Berufsstand im Wandel

Weit mehr als ein Geschlechterwechsel

„Wie geht’s, Frau Doktor?“ Wer Deutschlands Zahnmedizinerinnen das fragt, sollte gut zuhören und mitdenken. Denn der prognostizierte Geschlechterwechsel im Berufstand – soziologisch als „gender switch“ bezeichnet – wirkt komplex. Letztlich reichen Rückschlüsse wie „Zahnmedizinische Versorgung wird Frauensache“ oder „Die Lösung ist, Frauen in Haushalt und Familie zu entlasten“ bei Weitem nicht aus. Es geht um mehr als nur eine „Feminisierung“: Beruf und Familie gehören in ein lebbares Lot – für alle beteiligten Mitglieder. Für Frauen. Für Männer. Für Kinder. Doch dazu bedarf es aktivem Handeln.

„Männer stammen vom Mars, Frauen von der Venus“? Das reicht vielleicht noch für Buchtitel. Der gemeinsamen Aufgabe, das Zusammenleben auf Mutter Erde vernünftig zu gestalten, das menschliche Überleben zu sichern, Nachkommen zu erziehen und das gesellschaftliche Miteinander verantwortlich zu regeln, dienen die Mutmaßungen über „kleine“ oder größere Unterschiede zwischen den Geschlechtern wohl nur noch bedingt.

Der reale Alltag auf der Erde, speziell an Deutschlands zahnmedizinischen Fakultäten und auch der in den Praxen hat mit den Befindlichkeiten von „Marsianern“ oder „Venusianerinnen“ wenig zu tun. Dort geht es – wie übrigens in vielen anderen akademischen Berufen auch – längst um Existenzielles: um nicht weniger als den künftigen Erhalt flächendeckender und qualitativ hochwertiger zahnmedizinischer Versorgung in einem schon aus demografischen Gründen vor großen Herausforderungen stehenden Gesundheitssystem. Um die bisherige Qualität weiter zu gewährleisten, muss Deutschland – gewollt oder nicht – flexiblere Arbeitsmodelle erdenken und diese auch implementieren. In einem ersten Aufschlag haben sowohl die Bundeszahnärztekammer wie auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung auf ihren Bundesdelegiertentreffen im Rahmen des Deutschen Zahnärztetages mit Beschlüssen den dringlichen Handlungsbedarf in diesem Feld unterstrichen:

„Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist zu einem wichtigen Kriterium in allen Bereichen zahnärzticher Berufsausübung geworden und betrifft sowohl Zahnärztinnen als auch Zahnärzte.“ Insofern begrüßen sowohl die Vertreterversammlung der KZBV wie auch die Bundesversammlung der BZÄK „die im Rahmen des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung geplanten Regelungen zur Verstärkung der Vereinbarkeit von Beruf und Familie in der ambulanten Praxis“, heißt es in den Beschlüssen vom November dieses Jahres in Frankfurt. Zugestimmt wurde übrigens mit enormer Mehrheit. Gegenstimmen in diesen noch männerbestimmten Gremien: keine.

Gut austarieren – Arbeit und Familie

Laut BZÄK sollen sich Kammern, KZVen, aber auch andere Berufsverbände und Fachgesellschaften dafür einsetzen, dass Berufstätigkeit, Familien- und Privatleben „stärker als bislang vereinbar sind“. Selbstverständliche Option hierbei: Frauen sollen forciert aktive Rollen in den berufsständischen Selbstverwaltungen übernehmen.

Immanent gefordert ist damit aber auch der Umkehrschluss: „Männliche Kollegen“, so heißt es in der Begründung des von der BZÄK verabschiedeten Beschlusses, „übernehmen zunehmend Familienarbeit“. Die nahe Zukunft, so die BZÄK-Delegierten, werde „von einem veränderten Geschlechterrollenverständnis und den gestiegenen Erwartungen der jungen Zahnärztinnen- und Zahnärztegeneration an die sogenannte ‚Work-Life-Balance‘ geprägt“.

Es sei zweifellos „ein Zug der modernen Gesellschaft, dass die sogenannte ‚Work- Life-Balance‘ nach zeitgemäßen Lösungsmustern sucht, um eine zufriedenstellende Lebensqualität in der Berufsausübung zu erreichen“, heißt es in einem vor diesem Beschluss im Juni 2011 von der BZÄK verabschiedeten „Memorandum zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf im Rahmen der zahnärztlichen Berufsausübung“. Da die zahnärztliche Berufsausübung zahlenmäßig ganz überwiegend und unverändert in selbstständiger Praxisniederlassung erfolge, seien Unterstützungsangebote für eine familienfreundliche Niederlassung mit flexiblen Berufsausübungsformen für junge Zahnarztfamilien zweifellos prioritär. Das Versprechen der Bundesversammlung: „Der Vorstand der BZÄK wird Initiativen, die auf familienfreundliche Arbeitsbedingungen bei Zahnärztinnen und Zahnärzten abzielen, koordinierend unterstützen.“

Die Ziele sind offenbar erkannt, die Zahnärzteschaft hat sich auf den Weg in neue Zeiten gemacht. Ohne Zweifel müssen den Worten Taten folgen. Fakt ist: Deutschlands zahnmedizinische Versorgung erfolgt ab 2017 – so eine Studie des Instituts der Deutschen Zahnärzte (IDZ) – zur Mehrheit durch Frauen. Dann ist der Scheitelpunkt zum unter Gesellschaftswissenschaftlern als „gender switch“ bezeichneten Paradigmenwechsel bereits überschritten.

Eine erste Zwischenbilanz lässt sich aber jetzt schon ziehen. Denn in den inzwischen fast 144 Jahren, seit Deutschlands erste Zahnärztin Henriette Hirschfeld-Tiburtius ihre Praxis in Berlin eröffnet hat, ist doch einiges geschehen:

Zum einen ist es heute nicht mehr vorstellbar, dass es – noch dazu vor nicht allzu ferner Zeit – „Frauen-freie“ Semester im Zahnmedizinstudium gab. In den 70ern des letzten Jahrhunderts war das – zumindest in den alten Bundesländern – durchaus noch an der Tagesordnung. Seit einigen Jahren ist aber auch im ehemaligen Westen der strukturelle Wandel eingeläutet. Ergo: Landauf landab bevölkern zur Zeit vorrangig Frauen die Vorlesungen und Seminare an den zahnmedizinischen Fakultäten.

Ost-West-Gefälle – Kein kleiner Unterschied

Dr. Wolfgang Micheelis, wissenschaftlicher Leiter des IDZ in Köln, urteilt dazu dezent polemisch: „Ein Männerberuf wandelt sich zu einem Frauenberuf. Das ist ein soziologisches Phänomen.“

Die vom IDZ zusammengestellten Zahlen untermauern seine Interpretation: Der Frauenanteil bei den Studienanfängern mit dem Abschluss Staatsexamen lag 2009 bei 64,7 Prozent. Bei der Gruppe mit dem Abschluss Promotion waren es im gleichen Jahr immer noch 62,1 Prozent. Im Rahmen der Studie zur Prognose der Zahnärztezahl und des Bedarfs an zahnärztlichen Leistungen bis zum Jahr 2030 (Prog 2030) sagen die Autoren vom IDZ voraus, dass der Frauenanteil an zahnärztlichen Approbationen bis zum Jahr 2030 bis auf 70 Prozent ansteigen wird.

Schaut man auf die einzelnen Bundesländer, so gibt es gravierende Unterschiede bei der Verteilung von Zahnärztinnen und Zahnärzten in den einzelnen Kammerbezirken. Während beispielsweise in Mecklenburg- Vorpommern 60 Prozent der niedergelassenen Zahnärzte weiblich sind, zeigt sich im Saarland mit 28,3 Prozent noch ein „anderes Extrem“. Andreas Kunzler von der Rechtsabteilung der Bundeszahnärztekammer und dort zuständig für statistische Belange erklärt diese Diskrepanz so: „Während der Zahnarztberuf in den neuen Bundesländern traditionell überwiegend weiblich geprägt ist, beobachten wir in den alten Bundesländern erst seit einigen Jahren den Trend zur sogenannten Feminisierung bei den Niedergelassenen.“

Betrachtet man die gesamte Zahnärzteschaft, so fällt der Anteil der Frauen noch höher aus. Das liegt, so die BZÄK, zum einen daran, dass die Gruppe der traditionell abhängig beschäftigten Assistenzzahnärzte zunehmend durch weibliche Absolventinnen repräsentiert wird. Zum anderen fielen in diese Gruppe auch die Zahnärzte im Ruhestand. Da Frauen im Schnitt eine etwa fünf Jahre höhere Lebenserwartung haben, kommt auf zwei Frauen nur ein Mann, analysiert Kunzler. Ansonsten gilt, dass in Westdeutschland mit zunehmendem Alter der Frauenanteil stark sinkt, während in Ostdeutschland bis zum Ausscheiden aus dem Beruf der Frauenanteil weitgehend konstant ist.

Mehr Abstand zu tradierten Rollen

„Wer die zukünftigen Herausforderungen im Gesundheitswesen meistern will, muss den Blick auf die gesellschaftlichen Realitäten richten und nachhaltige Konzepte anbieten“, erklärte deshalb der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, jüngst in den zm. Wer Engels Appell auf das Phänomen der steigenden Zahl von Absolventinnen projiziert, ist bei langfristiger Betrachtung schnell bei der Frage nach der Erfüllung des Sicherstellungsauftrags.

Fest steht: Zahnärztinnen bevorzugen in der Berufsausübung spezifische Fachgebiete. Kieferorthopädie und Kinderzahnheilkunde zählen traditionell dazu. Dagegen wird Chirurgie eher von Zahnärzten als Schwerpunktfach in der Berufsausübung gewählt. Aus Datenmaterialien des IDZ (Studie ANFO-Z), die sich unter anderem mit möglichen Geschlechterdifferenzen in diesen Spezifizierungen befasst, geht hervor, dass weibliche Zahnärzte mehr als doppelt so häufig die „Kinderzahnheilkunde“ als einen Arbeitsschwerpunkt gegenüber ihren männlichen Berufsgenossen angaben und auch der Schwerpunkt „Prophylaxe/Prävention“ etwas häufiger zu Protokoll gegeben wurde. Umgekehrt lassen sich der Arbeitsschwerpunkt „Prothetik“ und insbesondere der Arbeitsschwerpunkt „Implantologie“ eher als Männerdomäne identifizieren. Es gibt also anscheinend doch klare Unterschiede zwischen den zahnärztichen Geschlechtern, zumindest im Hinblick auf die berufliche Rollengestaltung. Inwieweit diese Berufsbildentwürfe traditionsgeleitet sind, werden die kommenden Jahre ausweisen.

Gegenbewegt – Männer und Familienleben

Theoretisch deutet die Entwicklung bei weiterhin sinkendem Anteil der männlicher Absolventen in den alten Bundesländern in den dortigen Kammerbezirken auch auf mögliche Engpässe in der Versorgungslandschaft hin. Ob und wie stark sich das auswirkt, ist sicherlich davon abhängig, ob die derzeitigen Vorlieben erhalten bleiben. Zumindest im Osten Deutschlands sind in Bezug auf den schon länger bestehenden höheren Frauenanteil keine gravierenden Veränderungen zu erwarten. Das jedenfalls stützen die Zahlen des Statistischen Jahrbuchs der BZÄK.

Dennoch: Generell steigt der Anteil weiblicher Zahnärzte kontinuierlich. Damit ist auch absehbar, dass die Organisationsstruktur der zahnärztlichen Berufsausübung zukünftig stärker durch weibliche Strategien der beruflichen Karriereplanung geprägt sein wird (siehe auch Titelgeschichte in den zm 4/2010). Dazu zählt eine ausgewogene Work-Life-Balance, sprich ein bewusst gewähltes Wechselspiel zwischen Berufsausübung und Familienplanung mit Babypause(n) und Erziehungszeit(en).

Unter Ärzten, so weist es beispielsweise der Report Versorgungsforschung aus dem Jahr 2010 aus, steht es hier längst nicht zum Besten. Lediglich 16,2 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte betrachten die Vereinbarkeit des Berufs mit der Familie als „gut“ oder „eher gut“, ein gutes Drittel bewertet die Vereinbarkeit als „mittelmäßig“. Über die Hälfte der befragten Mediziner (Männer wie Frauen gleichermaßen) geben bei der Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Arztberuf ein eindeutiges Negativurteil ab.

Außerhalb des Krankenhauses, so Dr. Annegret Schoeller von der Bundeszahnärztekammer, sieht das aber wieder anders aus: „Nicht kurativ tätige oder niedergelassene Ärzte bewerten die Kompatibilität deutlich besser als ihre Kollegen im stationären Bereich und in Universitätskliniken.“

Normales Alltagsquantum Über 35 Stunden am Stuhl

Ein Lichtblick, der letztlich auch für die Zahnmedizin und ihre vornehmlich ambulante Ausrichtung gelten und die Dinge etwas vereinfachen dürfte. Denn es bleiben in diesem Wandlungsprozess durchaus auch volkswirtschaftliche Hürden, die in den kommenden Jahren genommen werden müssen: Gegenwärtig bewältigen Zahnärzte laut KZBV-Statistik im Schnitt immer noch 48 Stunden pro Woche in der Praxis, davon 35,2 am Stuhl.

Kommt es in den kommenden Jahren zur prognostizierten verstärkten Nachfrage nach stundenreduzierten Arbeitsmodellen, haben Deutschlands Universitäten trotz mittelfristig sinkender Bevölkerungszahlen auch künftig einen hohen Ausbildungsdurchsatz. Das ist der sprichwörtliche, übrigens auch für andere Berufssparten mehr oder minder gültige saure Apfel, in den die Gesellschaft mit Blick auf den Hochschulsektor wohl beißen muss. Alternativen: keine!

Bund und Länder haben den bestehenden Handlungsbedarf jedenfallls signalisiert, um dem auch als „Feminisierung“ von Medizin und Zahnmedizin bezeichneten Prozess gerecht werden zu können. Bayerns Ministerin für Arbeit und Sozialordnung, Christine Haderthauer, sieht es aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive so: „Frauen haben andere Lebensentwürfe und andere Sichtweisen. Nur wenn Familienleben auch ein Männerthema wird, können wir echte Chancengerechtigkeit erreichen.“

Erste Schritte in diese Richtung sind getan: Schon das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) von 2007 hat flexiblere Formen der Berufsausübung mit sich gebracht. Mediziner wie Zahnmediziner haben nunmehr die Wahl zwischen Möglichkeiten wie der Vollzeittätigkeit in der Einzelpraxis, der Teilzeitanstellung in einer Gemeinschaftspraxis oder gar dem Angestelltenverhältnis. Auch hier belegen Studien, dass gerade Letzteres stärker von weiblichen Zahnärzten in Anspruch genommen wird.

Laut IDZ-Studie ANFO-Z haben rund vier Prozent der weiblichen, aber nur rund ein Prozent der männlichen Zahnärzte geantwortet, dass sie gern im Angestelltenstatus arbeiten würden. Rund sechs Prozent der Zahnärztinnen im Gegensatz zu rund drei Prozent ihrer männlichen Kolllegen gaben an, einen „anderen Berufsstatus“ als Perspektive ins Auge fassen zu wollen.

Zu diesem geschlechtsspezifischen Befund passt, dass auch in der Mitgliederbefragung der Bayerischen Landeszahnärztekammer ähnliche Unterschiede in der Antwortstruktur dokumentiert werden konnten: So stimmten in der bayerischen Befragung 26 Prozent der männlichen, aber 44 Prozent der weiblichen Zahnärzte der Aussage im Sinne eines abgefragten Gedankenexperiments zu, sich vorstellen zu können, „als angestellter Zahnarzt zu arbeiten“.

Die realen Entwicklungen bestätigen diese Ergebnisse. Dem statistischen Jahrbuch der BZÄK ist zu entnehmen, dass der Frauenanteil bei den Niedergelassenen im Jahr 2008 in sieben Kammerbezirken im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen ist. Dass der steigende Anteil an Frauen in der Zahnärzteschaft nicht mit einem Anstieg bei den Niederlassungen einhergeht, belegt aber auch die IDZ-Studie „Prog 2030“. Die Autoren sagen für diese Form der Berufsausübung eine Stagnation voraus.

Schwieriger Spagat zwischen Familie und Beruf

Aber warum ist das Angestelltenverhältnis als Form der zahnärztlichen Berufsausübung gerade für Frauen so attraktiv? Der Antwortkanon reicht von „Mehr Zeit für Kinder“ über „Mehr Möglichkeiten zur fachlichen Spezialisierung“ bis hin zu „Mehr Schultern, die die Verantwortung tragen“. Unterm Strich scheint das Gros der jüngeren Zahnärztinnen bestrebt, mit dieser Berufswahl auch einen persönlichen Mehrwert zu erreichen. Es ist eigentlich so einfach wie offensichtlich: Die Pole des Lebens – Beruf und Familie – wollen „unter einen Hut gebracht werden“.

Dass die daraus resultierende Doppelbelastung bei Zahnärztinnen bis 45 Jahre besonders stark gewichtet, ist ein Ergebnis der vom IDZ durchgeführten ANFO–ZStudie. Micheelis: „Der Spagat zwischen Familie und Beruf, den berufstätige Zahnärztinnen im jüngeren Alter nicht selten managen müssen, drückt sich in den Zahlen deutlich aus.“ Mit zunehmendem Alter sinke dann der von den Zahnärztinnen empfundene Grad der Belastung wieder ab. Entsprechend steigt dann auch die Bereitschaft, sich niederzulassen.

Dr. David Klingenberger, wissenschaftlicher Referent beim IDZ mit dem Schwerpunkt Gesundheitsökonomie, analysiert in diesem Punkt: „Insgesamt kann man sagen, dass die Zahnärzteschaft relativ homogen ist.“ Allerdings gibt es Unterschiede zwischen den Generationen. Das Thema „ausgeglichene Work-Life-Balance“ ist eher für die jüngere Zahnärzteschaft virulent als für die älteren Kollegen. Mit Blick auf die Ergebnisse der jüngsten zahnärztlichen Investitionsanalyse ergänzt Klingenberger: „Das Investitionsvolumen steigt jährlich an. Sowohl Zahnärztinnen als auch Zahnärzte steuern zielgerichtet ihre Praxistätigkeit, – etwa durch Schärfen der Praxisprofile – um betriebswirtschaftlich möglichst schnell festen Boden unter den Füßen zu bekommen.“ Der individuelle Umgang mit diesen Anforderungen differiert: „Die Jüngeren rennen schneller, aber die Alten kennen die Abkürzung“, sinnierte dazu Dr. Brita Petersen, erfahrene Zahnärztin und ehemalige Kammerpräsidentin der Zahnärztekammer Bremen, in einem Interview. Ihr Rat für die nachwachsende Zahnarzt-Generation lautet: „Selbstständig bleiben ist wichtig!“ Man müsse die Freiheit zur Entscheidung haben, egal ob in eigener Praxis oder angestellt. Hilfreich seien Partnerschaften. Das begrenze die Probleme mit Urlaub, Vertretungsregelungen und Kindern.

Auftrag an Selbstwaltung – Geschlechter austarieren

Nach 25 Berufsjahren ist Petersen jetzt laut eigener Aussage im „Unruhestand“ – engagiert sich aber weiterhin berufspolitisch in ihrer Funktion als Präsidentin des Ausschusses für die Belange der Zahnärztinnen bei der Bundeszahnärztekammer. Das Gremium existiert seit 1995 und widmet sich speziellen Aspekten der zahnärztlichen Kolleginnen.

Grundsätzlich – und das ist nicht allein Petersens Überzeugung – sind Zahnärztinnen in den Standesvertretungen weiterhin unterrepräsentiert. Dabei kommt diesen „Schaltstellen“ der zahnärztlichen Profession hohe Bedeutung zu. Schließlich werden hier die finanziellen Bedingungen und die Berufschancen der Praxisinhaber ausgehandelt. Eine anerkannte Institution zur Vorbereitung auf berufspolitische Aktivitäten ist die Akademie für freiberufliche Selbstverwaltung und Praxismanagement (AS-Akademie). Gerade sie konnte in den letzten Jahrgängen einen Anstieg bei den Teilnehmerinnen verzeichnen. So waren im Studienjahrgang 2008/2009 von 19 Teilnehmern immerhin sechs weiblich. Im laufenden Jahrgang sind acht Frauen eingeschrieben (von 22 Teilnehmern). Das sind keine Paritäten, aber Verhältnisse, die in vielen Selbstverwaltungsorganen noch längst nicht erreicht sind. Hier besteht, darin scheint die zahnärztliche Standespolitik einig, Nachholbedarf.

Umfragen bestätigen gewaltiges Potenzial

Letztlich gilt: Die Umschichtungen des Geschlechterverhältnisses mit einem deutlichen Anstieg weiblicher Zahnärzte an der Gesamtheit aller berufstätigen Zahnärzte („Feminisierung“) wird schon innerhalb der nächsten zehn Jahre dazu führen, dass jeder zweite berufstätige Zahnarzt in Deutschland weiblichen Geschlechts sein wird.

Dass es der künftigen Mehrheit an Interesse an zahnärztlicher Standespolitik mangelt, stimmt so nicht. Zumindest die unter Hamburgs Zahnärztinnen durchgeführte Befragung hat ausgewiesen, dass 7,1 Prozent der Befragten die Absicht haben, sich berufspolitisch zu engagieren. Und damit nicht genug: Grundsätzliches Interesse an der Standespolitik bekunden sogar 61,5 Prozent. Die naheliegenden Schlüsse aus Hamburg: Hier verbirgt sich noch gewaltiges Potential. Es ist an der Zahnärzteschaft, es zu bergen.

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