Immobilien

Nur bedingter Inflations-Schutz

Heftarchiv Praxis
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Alles wird teurer – zumindest die Preise für die Dinge des täglichen Lebens wie Benzin und Nahrungsmittel legen deutlich zu. Anleger denken sofort daran, wie sie ihr Geld vor der Entwertung schützen können. Eine beliebte Möglichkeit ist der Kauf von Immobilien. Damit sie ihre Schutzfunktion wahrnehmen können, müssen Käufer beim Hauserwerb jedoch einiges beachten.

Der Liter Super für 1,50 Euro und mehr, die Tafel Schokolade jetzt 99 Cent, im letzten November waren es noch 85 Cent. Brot, Kaffee, Gurken und Tomaten – die Preise für Nahrungsmittel und Benzin steigen stetig. Die Verbraucher spüren die Teuerung direkt im Portemonnaie. Viele glauben deshalb, dass wir auf eine galoppierende Inflation zusteuern. Doch derzeit sprechen die Fakten dagegen. Bislang liegt die Teuerungsrate im Euroraum bei etwa 2,4 Prozent und in Deutschland im Januar bei 1,9 Prozent. Die gefühlte Geldentwertung aber schätzen die Verbraucher deutlich höher ein. Das liegt daran, dass vor allem die Dinge für den täglichen Bedarf sich verteuern. Schuld daran ist nicht zuletzt der sehr kalte Winter. Er trieb die Nachfrage für Heizöl und Gas und damit auch die Preise für Gemüse aus dem Treibhaus in die Höhe. Und natürlich steigt die weltweite Nachfrage nach Nahrungsmitteln und Rohstoffen. Daran wird man sich gewöhnen müssen und sparen.

Mehr sparen sollten auch die Amerikaner. Mit ihrer immensen Verschuldung treiben sie die weltweite Inflationsgefahr – vielleicht sogar mit Absicht, ist sie doch die schnellste Art der Entschuldung. In Deutschland brummt die Wirtschaft und die Arbeitnehmer verlangen einen kräftigen Nachschlag bei den Gehältern – zu Recht, wie viele meinen. Ihr steigender Konsum aber verstärkt den Preisauftrieb. Die Europäische Zentralbank steht nun vor der fast unlösbaren Aufgabe, hier die Zinsen zu erhöhen und sie gleichzeitig für die hoch verschuldeten Länder wie Griechenland, Portugal und Spanien niedrig zu halten, damit sie ihre Schulden überhaupt bedienen können. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Bleibt der Leitzins niedrig, fürchten Wirtschaftsexperten wie der Chefvolkswirt der Deutschen Bank Thomas Mayer und Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI), einen Anstieg der Inflationsrate auf bis zu vier Prozent innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre.

Sachwerte als Anlage

Kein Wunder, dass viele Anleger angesichts dieser Unwägbarkeiten ihr Geld in Sicherheit bringen wollen. Gefragt sind Sachanlagen wie Edelmetalle und Betongold. Der Preis für Gold hält sich immer noch auf Topniveau bei 1400 Dollar je Feinunze, für den Einstieg ist das zu teuer. Außerdem wirft die risikoreiche Investition keine Zinsen ab.

Mehr als 50 Prozent der Deutschen – so das Ergebnis einer Forsa-Umfrage – setzt auf Immobilien als Inflationsschutz. Ist die Anlage in Betongold klug gewählt, bringt sie ordentliche Renditen. Für ein paar tausend Euro gibt es Anteilsscheine an einem offenen Immobilienfonds. Als Schutz vor der Inflation sind die Fonds insofern geeignet, als die Mieten für die im Portfolio enthaltenen Gebäude üblicherweise an die Teuerungsrate gekoppelt sind. Diese Assetklasse ist während der vergangenen Monate ins Gerede gekommen, weil einige Fonds aufgrund mangelnder Liquidität Anteilsscheine nicht mehr zurücknehmen konnten. Derzeit sind immer noch zehn Fonds geschlossen, zwei werden abgewickelt. Der Gesetzgeber setzt nun neue Regeln für die Branche fest, die vor allem privaten Anlegern zugute kommen werden. Hier wird sich die Situation innerhalb der nächsten Monate klären. So lange sollten Interessenten noch abwarten. Mit größeren Risiken behaftet sind die geschlossenen Fonds: Es gibt wenig Informationen, das Geld liegt über Jahrzehnte fest und eigentlich weiß der Anleger nicht, wie viel am Ende vom eingesetzten Kapital übrig bleibt.

Aktuell günstige Zinsen für Hauskauf werden steigen

Der Kauf einer eigenen Immobilie hingegen erlaubt die Kontrolle über die Investition. Die Voraussetzungen für den Erwerb sind derzeit noch günstig. Zwar haben die Konditionen für Baukredite bereits angezogen, doch liegen sie immer noch in dem Bereich, in dem sich eine möglichst lange Festschreibung lohnt. So kosten zum Beispiel 100 000 Euro, 20 Jahre fest, bei der Debeka Mitte Februar effektiv 4,19 Prozent. Bei der Cosmos Direkt-Versicherung sind es 4,28 Prozent. Über kurz oder lang werden die Zinsen steigen, so die allgemeine Meinung der Experten. Deshalb rät Robert Haselsteiner, Vorstand des Hypotheken-Portals Interhyp AG: „Bis sich eine klare Richtung abzeichnet, sind Baufinanzierungskunden gut beraten, jetzt die Konditionen für Baugeld langfristig zu sichern.“

Bereits angezogen haben die Preise für Immobilien in Deutschland. Wie das Marktforschungs- und Beratungsunternehmen BulwienGesa feststellte, stiegen in 2010 die Preise für Wohnimmobilien insgesamt um zwei Prozent. Eigentumswohnungen erreichten ein Plus von 3,8 Prozent. Die Kaufpreise für Reihenhäuser stiegen um zwei Prozent. Nur die Grundstückspreise zeigten im vergangenen Jahr einen leichten Rückgang um 0,3 Prozent. Die Mieten hingegen verzeichnen einen Zuwachs um 2,5 Prozent. Doch reichen die positiven Zahlen, um die Inflation zu schlagen? Auch dazu liefern die Untersuchungen von BulwienGesa Aufschluss. Danach lag die Teuerungsrate in den vergangenen 15 Jahren fast immer über den Miet- und Preissteigerungen des Immobilienmarktes. Für die beiden vergangenen Jahre 2009 und 2010 gilt das nicht. Bei Inflationsraten von 0,4 (2009) beziehungsweise einem Prozent in 2010 konnten Immobilienbesitzer ein Plus verzeichnen.

Diese Tendenz dürfte auch in naher Zukunft anhalten. Denn in den letzten Jahren ist kaum neuer Wohnraum in Deutschland entstanden. In manchen Regionen wie zum Beispiel in der Rheinschiene herrscht Knappheit. Ein Überangebot ist daher nicht zu befürchten. Zumal die Nachfrage noch weiter steigen wird, weil immer mehr Anleger auf risikoarme Investitionen setzen, um den Wert ihres Vermögens zu erhalten.

Restrisiko bleibt

Allerdings warnt Dr. Tobias Just, Leiter des Branchen- und Immobilienmarkt-Research bei der Deutschen Bank in Frankfurt, vor zu großer Euphorie: „Es gibt keinen generellen Schutz gegen Inflation durch Immobilien. Er funktioniert nur dort, wo Veränderungen auch auf Immobilien durchschlagen, zum Beispiel dann, wenn die Einkommen steigen. Dann steht den Menschen mehr Geld zur Verfügung, mit dem sie auch Häuser oder Wohnungen kaufen können.“ Immobilien sind begehrt. Das gilt vor allem für ausgesuchte Lagen, deren Preise sich weit oberhalb der Durchschnittsangebote bewegen. Wie gut Betongold also vor der Geldentwertung schützen kann, hängt entscheidend vom Standort ab. Im letzten Jahr haben sich die regionalen Unterschiede noch stärker bemerkbar gemacht. Auf einen einfachen Nenner gebracht: Im Süden steigen die Preise, im Osten bleiben sie niedrig. Doch sollten sich Anleger davor hüten, auf diese einfache Wahrheit zu setzen und möglicherweise ein völlig überteuertes Haus in München oder Stuttgart zu erwerben.

Entscheidungshilfen

Vor der Entscheidung für Haus oder Wohnung empfiehlt Experte Tobias Just, folgende Überlegungen anzustellen:

• Demografische Veränderungen

Klar ist, dass die Preise in Regionen, in denen die Bevölkerung zunimmt, steigen und wo sie abwandert, sinken. In Zuzugsgebieten werden die Wohnungen knapp und in Abwanderungsgebieten entsteht Leerstand. Allerdings zeigt die Untersuchung der Deutschen Bank, dass Preisauftrieb und Verfall sich nicht in gleichem Maße verändern. Denn in Wachstumsregionen siedeln sich Unternehmen an, die Menschen anlocken. Viele Firmen schaffen deshalb auch Wohnungen für ihre Angestellten. Das heißt: das Angebot wächst schneller und die Preise steigen entsprechend langsamer. In Gegenden mit schrumpfender Bevölkerung aber verfallen die Preise entsprechend schneller, weil das Angebot ungebremst steigt.

• Lage

Dass Immobilien in München teuer sind, weiß inzwischen jeder. Wer sich vor Ort nicht auskennt, gerät leicht in Gefahr, einen zu hohen Preis zu zahlen. Just warnt: „Es ist die Frage, ob es Sinn macht, in Stuttgart oder München das 25– bis 30fache der Jahresmiete zu zahlen.“ Normalerweise liegt der Preis für ein Mietshaus in guter Lage beim 20fachen der Jahresmiete. Liegt der Preis deutlich darüber, muss sich der Anleger fragen, ob er diese Kosten über die Miete wieder einnehmen kann. Interessant können Wohnhäuser zum Beispiel in ostdeutschen Städten sein, wenn die Infrastruktur stimmt. Wer sich etwa in Chemnitz auskennt und weiß, wo ein Kindergarten oder ein Supermarkt gebaut wird, weiß auch, dass die Chancen für die Vermietung einer Eigentumswohnung in diesem Viertel steigen. Dann bietet die etwas risikoreichere Investition für das zehn-oder elffache der Jahresmiete gute Chancen auf einen ordentlichen Gewinn. Dazu Just: „Die regionale Expertise ist wertvoll.“ Es lohnt sich also auf jeden Fall, möglichst viele Informationen wie über Bauvorhaben, Unternehmen, Bevölkerungsstruktur, Schulen, Kindergärten und so weiter zu beschaffen. So zahlt sich auch der Mut zu mehr Risiko aus.

• Energetische Ausstattung

Der Gesetzgeber verlangt von Hausbesitzern ständig mehr Nachweise über Einsparungen bei der Energie. Dazu gehören Dämmung von Fassade und Keller, eine neue Heizung und/oder ein neues Dach. Kosten, die schnell in die Hunderttausende Euro gehen. Eine energetisch gute Ausstattung sorgt für Wertstabilität und genügt den Ansprüchen des Gesetzgebers.

• Altersgerechte Ausstattung

Dass der Anteil der älteren Bevölkerung zunimmt, ist keine Neuigkeit. Umso wichtiger ist es für Hauskäufer darauf zu achten, dass das Haus beziehungsweise die Wohnung – wenn nötig – altersgerecht umgebaut werden kann. Lässt sich im Treppenhaus ein Lift anbringen? Sind die Wohnungen schwellenfrei? Kann man das Bad ohne großen Aufwand altersgerecht umändern? Darauf sollten besonders Käufer achten, die sich für ein Haus entscheiden, das in einer Gegend liegt, in der viele alte Menschen leben. In Universitätsstädten wie Heidelberg oder Marburg erfreuen sich hingegen Studentenwohnungen großer Nachfrage.

Diversifikation besser als Konzentration

Wer alle Informationen zusammenträgt und auswertet, hat durchaus die Chance, sich mit dem Kauf einer Immobilie gegen die Geldentwertung zu wappnen. Experten wie Tobias Just oder sein Berliner Kollege Till Staffeldt prognostizieren Renditen für Mietimmobilien von vier bis sechs Prozent. Das entspricht in etwa den Werten der vergangenen Jahre. Tobias Just meint: „Steigt die Nachfrage intensiv, kann die Rendite kurzfristig sogar darüber liegen.“ Er hofft, dass sich die Situation bei den Mieten noch verbessert: „Zurzeit haben wir Druck auf die Mieten und mehr Wertzuwächse, das heißt die Preise steigen schneller als die Mieten. Ideal ist, wenn beide Komponenten ausgeglichen sind.“

Sich auf Immobilien als alleiniger Schutz vor der Geldentwertung zu verlassen, davon rät Verbraucherschützer Niels Nauhauser ab: „Wer seine Ersparnisse wirklich einigermaßen krisensicher anlegen möchte, kommt um eine ausgewogene Vermögensaufteilung auf die verschiedenen Anlageklassen nicht herum. Nur eine solche Diversifikation schafft Sicherheit, nicht aber die Konzentration der Anlage auf eine einzelne Vermögensklasse.“

Marlene EndruweitWirtschaftsjournalistinm.endruweit@netcologne.de

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