Gastkommentar

Kein Grund zur Schadenfreude

Im GKV-Wettbewerb werden die großen Krankenkassen überleben. Der Tod der „Kleinen“ macht die Verhandlungen für Vertragsärzte und -zahnärzte künftig aber nicht gerade leichter, warnt Hans-Edmund Glatzl, Fachjournalist von Vincentz Network Berlin.

Jetzt hat der Volkszorn auch mal die Krankenkassen erwischt. Das peinliche und zynische Geschacher um die Aufnahme der ungeliebten „hinterbliebenen“ Versicherten der insolventen City-BKK hat einen enormen Imageschaden verursacht. Die Zahnärzte, die es ansonsten gewohnt sind von der Zeitung mit den vier Großbuchstaben als Abzocker und Gierhälse an den Pranger gestellt zu werden, könnten sich eigentlich entspannt zurücklehnen und der Schadenfreude freien Lauf lassen.

Cave! Was hier im Kassenlager abläuft könnte der Beginn einer Kernschmelze sein, die am anderen Ende der GKV-Welt auch die Leistungserbringer trifft.

Denn es handelt sich um einen Untergang mit Ansage – keineswegs so überraschend, wie vom GKV-Spitzenverband als Entschuldigung für die Pannen im Überleitungsmanagement dargestellt. Die City-BKK war schon beim Zusammenschluss der Berlin BKK mit der BKK Hamburg 2004 „fußlahm“, sprich der Versichertenbestand war wohl nicht „wettbewerbstauglich“. Von einigen extrem teuren Sonderfällen einmal abgesehen litt die Krankenkasse darunter, hauptsächlich Versicherte aus dem öffentlichen Dienst solidarisch versorgen zu müssen, eine Bevölkerungsgruppe, die sich nachweislich (noch) über mehr Familienversicherte „freuen“ kann und über Senioren, die durch überdurchschnittliche Frühverrentung als Beitragszahler vor der Zeit ausfallen, die aber länger leben. Den Exodus der „guten Risiken“ beschleunigte die Erhebung eines Zusatzbeitrags von zuletzt 15 Euro.

Sei es wie es sei. Es waren die verbliebenen „schlechten“ Risiken, die – allen Sicherungen zum Trotz – auch durch den Gesundheitsfonds nicht aufgefangen werden konnten und am Ende zum Untergang der City-BKK führten – ein Opfer des von der Politik ständig wie eine Monstranz vorangetragenen Wettbewerbs. Die gleiche Politik aber entrüstet sich, wenn der kleine Sachbearbeiter sich marktwirtschaftlich verhält und mit „Tricks“ versucht, den uneingeschränkt und jederzeit möglichen Kassenwechsel nach Kräften für die anbrandende Risikoklientel zu verhindern, um finanziellen Schaden von der eigenen Krankenkasse abzuwenden. Hier bricht sich der Zielkonflikt, die Dichotomie zwischen Solidarität und Wettbewerb, massiv Bahn.

Als nächster Kandidat in diesem Dominospiel wird bereits die BKK für Heilberufe gehandelt, die sich seit Längerem um einen solventen Partner innerhalb der BKK-Familie umschaut, aber zuletzt von der Pronova BKK mit ihrer Werbung bis dato unerhört bleibt. Nicht von ungefähr scheint der Insolvenz- Virus besonders im BKK-Bereich zu grassieren. Dort tummeln sich zum Ärger der großen Tanker aus der AOK-Familie und bei den Ersatzkassen noch immer 130 von insgesamt 160 Krankenkassen. Der GKVSpitzenverband wird nicht müde darauf hinzuweisen, dass hier der Haftungsverbund der BKKen eintreten muss. Fast hat es den Anschein, im Olymp der Krankenkassen sind die noch immer eigenständigen, meist kleinen Versichertengemeinschaften eher geduldet denn geliebt.

Der Risikostrukturausgleich und der Gesundheitsfonds bevorzugen die großen Versorgerkassen. Die BKKen haben in diesem System schlechte Karten. Schiere Größe schützt angeblich vor dem Abgang, mit diesem Mantra wird die Fusionsmaschine am Laufen gehalten. Too big to fall!

Doch diese Entwicklung sollte für die Zahnärzteschaft kein Grund zur Freude sein, denn jede Machtkonzentration im Kassenlager führt auch zu einer Schwächung der Verhandlungsposition aufseiten der Leistungserbringer. Der Wunsch nach gleichlangen Spießen rückt rein faktisch in unerreichbare Ferne. Echter Wettbewerb sieht anders aus. Für Schadenfreude besteht angesichts des City-BKK-Desasters deshalb kein Anlass.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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