Gastkommentar

Polit-Marketing

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Nach langem Abwarten, einer breiten Konzeptionsspanne, einer heißen Phase der Gesetzgebung ist die schwarz-gelbe Gesundheitspolitik jetzt in eine Zeit des Marketings und der Werbung eingetreten. Keine leichte Aufgabe für das BMG, meint Dr. Andreas Lehr, gesundheitspolitischer Fachjournalist in Berlin.

Landauf, landab präsentieren Philipp Rösler, Stefan Kapferer und Christian Weber stolz ihre Gesetze und werben. Die eine oder andere Maßnahme wird dabei auch ein wenig umgedeutet, einiges lässt man unter den Tisch fallen – zumeist begründet mit der Notoperation zum Ausgleich des Defizits. Beispiel Solidarausgleich: Den Solidarausgleich aus Steuern zu finanzieren, hatte man monatelang als aus Gerechtigkeitsgründen unverzichtbar bezeichnet – alle Bürger sollten ihren Beitrag für die Solidarität zwischen Gesunden und Kranken entrichten. Warnende Stimmen, dies würde, wie in anderen Ländern nachweisbar eingetreten, zu einer Gesundheitspolitik nach Kassenlage führen, wurden in den Wind geschlagen. Wie erwartet, hat aber Wolfgang Schäuble das Staatssäcklein fest zugehalten und jetzt muss der Solidarausgleich aus der Liquiditätsreserve des Fonds bezahlt werden. Auch in Zukunft wird es keinen steuerfinanzierten vollen Sozialausgleich geben können, das finanzielle Rad, was dafür zu schlagen wäre, ist viel zu groß, wie das BMF in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage schon vor Monaten darlegte. Dahinter steht wohl, dass die Prämie gegen alle Kritik durchgesetzt werden musste, auch gegen alle guten Argumente. Sie wird kein Erfolgsmodell werden, auch nicht für die Leistungserbringer. Die gute alte GKV ist ihr Garant für wirklich gute Einkommen.

Das Mehr an Gerechtigkeit ist mit einer misslungenen Steuerfinanzierung erst einmal passé. Darüber spricht man natürlich nicht so gern.

Ähnliche Beispiele lassen sich zu Hauf anführen. Keine leichte Situation für die schwarz-gelbe Gesundheitspolitik, keine leichte Aufgabe für deren Marketing und Werbungsabteilung.

Marketing, Werbung und PR sind aber nun einmal Zauberwörter der modernen Welt. Was kann man mit gutem Marketing, mit Werbung nicht alles an den Mann, an die Frau bringen. Scheinbar alles lässt sich verkaufen und folgt dabei den vermeintlichen Gesetzen des Marktes, nach denen man nur eine Nachfrage erzeugen, eine Mode kreieren muss.

Aber funktioniert das auch in der Politik? Wahlkämpfe sind Marketingschlachten, Auftritte in TV-Sendungen mit hohen Quoten sind begehrt, moderne Medien werden in vielfachen Variationen eingesetzt. Alles was die Politik unternimmt, hat immer auch einen Werbe- und PR-Aspekt. Das ist für die schwarz-gelbe Koalition in der Gesundheitspolitik zusätzlich noch extrem schwer, weil ihre Klientels oft gegenläufige Interessen haben – die PKV will eine Öffnungsklausel in GOZ und GOÄ, Zahnärzte und Ärzte tun alles, um sie zu verhindern.

Trotz allen Marketings – und darin sind der BMG und seine Paladine wahrlich nicht schlecht –, können sie zum Beispiel in diesem Punkt keine einheitliche Botschaft versenden. Einer wird Federn lassen müssen.

Beispiel „Sparbeiträge“ – sie sind ungleich verteilt, die niedergelassenen Ärzte haben eine ordentliche Transfusion erhalten, Zahnärzte und Krankenhäuser müssen sich bescheiden, Pharmaindustrie, Apotheken und Großhändler bluten – dem Hausärzteverband wird die Vertragsgrundlage zerschlagen.

Ein harter Brocken für Werbestrategen. Bei aller Professionalität, aber Politik ist kein Prada-Täschchen, Gerechtigkeit keine Modeerscheinung – auch nicht Solidarität. Gesundheitspolitik muss dem Gemeinwohl verhaftet bleiben, die Versorgung sichern, sozialen Frieden auch durch Sozialausgleich erhalten und nicht nur bessere Marktbedingungen für die Gesundheitswirtschaft schaffen.

Zum guten Schluss wird Politik an ihren nachweisbaren Leistungen für das Gemeinwohl gemessen.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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