Gastkommentar

TK schert aus

Der jetzt geschlossene Hausärztevertrag der TK schafft auch im Ersatzkassenbereich den Dammbruch, der die Krankenkassen und die Organisationen der Leistungserbringer zu Neuaufstellungen im Wettbewerb zwingt, meint Dr. Andreas Lehr, Gesundheitspolitischer Fachjournalist in Berlin.

Der Damm, den die Ersatzkassen gegen die Hausarztverträge aufgeworfen hatten, ist gebrochen. In der 2. Aprilwoche stellten Norbert Klusen, Vorstandsvorsitzender der TK, und Ulrich Weigeldt, Vorsitzender der Hausärzteverbands, den Vorvertrag für einen TK-Hausärztevertrag vor.

Eine Liebesangelegenheit?

Wohl kaum, daran ließ Norbert Klusen keinen Zweifel. Es war Einsicht in die Notwendigkeit. Er, so Klusen, würde gern auch Verträge mit der KV abschließen. Aber der Hausärzteverband sei nun einmal nach § 73b SGB V in 13 von 16 Gebieten mandatiert, er habe nach den Schiedssprüchen von Bayern und BaWü nicht länger abwarten können. Abschließen habe er auf jeden Fall müssen, nur jetzt habe er bessere Konditionen für die TK-Versicherten mit ihrer spezifischen Versichertenstruktur aushandeln können, als die Schiedssprüche beinhalteten. Auf den ersten Blick scheint Norbert Klusen dies gelungen zu sein.

Die kontaktunabhängige Pauschale ist deutlich geringer als zum Beispiel in der Urmutter aller neuen Hausarztverträge, dem Vertrag mit der AOK BaWü. Die zusätzlichen kontaktabhängigen und die Chronikerpauschalen können sich bis zu einer bestimmten Höhe addieren, 76 Euro. Das ist die Friedensgrenze. Damit hat die TK einen Höchst- beitrag festgezurrt, der den Vertrag für sie kalkulierbar hält. Dazu kommen Service- zusagen, wie zeitnahe Termine, auch eine schnelle Vermittlung mit anderen Leistungserbringern. Vereinbart ist auch eine hausarztspezifische Fortbildung – frei von Einflüssen der Pharmaindustrie, so Ulrich Weigeldt – wohl ein Punkt, der für den Hausärzte- verband von besonderer Bedeutung ist.

Ein lernender Vertrag soll es werden, was nichts anderes bedeutet, dass der Vertrag flexibel gestaltet wird, um nachjustieren zu können. Eine neue Partnerschaft zwischen TK und Hausärzten sei damit begründet. Überhaupt war viel von Partnern die Rede – es gebe zu viele Rituale und zu wenig Partnerschaft. Leere Worte oder ein neuer Anfang? Der TK Vertrag wird der bisher größte Hausarztvertrag sein, den Hausärzteverband und Hausärztliche Vertragsgemeinschaft bisher abgeschlossen haben. Wahrscheinlich wird jetzt das restliche Ersatzkassenlager nachziehen. Ob dies der endgültige Durchbruch für die 73b-Verträge mit dem Hausärzteverband sein wird? Läutet etwa schon das Totenglöcklein für die KVen?

So schnell stirbt man nicht. Norbert Klusen berichtete, er habe mit Philipp Rösler, mit Horst Seehofer und mit vielen maßgeblichen Gesundheitspolitikern der Union gesprochen. Alle hätten übereinstimmend erklärt, es sei nicht damit zu rechnen, dass in den nächsten Jahren etwas am § 73b geändert werde. Aber wenn es nicht gelinge, aus diesem Vertrag etwas Gutes zu machen, werde in drei Jahren niemand mehr von Hausarztverträgen sprechen – ein Zwang zum Erfolg.

Die ersten Ergebnisse des Vertrags mit der AOK BaWü sind, soweit dies zur Zeit zu beurteilen ist, durchaus positiv, also brandgefährlich für das KV-System, zumal Medi, die Genossenschaften und etliche Fachgesellschaften eigene Verträge in BaWü abgeschlossen haben oder in Verhandlungen stehen. Das alte System droht zu erodieren, auch im Arzneimittelbereich bricht die Zeit der Einzelverträge mit den einzelnen Krankenkassen an. Und auch die PKV will eine Öffnungsklausel, ein Verhandlungsmandat, um die Prämien bezahlbar zu halten. Alles weist auf ein neues Zeitalter des Vertragssystems, das mehr von den Einzelkassen, aber auch den Leistungserbringern verlangt – eben Wettbewerb.

Wer sich jetzt dafür rüstet, das entsprechende Know-how und die entsprechenden Strukturen für starke Gemeinschaften schafft, wird zu den Gewinnern zählen. Das Wettbewerbsstärkungsgesetz der Ulla Schmidt hat dem Kollektivismus alter Machart im System einen schweren Schlag zugunsten des Wettbewerbs versetzt, vielleicht sogar den Todesstoß.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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