Eventuelle Insolvenzen von Krankenkassen

Keine Gefahr für vertragszahnärztliche Vergütungen

Seit dem 01.01.2010 kann grundsätzlich für alle Krankenkassen ein Insolvenzverfahren durchgeführt werden. Seit einiger Zeit wird vor diesem Hintergrund öffentlich darüber spekuliert, ob und gegebenenfalls welche Krankenkassen eventuell insolvent werden könnten. Damit sind Befürchtungen verknüpft worden, Patienten könnten etwa ihren Versicherungsschutz verlieren oder Vertragszahnärzte Behandlungen nicht mehr vergütet erhalten. Diese Befürchtungen erweisen sich allerdings in Kenntnis der gesetzlichen Regelungen als unbegründet.

Durch Neufassungen der Paragraphen 171b ff SGB V durch das GKV-OrgWG vom 15.12.2008 (BGBl. I, 2426) können mit Ausnahme der landwirtschaftlichen Krankenkassen seit dem 1. Januar 2010 grundsätzlich alle Krankenkassen einem Insolvenzverfahren unterfallen. Vorstände von Krankenkassen sind seitdem verpflichtet, die Aufsichtsbehörde unverzüglich über eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder eine Überschuldung zu unterrichten. Die Verletzung dieser Frist stellt eine Straftat dar, die gemäß Paragraph 307a Abs. 4 SGB V mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bedroht ist.

Ein Insolvenzverfahren kann allerdings nicht von Gläubigern einer Krankenkasse oder von dieser selbst, sondern nur von der zuständigen Aufsichtsbehörde eingeleitet werden. Diese hat allerdings gemäß Paragraph 171b Abs. 3 Satz 2 SGB V vorrangig eine Schließung der Krankenkasse vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen hierfür vorliegen. Auch Krankenkassen im Insolvenzverfahren gelten gemäß Paragraph 171b Abs. 5 SGB V als geschlossen, wobei allerdings die Abwicklung der Geschäfte nach der Insolvenzordnung zu erfolgen hat.

Im Insolvenzverfahren reicht zumeist das verbliebene Vermögen der insolventen Gesellschaft nicht aus, um alle Forderungen vollständig zu erfüllen, so dass es insofern gegebenenfalls zu einer Quotierung kommt. Dieses Ergebnis wird im Fall der gesetzlichen Krankenkassen allerdings dadurch verhindert, dass gemäß Paragraphen 171d Abs. 5 Satz 1, 155 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 SGB V die übrigen Krankenkassen der jeweiligen Kassenart im Insolvenzfall unter anderem für die Ansprüche der Leistungserbringer und die Ansprüche aus der Versicherung haften. Gegebenenfalls haften hierfür auch alle übrigen Krankenkassen. Zuständig zur Abwicklung dieses Verfahrens ist gemäß Paragraph 171d Abs. 5 Satz 3 in Verbindung mit Paragraph 155 Abs. 4 Satz 5 SGB V der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

Ein Insolvenzverfahren ist grundsätzlich nachrangig

Die Regelungen im SGB V sollen die Durchführung von Insolvenzverfahren für gesetzliche Krankenkassen allerdings möglichst vermeiden. Hierzu dient insbesondere ein Frühwarnsystem für eventuelle Haftungsrisiken auf der Grundlage der bereits angesprochenen Meldepflichten der Vorstände von Krankenkassen und eine Verpflichtung des GKV-Spitzenverbands gemäß Paragraph 172 Abs. 2 Satz 2 SGB V, die zuständige Aufsichtsbehörde über wirtschaftliche Schwierigkeiten einzelner Krankenkassen zu unterrichten. Innerhalb der jeweiligen Kassenart können freiwillige vertragliche Unterstützungsmaßnahmen gemäß Paragraph 265b SGB V vereinbart werden und der GKV-Spitzenverband hat gemäß Paragraph 265a SGB V satzungsrechtlich besondere finanzielle Hilfen zur Erleichterung und Ermöglichung von Fusionen von Krankenkassen vorzusehen. Zur Vermeidung einer eventuellen Insolvenz kann auch die zuständige Aufsichtsbehörde gemäß Paragraph 172 Abs. 3 SGB V gegebenenfalls im Wege der Ersatzvornahme eine Zwangsfusion gefährdeter Krankenkassen mit anderen durchführen.

Sind die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß Paragraphen 17 bis 19 InsO gegeben (Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung), ist zudem in der Regel davon auszugehen, dass dann auch die Leistungsfähigkeit der betreffenden Krankenkasse auf Dauer nicht mehr als gesichert angesehen werden kann und daher zugleich auch die Voraussetzungen für deren Schließung durch die Aufsichtsbehörde (Paragraphen 146a Satz 1; 153 Satz 1 Nr. 3; 163 Satz 1 Nr. 3; 170 Satz 1 SGB V) vorliegen. In dieser Situation soll die Aufsichtsbehörde gemäß Paragraph 171b Abs. 3 Satz 2 SGB V aber von der Stellung eines Insolvenzantrags absehen und stattdessen die Krankenkasse schließen. In diesem Fall findet die Insolvenzordnung keine Anwendung, sondern sämtliche Forderungen gegenüber der geschlossenen Krankenkasse sind von dieser, gegebenenfalls von den übrigen Krankenkassen derselben Kassenart oder allen übrigen Krankenkassen vollständig zu erfüllen.

Rechtsfolgen der Insolvenz von Krankenkassen

Die Insolvenz beziehungsweise die Schließung einer Krankenkasse hat zur Folge, dass diese als Körperschaft des öffentlichen Rechts endet und sich in eine Abwicklungskörperschaft umwandelt, die keine eigenen Mitglieder mehr hat, keine Leistungen erbringen kann, sondern nur noch ihre Geschäfte abzuwickeln hat. Nur für diesen Zeitraum und für diesen Zweck gilt die Krankenkasse als fortbestehend (zum Beispiel Paragraph 155 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Die bisherigen Mitglieder der geschlossenen Krankenkasse werden nach allgemeinen Zuständigkeitsregeln beziehungsweise der Ausübung des Wahlrechts der Versicherten gemäß Paragraphen 173 ff SGB V Mitglieder anderer Krankenkassen. Wenn Versicherungspflichtige dieses Wahlrecht nicht ausüben und daher nicht spätestens zwei Wochen nach Eintritt der Versicherungspflicht eine entsprechende Mitgliedsbescheinigung vorlegen können, hat gemäß Paragraph 175 Abs. 3 Satz 2 SGB V die zur Meldung verpflichtete Stelle den Versicherungspflichtigen ab Eintritt der Versicherungspflicht bei der Krankenkasse anzumelden, bei der zuletzt eine Versicherung bestand. Bestand eine Vorversicherung nicht, hat die zur Meldung verpflichtete Stelle selbst eine nach Paragraph 173 SGB V wählbare Krankenkasse auszuwählen. Die Meldung wirkt in derartigen Fällen auf den Zeitpunkt der Versicherungspflicht zurück, so dass insofern keine versicherungsfreien Zeiten entstehen können.

Ab dem Zeitpunkt der Schließung können Leistungen daher nicht mehr bei der geschlossenen Krankenkasse, sondern nur noch gegenüber der Krankenkasse abgerechnet werden, bei der das bisher bei der geschlossenen Krankenkasse versicherte Mitglied nunmehr Mitglied geworden ist. Insofern gilt somit nichts anderes als bei einem sonstigen Kassenwechsel des Versicherten, für den bereits entschieden ist, dass sich die Zuständigkeit der Krankenkasse, zum Beispiel auch hinsichtlich von Zahnersatzleistungen, nach dem Zeitpunkt der tatsächlichen Leistungserbringung richtet (vergleiche zum Beispiel BSG, NZS 02, 537). Für den Vertragszahnarzt folgt daraus, dass auch bereits begonnene Behandlungen bei Versicherten einer geschlossenen oder insolvent gewordenen Krankenkasse fortgesetzt werden können. Die Versicherten sind gegebenenfalls lediglich darauf hinzuweisen, dass sie eine andere Krankenkasse wählen und eine entsprechend neue Krankenversichertenkarte vorzulegen haben. Die bis zum Zeitpunkt der Schließung beziehungsweise der Insolvenz erbrachten Leistungen sind weiterhin gegenüber der bisherigen Krankenkasse abzurechnen.

Auch wenn sich die oben angesprochenen Bestimmungen zur Haftung anderer Krankenkassen im SGB V lediglich auf die Ansprüche der Leistungserbringer beziehen, gilt dies ebenso für Abrechnungen von KZVen gegenüber den Kassen. Denn nach der Begründung zum GKV-OrgWG soll dadurch sichergestellt werden, dass sämtliche Ansprüche der Leistungserbringer aus verfassungsrechtlichen Gründen in vollem Umfang erfüllt werden. Dies deshalb, weil der überwiegende Teil der Versicherten der GKV als Versicherungspflichtige kraft Gesetzes angehört und keine alternative Versicherungsmöglichkeit hat. Daher müsse sichergestellt werden, dass die Betroffenen ihre durch Beiträge erworbenen Ansprüche auch tatsächlich realisieren könnten. Dies könne im Sachleistungssystem aber nur gewährleistet werden, wenn auch die Leistungserbringer auf die Erfüllung ihrer Forderung gegenüber der Krankenkasse vertrauen könnten. Da im Falle der Vertragszahnärzte diese ihre Vergütungsansprüche nicht unmittelbar gegenüber einzelnen Krankenkassen, sondern nur indirekt über die KZV geltend machen können, kann diese Zielsetzung aber nur erreicht werden, wenn die entsprechenden Haftungsbestimmungen im SGB V zumindest entsprechend auch auf Ansprüche der KZVen Anwendung finden.

Fazit

Insolvenzen von Krankenkassen sind nunmehr zwar möglich, sollen nach der Konzeption des SGB V aber nach Möglichkeit vermieden werden. Primär haben die Aufsichtsbehörden gegebenenfalls eine Schließung von Krankenkassen zu veranlassen. Sowohl die Schließung als auch die Stellung eines Insolvenzantrags hat zur Folge, dass die Existenz der Krankenkasse als Körperschaft des öffentlichen Rechts endet. Mitglieder der Krankenkasse müssen eine andere Krankenkasse wählen beziehungsweise werden ersatzweise einer anderen Kasse zugewiesen. Leistungen ab dem Zeitpunkt der Schließung beziehungsweise der Einleitung des Insolvenzverfahrens sind daher gegenüber der jeweiligen neuen Krankenkasse abzurechnen. Eine zeitliche Unterbrechung des Versicherungsschutzes tritt daher nicht ein. Bereits vor dem Zeitpunkt der Schließung beziehungsweise der Einleitung des Insolvenzverfahrens erbrachte Leistungen sind weiterhin gegenüber der bisherigen Krankenkasse abzurechnen. Gegebenenfalls haften für diese Forderungen auch alle übrigen Krankenkassen. Auch im Falle von Insolvenzen von Krankenkassen besteht für den Vertragszahnarzt daher kein Risiko, erbrachte Leistungen eventuell nicht oder nur anteilig vergütet zu erhalten.

Dr. Thomas MuschallikJustitiar der KZBVUniversitätsstr. 73, 50931 Köln

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