Gemeinwohl stärken

Der Wert des Gebens

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Immense Reichtümer für wenige und Armut im Überfluss für viele – Status quo an vielen Plätzen dieser Welt. Auch in den westlichen Demokratien ist Platz für Facetten von Armut. Die Spanne reicht von Zeitarmut, über monetäre Armut bis hin zu seelischer Armut. Umso wichtiger ist es, aktiv gegenzusteuern.

Das Gemeinwohl zu stärken ist elementarer Bestandteil der Freien Berufe. Denn „Freiheit vollendet sich gerade in der Verantwortung für andere. Dies ist ein wesentliches Fundament auch der Freien Berufe und ihrer Institutionen“, sagte der Münchner Kardinal Dr. Reinhard Marx, Vorsitzender der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der Deutschen Bischofskonferenz, als er im November dieses Jahres vor dem Verband Freier Berufe in Bayern (VFB) sprach. Mit seinem Leitgedanken der „verantwortlichen Freiheit“ verknüpfte er die katholische Soziallehre mit der sozialen Marktwirtschaft. Sein Appell: Dem Anpassungsdruck, der insbesondere von den Märkten ausgeht, müsse das Prinzip ethischer Verantwortung entgegengestellt werden. Märkte seien immer nur Mittel zum Zweck. Gerade angesichts der krisenhaften Zuspitzung auf den Finanzmärkten müsse der Ruf nach Verantwortung wieder ernst genommen werden. „Die Trennung von Risiko und Haftung hat Erosionen zur Folge, weil damit die Unmoral honoriert wird“, mahnte der Kardinal.

„Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in das Reich Gottes gelangt“, ist dem Neuen Testament zu entnehmen. Gemeint ist das Anhäufen monetärer Reichtümer. Aus den Aufzeichnungen von Eva von Tiele- Winckler, Gründerin des Diakonissenhauses „Friedenshort“, geht hervor: „Willst du reich werden, so gib. Geben macht reich, Festhalten arm“, womit sie auf den Wert der Nächstenliebe anspielt.

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Das Ehrenamt hat viele Gesichter

Für die Zahnärzteschaft ist die Gemeinwohlverpflichtung immanenter Bestandteil ihrer Berufsaussübung, die sich ganz konkret in zahlreichen Initiativen und Vereinen widerspiegelt. Allen voran die Arbeit der Stiftung „Hilfswerk Deutscher Zahnärzte“ (HDZ). Seit fast 25 Jahren fördert das Hilfswerk der Zahnärzteschaft über 900 Projekte weltweit und leistet zudem Soforthilfe bei Naturkatastrophen (Kasten). Aber auch viele weitere – wie „Zahnärzte ohne Grenzen“, „Dentists for Africa e.V.“, das „Gambia Dent Care Programm“ oder Projekte „vor der Haustür“, wie der Berliner Fixpunkt-Verein oder das Hamburger Zahnmobil von Colgate und Caritas – sind nur die Speerspitze einer großen Bewegung von engagierten Helfern der zahnärztlichen Profession.

„Dieses Engagement sollte kontinuierlich fortentwickelt werden. Denn die Fokussierung auf sozialpolitische Problembereiche, die erhebliche fachliche Auswirkungen besitzen, wie die Polarisierung des Erkrankungsrisikos auf Bevölkerungsgruppen in sozial schwierigen Lebenslagen, aber auch das Engagement des Berufsstands in weltweiten humanitären Hilfsprojekten sind wichtige Betätigungsfelder für die Zahnärzteschaft“, sagt in diesem Zusammenhang Prof. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der Bundeszahnärztekammer. Eine Liste aller Hilfswerke findet sich aufwww.bzaek.de.

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Mit den Augen des anderen sehen

Es scheint spannend zu ergründen, was die Helfer antreibt – opfern sie doch einen beachtlichen Teil ihrer Freizeit – seien es Zahnärzte, Zahnmedizinstudenten oder Zahntechniker. Zudem kommen sie allein für die Reisekosten auf, wenngleich Kost und Logis bei einigen Einsätzen frei sind.

Die Wissenschaft gibt Antworten. So belegen Studien, dass ein großes subjektives Gerechtigkeitsempfinden als handlungsübergreifendes Persönlichkeitsmerkmal stark mit der Bereitschaft zu freiwilligem Arbeitsengagement korreliert. Sprich: Je wichtiger einer Person Gerechtigkeit als Handlungsprinzip in ihrem Leben ist, desto hilfsbereiter ist sie – auch im beruflichen Kontext. Verletzungen des Gerechtigkeitsempfindens führen dagegen zu moralisch motivierten „negativen“ Emotionen, wie etwa Empörung. „Der größte Gewinn der Selbstlosigkeit war, dass sie unseren Vorfahren half, sich zu Wesen mit großen Gehirnen zu entwickeln“, schreibt der Wissenschaftsjournalist Stefan Klein in seinem Buch „Der Sinn des Gebens“. Demnach begannen unsere Urahnen zu teilen und zusammenzuarbeiten wie kein anderes Geschöpf der Natur.

Dazu mussten sie die Grenzen der eigenen Person überwinden und lernen, die Welt mit den Augen des anderen zu sehen und zu fühlen wie er. Klein: „Erst der Altruismus machte uns Menschen.“ Er verweist auf „Beweise“ aus der Hirnforschung. In einem US-amerikanischen Experiment etwa spielten 36 Frauen das Gefangenendilemma, während sie in einem Kernspintomografen lagen. Klein berichtet, dass, immer wenn die Spielpartnerinnen einander vertrauten und Solidarität übten, Gehirnzentren in Aktion traten, die für gute Gefühle sorgen. Vor dem Hintergrund einer individualisierten Leistungsgesellschaft ein wichtiges Ergebnis. Denn die rapide ansteigenden Fälle von Depressionen erklären Fachleute hierzulande mit Bindungsverlusten zu Freunden und Familie. Klein meint: „Zwar spüren wir oft den Impuls, etwas für andere zu tun, aber dann unterdrücken wir ihn.“ Altruismus sei fast immer riskanter, als nur auf eigene Rechnung zu handeln. Eine Art institutionalisiertes Geben war der Zivildienst. Er ist abgeschafft. Doch die „Buftis“ rücken nur zögerlich nach. Somit sind ehrenamtliche Helfer nicht nur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt unversichtbar.

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