. Das ist nach etwa fünf Minuten der Fall [Brit Dent J, 1993, 174, 741-744]. Dagegen wirken zuckerfreie Kaugummis sofort spülend, puffernd und remineralisierend, ohne für die Bakterien Nahrungssubstrat zur Verfügung zu stellen. Folglich setzt der kariespräventive Effekt bei zuckerfreiem Kaugummi bereits zu Kaubeginn ein, bei zuckerhaltigem Kaugummi erst, nachdem der Zucker herausgekaut ist.

Zuckerfreie Kaugummis enthalten Zuckeraustausch- und Süßstoffe – Substanzen, die von den Mundbakterien nicht verstoffwechselt werden können und daher kein kariogenes Potenzial haben. Vor allem Süßstoffe geraten von Zeit zu Zeit ins Kreuzfeuer der Kritik: Sie sollen kanzerogen wirken und Übergewicht fördern. Die heutige Studienlage gibt jedoch in beiden Punkten Entwarnung. Innerhalb der zugelassenen Höchstmengen sind Süßstoffe gesundheitlich unbedenklich und auch eine gewichtssteigernde Wirkung ist bislang nicht belegt. Im Gegenteil: Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung hält den Einsatz von Süßstoffen für sinnvoll, um das Problem Adipositas in den Griff zu bekommen.

Ab und zu die Kauseite wechseln

Trotz der dokumentierten medizinischen Vorteile zögern manche Zahnmediziner, zuckerfreies Kaugummi als Prophylaxemaßnahme zwischendurch zu empfehlen. Sie fürchten, die Patienten könnten bei exzessivem Gebrauch ihre Zähne, ihr Kiefergelenk und ihre Kaumuskulatur über die Maßen strapazieren. Solange man jedoch vor allem nach kariogenen Mahlzeiten kaut, wenn zum Beispiel Zähneputzen nicht möglich ist, dabei ab und zu die Kauseite wechselt und eine Kaudauer von etwa 30 Minuten nicht überschreitet, sieht Prof. Ulrich Lotzmann, Universität Marburg, keinen Grund zur Zurückhaltung. Ebenso Dr. Herbert Michel, Zahnarzt in Würzburg: „In meiner langjährigen Praxis habe ich bei normaler Kaufrequenz weder die Auslösung noch die Verstärkung von CMD-Problemen gesehen.“ Zur Lockerung der Kaumuskulatur eignet sich Kaugummi allerdings nicht, wenn ein Patient bereits eine kraniomandibuläre Dysfunktion hat: „Die der CMD meist zugrundeliegende Fehlfunktion der Kaumuskulatur lässt sich auf diese Weise nicht korrigieren. Exzessives Kaugummikauen kann dann die Beschwerden sogar verstärken“, berichtet Prof. Lotzmann aus den Erfahrungen seiner Kiefergelenksprechstunde. Für Prothesen- und Bracketträger ist der Kaugenuss in der Regel unproblematisch. Vor allem die zuckerfreien Produkte sind heute weniger klebrig als früher. Und wie das ausgekaute Kaugummi entsorgt wird, steht zumindest bei einem der führenden Hersteller auf jeder Packung: Nach dem Kauen in Papier einwickeln und weg damit in den Mülleimer!

Fazit

Zahlreiche Studien zum Thema liefern mittlerweile ein breites Fundament an Daten. Sie belegen die positiven Effekte von Kaugummi sowohl auf die Allgemein- als auch auf die Mundgesundheit. Zur Kariesprävention sollte zuckerfreies Kaugummi immer dann empfohlen werden, wenn Zähneputzen nicht möglich ist, etwa nach dem Mittagessen oder nach Zwischenmahlzeiten. Damit ist Kaugummikauen längst eine Ergänzung zum täglichen Zähneputzen mit Zwischenzahnreinigung sowie zum zweimal jährlichen Zahnarztbesuch mit PZR geworden. Praktikabel ist die Empfehlung allemal: Die kleinen Dragees, Streifen, Kissen oder Kugeln sind klein, praktisch und überall dabei. Zweifelsohne haben die wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten dreißig Jahre das Kauen aus der reinen Spaß-Ecke geholt. Es steht zwar immer noch für Genuss, zunehmend aber auch für einen aktiven, gesundheitsbewussten Lebensstil, der eine positive Ausstrahlung und Lebensfreude transportiert. So ist aus dem Blasen werfenden zuckersüßen Mitbringsel der US-Soldaten von einst ein gesundes Multitalent geworden.

Dipl. oec. troph. Dorothee HahneMozartstr. 9, 50674 Kölnwww.hahne-redaktionsbuero.de

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Autoren

Ergebnis

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Jensen 1988, Dawes 1992

signifikante Speichelstimulation bis um das Zehnfache

rasche Neutralisation der Plaque-Säuren,

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Edgar 1991, Yankell 1995, Zero 1999

verstärkte Remineralisation, Reduktion der

Plaque-Bildung

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Kandelman 1990, Mäkinen 1996, Szöke 2001

Reduktion des Kariesrisikos um bis zu 40 Prozent

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Quelle: Wrigley Oral Healthcare Programs

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