Deutscher Zahnärztetag - KZBV-Vertreterversammlung

Liberal wie limitiert

Am 9. und 10. November fand die Vertreterversammlung der KZBV in Frankfurt am Main statt. Zwei Themen dominierten die Debatten: das Versorgungsstrukturgesetz und die neue GOZ. Während die Delegierten die geplanten Regelungen für die GKV als Paradigmenwechsel lobten, wurde die Novelle, weil unzulänglich, abgeschmettert.

Die neue GOZ lässt zu wünschen übrig. Das findet auch der hessische Gesundheitsminister Stefan Grüttner (CDU), Gastredner auf der VV. Auch er hält die Forderung der Zahnärzte nach einem Vergütungsanstieg für mehr als berechtigt: „Prävention und medizinischer Fortschritt haben die Zahnmedizin in den vergangenen Jahren stark vorangetrieben – das muss sich auch in den Honoraren niederschlagen!“ Wenngleich sei die Struktur des neuen Leistungskatalogs zeitgemäßer. Dass man die Budgetierung in der GKV abschafft, sie in der privaten Gebührenordnung aber wieder einführt, sei allerdings nicht nachvollziehbar. Sein Vorschlag: „Wenden Sie die Instrumente erstmal an, gewinnen Sie Erkenntnisse und treten Sie dann konstruktiv an die Politik heran, die dann mit der nächsten Reform hoffentlich nicht wieder Jahre verstreichen lässt.“ Beeindruckt zeigte er sich von dem von KZBV und BZÄK entwickelten Konzept zur Verbesserung der zahnmedizinischen Versorgung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen. Grüttner: „Diese Vorschläge müssen Eingang in die Gesetze finden.“ In seinen Augen ebenfalls gelungen: die Mehrkostenregelung. „Ein Modell, das funktioniert, sozialverträglich ist und auf die kompetente Behandlung sowie die Eigenverantwortung des Patienten setzt.“ Selbst vertragsärztliche Segmente seien seiner Ansicht nach für diese Lösung offen.

„Wir kannten bisher nur schnöde Kostendämpfungsgesetze“, fasste der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz den Politfrust der letzten Zeit zusammen. „Das ist das erste Mal nach langen Jahren, dass Strukturen angegangen und neue Freiräume geschaffen werden. Natürlich hätte es noch ein bisserl mehr sein können, doch eine Flexibilisierung des bis dato verkrusteten Systems ist definitiv der richtige Weg. Hier hat die Politik einen Paradigmenwechsel eingeleitet, und wir werden die Chancen, die darin liegen, nutzen.“ Auch auf das Wie hat er schon eine Antwort: mit Mehrkostenregelungen und Festzuschüssen. Fedderwitz: „Wir haben bewiesen, dass wir mit der Verantwortung gegenüber unseren Patienten umgehen können.“ Eingestielt ist auch das A+BModell: „Wir haben das Konzept zur zahnmedizinischen Versorgung Pflegebedürftiger und Menschen mit Behinderungen modular abgebildet, damit dieses Kernanliegen doch noch Eingang in die Gesetzgebung findet und wir eine Verbesserung der Betreuung für diesen Personenkreis erreichen“, sagte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer. In der Politik bestehe mittlerweile Konsens: „Es ist nicht länger die Frage, ob, sondern nur noch wie das Thema gesetzlich verankert wird.“

Endlich mehr Bewegung

Das Versorgungsstrukturgesetz gebe den Vertragspartnern endlich die Möglichkeit, zu Gesamtvergütungen zu kommen, die den tatsächlichen Behandlungsbedarf widerspiegeln, indem das Morbiditätsrisiko dorthin zurück verlagert wird, wo es hingehört, nämlich zu den Krankenkassen. Wie der Vorstand verdeutlichte, werde in der Begründung des Gesetzentwurfs direkt darauf verwiesen, dass die verschiedenen Bemessungskriterien – wie Zahl und Struktur der Versicherten, Morbiditätsentwicklung, Kosten- und Versichertenstruktur, die für die Behandlung aufgewendete zahnärztliche Arbeitszeit sowie Art und Umfang der Leistungen – ab 2013 gleichwertig neben dem Grundsatz der Beitragsstabilität berücksichtigt werden. Fedderwitz: „Mit dem VstG werden diese Faktoren gleichrangig neben dem weiterhin gültigen Grundsatz der Beitragssatzstabilität verankert. Und das ist gut so!“ Eßer bestätigte: „Das sind zentrale For derungen der Zahnärzteschaft, denen wir endlich Geltung verschaffen konnten.“ Der „staatsdirigistische motivierte zentralistische Ansatz des ehemaligen Schmidt-Ministeriums“ werde endlich wieder aufgelöst und durch eine Ausweitung der regionalen Kompetenzen der Vertragspartner ersetzt. „Das bedeutet Stärkung der Selbstverantwortung, mehr Spielraum, aber auch wieder mehr Verantwortung“, verklarte Eßer. Durchweg positive Reaktionen auch aus den Reihen der KZVen: „Man muss sehr positiv sehen, was in Beratungen mit dem BMG und der Politik erreicht werden konnte“, urteilte beispielsweise Dr. Ute Maier, Chefin der KZV Hessen. „Es ist aber erforderlich, dass die KZVen auf regionaler Ebene in den Verhandlungen mit den Kassen künftig genauso stark auftreten!“

Dagegen laut Vorstand absolutes No-go: die allseits gerügte Einmischung von Finanzminister Wolfgang Schäuble in die gesundheitspolitische Gesetzgebung. Fedderwitz: „Wenn der Finanzminister in Inhalte des Gesundheitssystems gestalterisch eingreift, rücken wir immer mehr in die Nähe von NHS-Verhältnissen.“ Die neue GOZ solle und wolle ausdrücklich neue Leistungen beschreiben, die in der alten nicht enthalten seien. „Für 2014 wurde eine Evaluation möglicher Ausgabensteigerungen der GKV eigens ins Gesetz geschrieben. Mit der Konsequenz: Alles, was über den erwarteten Ausgaben liegt, zieht Schäuble von seinem Zuschuss aus Steuermitteln wieder ab. Seine Grätsche ist nicht nur ärgerlich, sie ist für die Zukunft unseres Gesundheitswesens gefährlich“, bilanzierte Fedderwitz. „Hat man die GKV endlich liberalisiert und die Budgets gekillt, hat es der Finanzausschuss zu guter Letzt noch geschafft, diese für den PKVBereich zu installieren.“

Der Grufti G-BA

Kritik auch für den im GKV-VstG avisierten Umbau des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA). Respektive, dass die Koalition daran festhalte, das Berufungsverfahren der unparteiischen Mitglieder des G-BA, also seiner Führungsspitze, und der zu benennenden Stellvertreter massiv zu begrenzen. Bisher, so Fedderwitz, hatten sich die Trägerorganisationen – GKV-Spitzenverband, DKG, KBV und KZBV – auf das Personaltableau verständigt. Schließe man jetzt per se alle von der Mitarbeit in dem Gremium aus, die in den vorangegangenen drei Jahren in den Träger- und Mitgliedsorganisationen oder als Leistungserbringer im G-BA tätig waren und beschränkt die Amtszeit darüber hinaus auf sechs Jahre, sei klar, wohin das führt: „Diejenigen, die es am besten können, sind außen vor, übrig bleiben die Rentner. Im Klartext: Der G-BA mutiert zum Geriatrischen Bundesausschuss, zum Grufti G-BA“, rügte Fedderwitz. „Oder wird bestückt mit Leuten aus PKV, Pharmabranche und Patientenvertretern, denn die bleiben vom möglichen Ausschluss verschont.“

Laut Eßer begeht der G-BA hier kapitale Fehler: „Ja, er verletzt Rechtsgrundsätze, wenn er die Bundeszahnärztekammer im Rahmen des Stellungnahmeverfahrens nicht anhört und die Zahnärzteschaft bei der Beschlussfassung dort nicht berücksichtigt. Wir haben diese Verfahrensfehler gerügt und eine Anwendbarkeit der beschlossenen Richtlinien auf die vertragszahnärztliche Versorgung abgelehnt.“ Dem habe sich der G-BA nicht verschließen können. Eßer: „Fest steht, dass die Verfahrens- und Entscheidungsstruktur des G-BA grundlegend geändert werden muss!“ Anerkennen müsse man indes die neue Regelung einer obligatorischen Stimmrechtsübertragung, wenn es um Beschlüsse geht, die eindeutig nur ein oder zwei Leistungssektoren betreffen. Hier werde eine Forderung der Leistungserbringer, insbesondere der Zahnärzte, aufgegriffen.

Nicht nur extern, auch intern wandeln sich die Strukturen. Welche Veränderungen der Berufsstand seit geraumer Zeit durchläuft, verdeutlichte Fedderwitz: „Es prägen nicht nur mehr und mehr Zahnärztinnen den Beruf, sondern als Folge der Liberalisierungen des Vertragsarztänderungsgesetzes arbeitet mittlerweile ein Fünftel aller Zahnärzte im Angestelltenverhältnis.“ Ziel sei, diesem Kollegenkreis ein Arbeiten zu ermöglichen, das seinen Bedürfnissen Rechnung trägt. Und aktiv zu prüfen, wie eine angemessene Vertretung und Mitarbeit in den Selbstverwaltungsgremien zu gewährleisten ist. „Es wäre fatal, wenn unsere angestellten Kollegen als Mitglieder eines Freien Berufs sich innerhalb dieses Berufsstandes ausgegrenzt fühlen“, so Fedderwitz.

Paradoxon erster Güte

Schließlich das zweite Topthema der VV: die neue GOZ. „Für mich ist das ein Paradoxon erster Güte“, bekannte Fedderwitz: „Da verabschiedet sich die Politik in der GKV von der Budgetierung, weil sie begriffen hat, dass das ein Irrweg ist. Und fängt zugleich an, in der GOZ Limits zu setzen.“ Ähnlich positionierten sich viele Delegierte, etwa der Vorsitzende der KZV Bayerns, Dr. Janusz Rat: „Die GOZ ist das Synonym für Freiberuflich keit. Wir suchen Freiräume im Privatbereich. Wenn man GOZ abwürgt, müssen wir unser Heil in der GKV suchen, das heißt, der Zug fährt rückwärts.“ Wie sich das Dilemma GOZ darstellt, brachte Eßer auf den Punkt: „Wir ringen miteinander, weil wir uns nicht ergeben wollen, aber genau wissen, dass wir keine schusssichere Weste anhaben.“ Eine klare Positionierung zur GOZ sei notwendig und wichtig – auch für die nächste Generation, für die sechs Prozent mehr Honorar haben oder nicht haben entscheidend sind. Eßer: „Unser Parlament darf nicht sprachlos sein! Wir dürfen nicht vergessen: Eine Konvergenz der Systeme bedeutet auch, dass irgendwann GOZ und Bema angeglichen werden.“ Fedderwitz bekräftigte: „Wir können es uns nicht leisten, die alte GOZ zurückzuschreien!“ Das Plenum forderte den Gesetzgeber schließlich einmütig auf, „dafür Sorge zu tragen, dass sich die Vergütung privatzahnärztlicher Leistungen an der Entwicklung des realen Leistungsbedarfs der Versicherten und nicht an willkürlichen Vorgaben hinsichtlich des damit verbundenen Ausgabevolumens orientiert“. Handlungsbedarf sahen die Delegierten auch bei den Patientenberatungsstellen. Eßer: „Wir haben es vor fünf Jahren versäumt, Patientenberatungsstellen flächendeckend zu etablieren und Dritten die Qualifikation zur Beratung zugestanden.“ Noch finde in der UPD keine fachliche Beratung statt, lediglich Beschwerden würden entgegengenommen. „Was der UPD im Vergleich zu uns fehlt, ist zahnärztliche Fachkompetenz und dass sie kein flächendeckendes Beratungsangebot zur Verfügung stellen kann. Sie wird aber genau diese Lücke schließen“, prophezeite Eßer. „Deshalb müssen wir Beratungs- und Evaluationsstandards einführen.“ Es gelte, die vielfältigen Angebote und die Kompetenzen des Berufsstands viel stärker als bisher in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu bringen. Ohne die Individualität der einzelnen Angebote zu berühren – sie sollen weiterhin in ihrer Mannigfaltigkeit existieren. Eßer: „Geplant ist, in einem ersten Schritt die Kooperation zwischen KZVen, Kammern, KZBV und BZÄK zu stärken und auf Bundesebene zu koordinieren.“ Angedacht sei eine bundesweit einheitliche Telefonnummer, die dann gleich an die richtigen Stellen weiterschaltet, wie auch eine Infobroschüre und ein gemeinsames Label, um die zahnärztliche Patientenberatung zu promoten.

Ausgerollt und ausgestattet

Auf den neuesten Stand zur elektronischen Gesundheitskarte (eGK) brachte der stellvertretende KZBV-Vorsitzende Dr. Günther E. Buchholz: „Die Ausstattung der Zahnärzte mit den neuen Terminals liegt in den meisten KZVen bei nahezu 100 Prozent. Der Basis-Rollout ist damit abgeschlossen.“ Seit dem 1. Oktober verschicken die Krankenkassen nun die eGKs. Buchholz: „Allerdings werden wir nicht darüber informiert, wo und in welchem Maße die zehn Prozent der Karten ausgegeben werden.“ Dass das BMG weiter Druck macht, zeige sich an dem Gesetzesvorhaben, für nächsten Jahr ein Volumen von 70 Prozent anzuordnen. Wie Buchholz ausführte geben die Kassen ihrerseits den Druck weiter, indem sie den GKV-Spitzenverband drängen, die Online-Prüfung der eGK so schnell wie möglich umzusetzen. Konflikte seien damit vorprogrammiert: „Die Kassen wollen die Online-Prüfung so schnell und Hauptsache billig. Mindestmehrwert für Ärzte und Zahnärzte ist aber, dass mit der dazu notwendigen Infrastruktur auch eine sichere elektronische Kommunikation stattfindet, also eine sichere Internetanbindung sowie die Möglichkeit zur elektronischen Signatur.“ Darüber hinaus beanspruche der GKV-Spitzenverband die alleinige Projekthoheit und lehne jegliches Mitspracherecht seitens der Leistungserbringer ab. „Wenn der GKV-Spitzenverband weiterhin unsere Interessen an die Seite schiebt, steigen wir aus der gematik aus“, kündigte Buchholz an.

Wie er darlegte, wird im Zuge der papierlosen Abrechnung auch die Online-Übermittlung der Abrechnungsdaten an die KZV und die Online-Kommunikation mit dem zahntechnischen Labor Verbreitung finden. Seine Empfehlung: „Setzen Sie dafür einen vom Praxis-System getrennten Kommunikations-PC ein!“ Natürlich sei es auf Dauer bequemer, seine Abrechnungsdaten direkt aus der Praxis-EDV an die KZV zu schicken. Damit auch dieser Weg sicher wird, müssen die KZV-Portale erstens komfortabel und über eine Schnittstelle aus dem PVS ansprechbar sein. Zweites müsse der Schutz der Praxis-Systeme gewährleistet sein. Wichtig sei, dass alle Authentisierungsmechanismen, die die KZVen heute zur eindeutigen Identifizierung der Portalnutzer einsetzen, aus dem PVS heraus funktionieren – Stichwort Virenschutz oder Firewall. Buchholz: „Ich gehe davon aus, dass die Verfahren funktionieren. Nachbesserungen sind bei der Komplexität des Projekts zwar nicht ausgeschlossen, doch hat die KZBV alles getan, um den Praxen und KZVen die Umsetzung so einfach und leicht wie irgend geht zu machen.“ ck

Alle Beschlüsse zur Vertreterversammlung unterwww.kzbv.de

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