KZBV-Vertreterversammlung

Zukunftsfester Kurs

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Am 3. Juli bestimmten die Delegierten auf der KZBV-Vertreterversammlung in Berlin ihren zukünftigen Kurs: Mit neuen Konzepten in der vertragszahnärztlichen Versorgung begegnen sie dem Wandel in Sachen Wettbewerb und Demografie. Und geben auch sonst nicht klein bei – der Ost-West-Angleich, das Ende der Budgetierung und das Thema Qualität stehen nach wie vor auf der Agenda.

„Wir brauchen kein Reförmchen! Nein, Union und FDP müssen die strukturellen Probleme in der vertragszahnärztlichen Versorgung anpacken, damit wir zielgerichtete Perspektiven haben und auf dieser Basis agieren können“, erläuterte der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz zu Beginn. „Wer verantwortliche Gesundheitspolitik betreiben will, darf diese Strukturreformen nicht auf die lange Bank schieben“, bestätigte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer. „Dazu zählen vorrangig die Abschaffung der Budgetierung mit strikter Grundlohnsummenanbindung und der längst überfällige Ost-West-Angleich beim Honorar.“

Denn die wirtschaftlichen Daten zeigen: Die Zahnärzte hinken hinterher. Bewegte sich ihr Einkommen innerhalb der Fachärzteschaft 1980 noch im oberen Bereich, fällt es seitdem extrem ab. Eßer: „Allein 2008 wurden als Folge der Budgetüberschreitungen zahnärztliche Leistungen in Höhe von 148 Millionen Euro nicht bezahlt. Mit anderen Worten: Wir Zahnärzte haben 1,7 Millionen Patienten für die GKV umsonst behandelt.“ Parallel dazu füllten die Kassen aufgrund von Budgetunterschreitungen 114 Millionen Euro nicht auf. Eßer: „Berücksichtigt man den Ausgleich, müssten die GKV-Budgets um 34 Millionen Euro aufgestockt werden, um alle Leistungen zu vergüten – ein Betrag, der gerade mal 0,003 Beitragssatzprozentpunkten entspricht.“

Zahnärzte hinken hinterher

Bei der Veränderung der Gesamtvergütung wird zudem nur die Mitgliederzahl der jeweiligen Krankenkasse beachtet – laut Eßer eine Milchmädchenrechnung. „Es fehlt die Versichertenstruktur, definiert als die durchschnittliche Leistungsmenge je Mitglied der jeweiligen Krankenkasse“, veranschaulichte er. „Sie ist wichtig, um in Zukunft die Wanderungsbewegungen der Versicherten von einer Krankenkasse zur anderen zu berücksichtigen – und damit den Folgen wettbewerbsbedingter Strukturverschiebungen Rechnung zu tragen.“ Denn der Wettbewerb als Steuerungsinstrument führe dazu, so Eßer, „dass die historischen Budgets mit der neuen Welt im Gesundheitswesen nicht mehr kompatibel sind“. Wer aber Wettbewerb predige, müsse auch den zahnärztlichen Bereich wettbewerbsfähig machen, bilanzierte Eßer. „Es kann nicht sein, dass der Gesetzgeber den Krankenkassen alle Vorteile zuschustert und die Heilberufler im Regen stehen lässt.“

Um der Entwicklung gerecht zu werden, habe der Berufsstand bereits zukunftsweisende Modelle in der Pipeline. Zum Beispiel das Konzept zur vertragszahnärztlichen Betreuung Pflegebedürftiger und Menschen mit Behinderungen. Eßer: „Die zahnmedizinische Versorgung in der GKV ist gut und sucht ihresgleichen. Viele ältere pflegebedürftige Patienten und Menschen mit schweren Behinderungen sind zur Mundhygiene, zum Gang in die Praxis oder zur Compliance aber gar nicht in der Lage.“ Hier weise die vertragszahnärztliche Versorgung eine Lücke auf. „Wenn wir dieser gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden wollen, müssen wir diese Defizite, nämlich das Fehlen von Präventionsleistungen und einer strukturierten flächendeckenden organisierten aufsuchenden Betreuung, beseitigen.“ Bisher werde ein solcher Aufwand im Bema nicht extra vergütet – 500 Millionen Euro koste das zusätzlich, hat die KZBV errechnet. Eine vergleichsweise niedrige Summe, denkt man an den Benefit für die Betroffenen. „So lobenswert das ehrenamtliche Engagement der Zahnärzte in diesem Bereich war und ist, die wohnortnahe Versorgung dieser Patienten kann damit nicht sichergestellt werden“, so Eßer.

Was es Neues aus dem Universum der elektronischen Gesundheitskarte (eGK) gibt, schilderte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz. Nachdem die Bestandsaufnahme zur eGK wegen Arbeitsverweigerung der Kassen gescheitert sei, pusche Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler nun drei Projekte: den Online-Versichertenstammdatenabgleich, die Notfalldatenspeicherung auf der eGK und den elektronischen Arztbrief. Alle anderen Anwendungen liegen laut Buchholz erstmal auf Eis. Aber auch mit dem Online-Rollout sei nicht vor 2013 zu rechnen. „Weil die Krankenkassen Offline- und Online-Rollout verknüpfen wollen, munkelt man sogar 2015, 2016“, berichtete Buchholz. „Wir werden bestimmt nicht als Beschleuniger auftreten!“ Alles in allem hätten die Ärzte bei der Neustrukturierung der gematik viele ihrer Positionen erfolgreich durchgesetzt, während die meisten Forderungen des GKV-Spitzenverbands – beispielsweise durch eine Stimmenmehrheit das Projekt allein zu steuern – abgeschmettert werden konnten. Buchholz: „Die Zahnärzteschaft hat auch erreicht, dass die Online-Prüfung der eGK getrennt vom PVS erfolgen kann – die Online-Anbindung des Praxis-PCs also freiwillig bleibt.“ Die Empfehlung der KZBV: die Online-Abrechnung über einen Kommunikations-PC abzuwickeln. Das sei der sicherste Weg und über einen Stick auch praktikabel. Buchholz: „Zahnärzte Online Deutschland, kurz ZOD, ist dabei eine Sicherheitsinfrastruktur, mit der der Zahnarzt seine Daten wirklich sicher abrechnen kann. Denn fest steht: Wir müssen unabhängig von der gematik eigene Wege finden, um Zahnarzt und KZV die sichere Online-Abrechnung zu ermöglichen.“ Die KZBV werde auch weiter alles daran setzen, dass die Zahnärzte so wenig wie möglich von den Anwendungen der eGK betroffen sind. Buchholz: „Die eGKs sind übrigens nach wie vor kein gültiger Versicherungsnachweis – ein entsprechender Stichtag fehlt nämlich immer noch.“

Das Diktum der Qualität

Dass Qualität eine unbedingte, der jeweiligen Leistung verpflichtete, und damit den Praxisalltag begleitende Größe ist, verdeutlichte KZBV-Chef Fedderwitz. Der Berufsstand laufe freilich Gefahr, das Thema QS aus der Hand zu geben. „Politik, Krankenkassen, Versicherungen, Wissenschaftler und Medien mischen mit, regulieren und reglementieren“, führte Fedderwitz aus. „Dabei kann sich die Habenseite der Zahnärzte durchaus sehen lassen – sie muss nur deutlicher herausgestellt werden.“ Fedderwitz: „Das setzt aber voraus, dass wir uns zu Qualität bekennen, sie aktiv ausgestalten und ihren Stellenwert in unserem fachlichen Leistungsprofil erkennen. Unsere Bilanz ist vorzeigbar.“ Die KZBV habe im G-BA durchgesetzt, dass der zahnärztliche Bereich als eigener Sektor anerkannt ist und damit wesentlich eigenständigere Strukturen und Inhalte bei der Qualitätssicherung auf Landesebene möglich sind. Wichtig sei jetzt, das Thema zu besetzen, bevor andere es tun.

Diese Maxime gelte auch für die PAR- Behandlung. Eine Arbeitsgruppe von KZBV, BZÄK und DGZMK habe den State of the Art für eine PAR-Therapie erarbeitet – damit habe man jetzt eine vom gesamten Berufsstand getragene Positionierung. Leitgedanke: dem Gesetzgeber die Notwendigkeit aufzuzeigen, warum die bestehenden Versorgungsstrukturen nicht zukunftsfähig sind und auch nicht sein können. Und abzugleichen, welcher Änderungsbedarf bei der aktuellen Leistungsbeschreibung und den Richtlinien besteht. „Fakt ist: Die Behandlungsbedürftigkeit wird zunehmen und die Zahl der Behandlungsfälle deutlich steigen“, analysierte Fedderwitz. Die PAR-Behandlung werde dann also ein wesentliches Standbein darstellen: „50 000 Praxen werden vermehrt mit parodontalen Problemstellungen konfrontiert, legen zugleich aber seit Jahren weniger Füllungen und machen weniger Zahnersatz.“ Bei den Krankenkassen lägen bereits Konzepte in der Schublade. Fedderwitz „Wir haben damit auch einen Entscheidungszwang: Wollen wir agieren oder reagieren. Noch sind wir in der Vorhand.“

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