Leitartikel

Falsche Patientenadvokaten

Sehr geehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

für uns Zahnärzte ist eins vollkommen klar und eindeutig: In den Mittelpunkt unseres beruflichen Denkens und Handelns gehört der Patient. Wer das aus unseren eigenen Reihen in Zweifel stellt, wird durch das ethische Postulat unseres Berufsstands, durch die Berufsgemeinschaft auf den richtigen Weg zurückgeführt, im schlimmsten Fall an der Ausübung seines Berufs gehindert. Das ist gut und richtig so. Das ist Patientenschutz.

Dass ausgerechnet die Krankenversicherer sich in jüngerer Zeit immer wieder als Advokaten unserer Patienten herausstellen wollen, kann hingegen nur verwundern. Ganz konkret: Für Versicherungsunternehmen sind unsere Patienten nichts anderes als Geschäftskunden. Selbstverständlich gibt es in Teilen deckungsgleiche Interessen. Bei der einen oder anderen gesetzlichen Krankenversicherung mag sogar ein sozialer Auftrag als geistiger Überbau unternehmerischen Denkens existieren. Aber spätestens die privaten Krankenversicherer agieren mit einer klaren Aufgabe: Sie müssen Unternehmensgewinne einfahren.

Daran ist nichts Verwerfliches: Leistung, auch die eines Versicherers, gehört redlich bezahlt. Damit das nicht wegen zu drastischer Verfolgung des eigentlichen Unternehmensziels – nämlich Gewinn zu erwirtschaften – ins Uferlose gerät, setzt der Gesetzgeber die notwendigen Rahmenbedingungen.

Eine staatlich verordnete Gebührenordnung ist Teil dieser Systematik. Sie ist das übergeordnete Korrelat, das dafür sorgen muss, dass der Patient durch seinen Versicherer in die Lage versetzt wird, sich vor Krankheit zu schützen und sich dagegen behandeln zu lassen. Maßgeblich ist, so ist es zumindest uns Zahnärzten auferlegt, dass wir unseren Patienten die Hilfe zukommen lassen, die das zahnmedizinische Handeln lege artis – also nach jeweilig abgesichertem Stand zahnmedizinischer Erkenntnisse – vorgibt. Das ist vom Gesetzgeber so gewollt. Deshalb hat der Patient, der sich vertraglich genau für diesen Zweck abgesichert hat, einen Anspruch auf entsprechende finanzielle Absicherung. Das sind die Pflichten dieser spezifischen Vertragspartnerschaft.

Dass inzwischen sogar Patientenorganisationen die Bereitschaft der Versicherer in diesem ganz zentralen Punkt hinterfragen, dass sie die vereinbarte finanzielle Absicherung als gefährdet oder schon nicht mehr gewährleistet ansehen, gibt auch dem Gesetzgeber zu denken.

Um das mal genau auseinanderzuhalten: Eigentlich ginge es hier um klare, durchschaubare Verhältnisse, die eher zum geschäftlichen Bereich des Verbraucherschutzes zählen. Aber leider – und das hat ja auch die Patientenschützer inzwischen sensibilisiert – verunsichert es inzwischen die Gewährleistung einer Versorgung, deren hohe Qualität vonseiten der PKVen eigentlich versichert werden muss. Das will man inzwischen nicht mehr so eindeutig stehen lassen.

Wir wissen aus täglicher Praxis: Es ist inzwischen keine Ausnahme mehr, dass private Versicherer nicht nur Therapiepläne „prüfen“, sondern hinterher sogar deren Umsetzung nicht zahlen wollen. Das ist eine unsichere Welt, die eine vertraglich korrekte Partnerschaft zunehmend erschwert. Das Maximieren von Shareholder-Value darf nicht zum Kappen gebotener medizinischer Leistungen führen.

Wer nach mehr als zwei Jahrzehnten über eine Gebührenordnungsnovelle mit dem Ziel verhandelt, durch das kostenneutrale Hinzuziehen von wissenschaftlich inzwischen gebotenen Leistungen die Garantie einer vernünftigen medizinischen Versorgung der eigenen Kunden auszuhebeln, wird mit Widerstand rechnen müssen. Nicht nur von Patientenschützern, sondern auch seitens der Zahnärzteschaft.

Auch die privaten Versicherer müssen sich Wege überlegen, wie sie ihr Geschäft mit ihren Kunden vertraglich regeln können. Medizinische Versorgung gehört in die Obhut von Ärzten und Zahnärzten. In den Händen multinationaler Konzerne hat sie nichts verloren.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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