Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser,

als wäre es ein Reflex: Sobald ein Schaden eintritt, beginnt die Suche nach Schuldigen und – in direkter Folge – der Drang zur Bestrafung. Selbst in hochzivilisierten Gesellschaften hat diese emotionale Reaktion immer noch enormen Stellenwert. Die zu kurz gedachte Vorstellung, man brauche im Falle eines Unglücks nur den Schuldigen zu bestrafen, und schon sei das Problem gelöst, spukt augenscheinlich immer noch in den Gedanken Betroffener oder emotional gelenkter Mitmenschen.

Und obwohl die Diskussionen um unser Rechtssystem auf ganz anderen Grundlagen fußen: Immer wieder verdrängt eine fast unbändige Lust auf Schuldzuweisung und Bestrafung sämtlicher „Ackermänner dieser Welt“ die eigentliche Aufgabe, die sich in einem Schadensfall aus Gründen der Vorsorge immer auch stellen sollte: daran zu arbeiten, dass es nicht wieder passiert und Vermeidungsstrategien zu implementieren.

So geht es dieser Gesellschaft bei offensichtlichen Verbrechen, so geht es bei Verfehlungen im politischen wie im wirtschaftlichen Bereich, so geht es aber vor allem auch im Umgang mit ärztlichen oder zahnärztlichen Behandlungsfehlern.

Die Suche nach dem Schuldigen scheint wichtiger als die Etablierung von Vermeidungsmöglichkeiten. Allerdings hat Im Bereich der medizinischen und zahnmedizinischen Versorgung in den letzten Jahren ein ganz entscheidendes Umdenken stattgefunden, das zwar am gesellschaftlichen Prozess von Schaden, Schuldnachweis und Strafe nichts ändert, das aber Möglichkeiten schafft, eine parallele Ebene für einen praktikablen Umgang mit Behandlungsfehlern zu entwickeln und die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass anonymisiert bekannt wird, was künftig vermieden werden soll.

Im Rahmen der bestehenden Systematik ist das ein wichtiger Schritt: Es geht darum, Fehler zu dokumentieren, ihre Genese zu verstehen und daraus zu lernen.

Schon heute geben aus dieser Fehlerkultur entwickelte Erkenntnisse Aufschlüsse, die bisher mangels Daten gar nicht erfasst werden konnten. Ein vielversprechender Ansatz, der im medizinischen Bereich Leben retten kann. Im zahnmedizinischen Bereich soll noch in diesem Jahr eine Plattform geschaffen werden, aus der systemische Erkenntnisse erwachsen, die dazu beitragen können, Fehler zu vermeiden. Das dürfte allen Beteiligten mehr nutzen als die althergebrachte Systematik.

Mit freundlichem Gruß

Egbert Maibach-Nagelzm-Chefredakteur

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