Internetapotheken

Die Medikamenten-Mafia

Heftarchiv Praxis
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Aspirin, Hustensaft und Diabetesmedikament per Mausklick? Kein Problem dank Internetapotheken. Doch neben den vielen seriösen Anbietern drängen immer mehr kriminelle Händler auf den Markt. Das Bundeskriminalamt spricht bereits von organisierter Kriminalität.

Dr. Mona Tawab vom Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker (ZL) hat nichts gegen Internetapotheken. Riesen wie DocMorris, Mycare oder Apotheke.de, aber auch der Großteil der kleinen Anbieter – zum Beispiel Apotheken, die ihre Medikamente zusätzlich zum Tresen über eine Webseite verkaufen – seien unter rechtlichen Gesichtspunkten unbedenklich. „Eine in Deutschland zugelassene Internetapotheke ist genau so seriös wie die Apotheke vor Ort“, so die Assistentin der wissenschaftlichen ZL-Leitung.

Ein großes Problem hingegen: die steigende Zahl von Versandapotheken, die als Plattformen für den illegalen Medikamentenhandel dienen. Dazu zählt der Handel mit gefälschten Medikamenten und der Verkauf verschreibungspflichtiger Präparate ohne Vorlage eines Rezepts.

Anlässlich einer internationalen Aktionswoche gegen den Onlinehandel mit gefälschten und nicht zugelassenen Arzneimitteln im Oktober 2010 identifizierte das BKA 100 kriminelle Internetseiten. Nach Einschätzung der Weltgesundheitsorganisation WHO ist über die Hälfte der auf illegalen Seiten verkauften Arzneimittel gefälscht. Wie gefährlich die Verstöße gegen das Arzneimittelgesetz sein können, hat auch das ZL vor kurzem bei Testkäufen auf dem Portal Goldpharma.com festgestellt.

Kein Goldstatus

Stichproben ergaben, dass Goldpharma verschreibungspflichtige Medikamente ohne Vorlage entsprechender Rezepte verschickte. Die Testkäufer erhielten problemlos das Krebsarzneimittel Farmorubicin, die Antidepressiva Tofranil und Lioresal, das Antirheumatikum Arava und das Muskelrelaxans Norflex. „Zwar müssen die Kunden einen Fragebogen zu ihrem Gesundheitszustand ausfüllen. Doch das dient mehr der Verschleierung als der Arzneimittelsicherheit. Denn die Angaben prüft niemand, es gibt auch keinen Arzt, der wie behauptet den Fragebogen benötigt, um ordentlich ein Rezept auszustellen“, heißt es in einem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ vom 2. Februar 2011. Die Testkäufe hätten außerdem gezeigt, dass die Kreditkarten der Kunden belastet wurden noch bevor die Bestätigung einging, dass ein ärztliches Rezept vorliege.

Solche Geschäftspraktiken stellen ein enormes Gesundheitsrisiko dar. Goldpharma bearbeitete laut Tawab auch Bestellungen, bei denen die Fragebögen der Testkäufer  Kontraindikationen anzeigten. Ein Medikament wurde verschickt, ohne dass vorher – wie gesetzlich gefordert – eine Schwangerschaft ausgeschlossen wurde. Doch die möglichen Nebenwirkungen sind nicht das einzige Problem. Tawab: „Illegale Händler verkaufen auch Arzneimittel mit großem Suchtpotenzial, beispielsweise Morphine oder andere hochwirksame Schmerzmittel.“

Beim Medikamentenkauf im Internet auf Nummer sicher zu gehen, erfordert Aufmerksamkeit seitens der Kunden. Grund: Die immer professioneller werdende Aufmachung vieler illegaler Seiten erschwert es, seriöse von unseriösen Angeboten zu unterscheiden. Auch die Webseite von Goldpharma.com wirkt auf den ersten Blick seriös. Vom soliden oder gar schicken Look einer Webseite sollten Käufer sich aber nicht täuschen lassen. Als Gradmesser für Sicherheit empfehlen sich andere Faktoren.

Alarmglocken schrillen

Die rund 1 400 deutschen Versandapotheken existieren nicht im rechtsfreien Raum. Sie unterliegen gesetzlichen Anforderungen und Regulierungen – allesamt Anhaltspunkte, nach denen Verbraucher die Achtbarkeit der Anbieter bewerten können. Erfüllt eine Internetapotheke die Auflagen nicht, ist Misstrauen angebracht. Die Alarmglocken sollten beispielsweise schrillen, wenn Händler verschreibungspflichtige Arzneimittel ohne Vorlage eines Rezeptes anbieten. „Das ist illegal“, sagt Tawab. Gleiches gelte für den Fall, dass ein Rezept erst nach dem Kauf eingereicht werden muss oder die Internetapotheke die Ausstellung eines Rezepts anbietet. Rezepte müssen immer vor dem Kauf per Post an den Onlinehändler geschickt werden.

Internetapotheken sind verpflichtet, allgemeine Geschäftsbedingungen und ein Impressum auf ihre Seite zu stellen. Fehlt dies – wie beispielsweise bei Goldpharma.com – handelt es sich um keinen seriösen Anbieter. Das Impressum muss den Namen des verantwortlichen Apothekers und der zuständigen Apothekenkammer enthalten. Pflicht ist außerdem, die Nummer einer Hotline anzugeben, die mit pharmazeutischem Fachpersonal besetzt ist. „Verbraucher sollten diese Telefonnummer unbedingt vor dem Einkauf testen“, rät Tawab. „Die telefonische Erreichbarkeit und eine kompetente Beratung müssen gegeben sein. Viele illegale Apotheken geben einfach eine gefälschte Nummer an.“

Vorsicht auch bei Dumpingpreisen: Im Bereich der rezeptpflichtigen Arzneien, die Patienten selbst bezahlen müssen – etwa Potenzmittel – ist auch im Internet nur eine beschränkte Rabattspanne möglich. Preisunterschiede von 50 bis 200 Prozent sind illegal und ein Zeichen dafür, dass man es mit Betrügern und gut möglich gefälschten Medikamenten zu tun hat.

Ein nützlicher Tipp für Verbraucher: Im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums führt das Deutsche Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) ein Versandapothekenregister, das öffentlich eingesehen werden kann. Mit allen Apotheken, die über eine behördliche Erlaubnis zum Versand von Arzneimitteln verfügen. Das DIMDI verleiht auch ein Sicherheitslogo. Wer auf das Logo klickt, gelangt direkt zum Register.

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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