Leitartikel

Kein Durchmarsch

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

die meisten unter uns sind mit den Ergebnissen schwarz-gelber Gesundheitspolitik nicht zufrieden. Die Kritik versteht sich von selbst – ganz pragmatisch und unideologisch. Die Zahnärzteschaft ist mit dieser Bundesregierung weder verheiratet, verschwägert oder verbrüdert. Wir haben nicht vergessen, was im Koalitionsprogramm stand. Wir haben im Abgleich mit unserer ursprünglichen Erwartungshaltung aufgerechnet. Dass wir dabei neben Positivem auch Kröten zu schlucken hatten, ist offenkundig. Da schmeckt was nicht; da ist was unverdaulich!

Dass Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr auf dem Deutschen Zahnärztetag trotz einer völlig unzureichenden GOZ-Novelle die BZÄK-Bundesversammlung mit seinen Nachweisen politischer Erfolge „zugunsten“ der Zahnärzteschaft ohne laute Proteste verlassen konnte, lag nicht am schnellen Aufbruch nach seiner Rede. Bahr erinnerte an die Trümpfe, die das BMG unter Schwarz- Gelb gespielt hatte. Beispiele wie der Ausstieg aus der starren Budgetierung im Versorgungsstrukturgesetz, die Ankündigung einer zeitnahen Lösung für unser Konzept der zahnärztlichen Versorgung von alten Menschen und Menschen mit Behinderungen oder die jetzt angegangene Umsetzung der zahnärztlichen Approbationsordnung zeigen, dass einige der von uns eingebrachten Vorschläge Eingang in die Reformpolitik des FDPgeführten Minsteriums gefunden haben.

Wir Zahnärzte – und das sehe ich mit Blick auf die Vertretung von Kammern und KZVen auf Bundesebene ganz bewusst organisationsübergreifend – haben im zurückliegenden Zeitraum divers diskutiert, sind aber mit gut abgewogenen und – hier wirklich – konsentierten Positionen nach außen getreten. Wir haben es zum Grundsatz gemacht, dass die zahnärztlichen Interessenorganisationen gesundheitspolitisch mit einer Stimme sprechen. Mit Blick auf künftige Herausforderungen wie das Patientenrechtegesetz oder die Pflegereform ist jetzt Weitermachen angesagt. Das ist ein Grund dafür, dass Daniel Bahr den sicherlich nicht einfachen Weg zum Deutschen Zahnärztetag gegangen ist und die Delegierten ihm – trotz Verärgerung – zugehört haben.

Gerade beim Thema „Patientenrechtegesetz“ wird das augenfällig. Vor wenigen Tagen haben zehn Bundesländer unter der Federführung Hamburgs Eckpunkte für ein Patientenrechtegesetz vorgestellt. Sie kritisieren das vom Patientenbeauftragten der Bundesregierung, dem CSU-Gesundheitsexperten Wolfgang Zöller, erarbeitete Grundlagenpapier als zu vage und lückenhaft. Auch wenn man hinsichtlich der Beweislast bei groben Behandlungsfehlern nicht über die bisherige Rechtsprechung hinausgehen will – was mit Ärztekammerpräsident Montgomery abgesprochen sei (sic!) –, so lassen die Inhalte doch heftigen Streit erwarten: Patienten sollen ein Anrecht auf Beratung durch neutrale Institutionen erhalten – die umfassende Aufklärung und Information über Therapiealternativen durch uns Ärzte und Zahnärzte wird damit diskreditiert und desavouiert. Medizinische Einrichtungen sollen ein Risikomanagement einführen, Kranken- und Pflegekassen müssen Versicherte bei Schadensfällen unterstützen, der Medizinische Dienst der Kassen ein kostenloses Gutachten erstellen – weil man weiß, was dann da kommt, sollen Kontrollmechanismen sicherstellen, dass Ärzte und Zahnärzte ausreichend haftpflichtversichert sind. Doch darum geht es nicht allein: Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer- Storcks: „Das Patientengesetz soll nicht nur den glücklicherweise seltenen Fall eines Behandlungsfehlers regeln, sondern Alltagsprobleme von Patientinnen und Patienten aufgreifen und ihre Stellung im Behandlungsprozess stärken.“ Dazu soll unter anderem bei privat zu zahlenden Zusatzleistungen (IGEL) der Schutz vor überhöhten Honoraren verstärkt werden. Aha! Daher weht der Wind. Kommt da ein Ärztesteuerungsgesetz? Gemeinsam werden wir dagegenhalten (müssen). Patientenrechtegesetz von links, das Finanzministerium von rechts – warum nicht gleich verbeamtet in einem Nationalen Gesundheitsdienst?

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen FedderwitzVorsitzender der KZBV

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