Gesundheitsportale

Doktor Google ist gefragt

Jeder dritte Deutsche informiert sich mindestens einmal im Monat im Internet zu Gesundheitsfragen. Das ergab die europaweite Studie „e-Health Trend“ 2009. Sich auf Gesundheitsportalen wie Netdoktor, MedizInfo oder Onmeda zurechtzufinden, überfordert jedoch viele Patienten. Ärzte können ihnen dabei helfen, sich zurechtzufinden.

„Zahnschmerzen“ – dieser Suchbegriff erzielt bei Google 263 000 Treffer. Dass Patienten sich zuerst an Doktor Google wenden, bevor sie den Zahnarzt aufsuchen, wird in Zukunft immer häufiger der Fall sein. „Die Ärzte müssen sich darauf einstellen, dass die Zahl derjenigen zunimmt, die sich vor ihrem Arztbesuch im Internet informieren“, prognostiziert zumindest der Leiter der Studie e-Health Trend Deutschland, Prof. Hans-Ulrich Prokosch von der Universität Erlangen-Nürnberg. In den USA hat sich der Trend Studien zufolge noch extremer durchgesetzt: Für viele Amerikaner ersetzt die Konsultation des Internets den Besuch in der Praxis bereits komplett.

Soweit kommt es in Deutschland wahrscheinlich nicht, aber es besteht kein Zweifel: Gesundheitsportale sind beliebt. Als die Stiftung Warentest 2009 zwölf viel besuchte Anbieter unter die Lupe nahm, sprach sie von sechs Millionen Besuchern pro Monat. Angesichts dieser Zahlen kann auch der Zahnarzt davon ausgehen, dass sich viele seiner Patienten via Web informieren. Und sie darauf hinweisen, dass es in keinem einzigen Fall Topnoten für die Leistungen der Portale gab. Die Tester bewerteten nur drei Sites mit knapp „gut“: GesundheitPro.de (ein Angebot der Apotheken Umschau), NetDoktor.de und Vitanet.de. Insgesamt bemängelten sie die häufig verwirrende Navigation, die schlechten Orientierungsmöglichkeiten und stellenweise auch Fehlinformationen. Außerdem sei es oft schwierig für Laien, die Grenze zwischen Information und Werbung zu erkennen.

„Die großen Portale bemühen sich um Seriosität und die will ich ihnen auch gar nicht absprechen“, sagt Kai Vogel von der Verbraucherzentrale NRW. „Das Problem liegt woanders: Gibt man zum Beispiel „Zahnersatz“ in eine Suchmaschine ein, werden 600 000 Hits angezeigt. Unter den Ergebnissen sind natürlich viele gewerbliche Angebote.“ Zahnärzte kennen dieses Problem – und können Patienten dafür sensibilisieren, die Spreu vom Weizen zu trennen.

Zurzeit gibt es laut Vogel etwa 20 große deutschsprachige Gesundheitsportale: „Es ist schwierig, eine konkrete Zahl zu nennen. Der Markt ist seit Aufkommen dieser Seiten im Jahr 1996 ständig in Bewegung. Neben den großen gibt es außerdem viele kleine Anbieter, die sich auf ein Thema spezialisiert haben.“

Um Transparenz und Verlässlichkeit sowohl kleiner als auch großer Portale zu bewerten, hat die Verbraucherzentrale NRW einen Zehn-Punkte-Katalog entwickelt, unter anderem mit diesen Kriterien:

• Anbieter

Gesundheitsinformationen aus dem Netz können nur als vertrauenswürdig gelten, wenn eindeutig erkennbar ist, wer dahinter steckt. Zahnärzte sollten ihren Patienten deshalb empfehlen, auf der Seite nach dem Namen des Portalbetreibers mit vollständiger Postanschrift und Kontaktmöglichkeit per Telefon oder per E-Mail zu suchen. Misstrauen ist angebracht, wenn die Angaben fehlen oder nur ein Postfach oder eine gebührenpflichtige Telefonnummer angegeben sind.

Patienten sollten auch die Motivation der Anbieter hinterfragen. Kommerzielle Betreiber wie Pharmaunternehmen wollen ihre Produkte verkaufen. Hier heißt es, darauf zu achten, dass Werbung und Information sauber getrennt sind.

• Autoren

„Je transparenter die Autorenschaft dargestellt wird, desto sicherer können Sie sich im Umgang mit der Information fühlen“, heißt es im Katalog der Verbraucherzentrale. Seriöse Portale machen die Qualifikation und Kompetenz ihrer Autoren öffentlich: Handelt es sich um medizinische Fachleute oder Laien? Hat man die Namen der Autoren, kann man im Netz zum Beispiel nach anderen ihrer Veröffentlichungen suchen.

Besonders sensibilisieren sollten Zahnärzte ihre Patienten für die Gefahren, die in Foren lauern. Dort lässt sich nur schwer überprüfen, welche Qualifikation derjenige hat, mit dem man gerade kommuniziert. Auf der Suche nach Infos zu einem bestimmten Thema kann man seinen Patienten empfehlen, bei Spezialisten wie etwa Fachgesellschaften zu recherchieren. Im Gegensatz zu großen Portalen, die viele Themen gleichzeitig behandeln, stellt etwa die Website des Krebsforschungszentrums in Heidelberg bei Fragen zu Krebserkrankungen gezielte Informationen zur Verfügung – die zudem nicht durch Werbung verfälscht werden. 

• Informationen

Regel Nummer eins, die Zahnärzte ihren Patienten mit auf den Weg geben sollten, lautet: gegenchecken. Bei Unstimmigkeiten in Krankheitsbild oder Therapie sollte die Auskunft in Frage gestellt werden.

Weitere Kriterien für die Qualität eines Portals sind die Aktualität und Quellenangaben, beispielsweise von Forschungseinrichtungen, die die Aussagen der Autoren belegen. Außerdem sollten die Informationen für Laien nachvollziehbar aufbereitet und ausgewogen sein. Weist der Autor zum Beispiel auf Risiken einer Behandlung oder Nebenwirkungen eines Medikaments hin? Die Verbraucherzentrale rät zur Vorsicht bei Formulierungen wie „absolut nebenwirkungsfrei“, „100-prozentige Wirkungsgarantie“, „Allheilmittel“ oder „nur kurze Zeit verfügbar“. Es handelt sich in der Regel um Werbung. Das gleiche gelte für begeisterte Berichte geheilter Patienten. „Selbst wenn es diesen Patienten tatsächlich gibt, heißt es noch lange nicht, dass die Behandlung auch bei Ihnen wirkt“, warnen die Verbraucherschützer.

• Arztkonsultation

Einer der wichtigsten Aspekte: Seriöse Portale für Gesundheitsinformationen weisen auf die Grenzen der Online-Recherche und Selbstdiagnose hin. Sie stellen klar, in welchen Fällen Patienten ihren Arzt aufsuchen sollten und dass die Konsultation des Internets die Arzt-Patienten-Beziehung auf keinen Fall ersetzen kann. Zahnärzte sollten ihre Patienten auf das Fernbehandlungsverbot hinweisen, das es Medizinern verbietet, einer unbekannten Person aus der Ferne eine Diagnose zu stellen und Therapieempfehlungen auszusprechen.

Mit Vorsicht genießen

„Das Internet bietet eine schier unüberschaubare Fülle von Informationen rund um das Thema Gesundheit. Selbstverständlich beobachtet die Bundeszahnärztekammer die Entwicklung der Gesundheitsportale“, sagt Dr. Dietmar Oesterreich, Vizepräsident der BZÄK, und fügt hinzu: „Aber unsere Aufgabe ist es nicht, sie im Einzelnen einer tiefer gehenden Prüfung zu unterziehen und die enthaltenen Informationen zu bewerten. Dazu gibt es zu viele solcher Angebote.“

Gesundheitsportale hält Oesterreich nicht grundsätzlich für negativ – aber Patienten sollten sie mit Vorsicht genießen. „In den Portalen steht Richtiges – oft aber auch Falsches. Bei einer Stichprobe habe ich zum Beispiel die Information entdeckt, dass Eltern erst dann mit ihren Kindern zum Zahnarzt gehen sollen, wenn das Milchzahngebiss voll entwickelt ist. Das ist natürlich falsch. Das Kind sollte schon beim Durchbruch des ersten Milchzahns in die Praxis kommen, damit der Zahnarzt die Eltern über Ernährung und Mundhygiene aufklären kann. Unvollständige oder nicht zuverlässige Informationen sind natürlich gerade im Bereich Gesundheit ein Problem“, so der BZÄK-Vize.

Ein weiterer Kritikpunkt für Oesterreich: die Produktlastigkeit mancher Gesundheitsportale. „Auf einer Seite habe ich gelesen, dass Nanopartikel die Zahnbürste ersetzen. Das stimmt selbstverständlich nicht, aber Werbeversprechen dieser Art werden undifferenziert wiedergegeben. Patienten sollten deshalb grundsätzlich sehr kritisch in Gesundheitsportalen recherchieren."

Um Patienten bei der Orientierung in der Informationsflut zu unterstützen, unterhält die BZÄK eine Kooperation mit dem Aktionsforum Gesundheitsinformationssystem (afgis). Das afgis überprüft Gesundheitsportale und orientiert sich dabei an ähnlichen Kriterien wie die Verbraucherzentrale in ihrem Zehn-Punkte-Katalog. Allerdings vergibt das afgis im Anschluss an die Prüfung ein Gütesiegel. Diesen Service bietet die Verbraucherzentrale nicht. Das afgis nimmt unter anderem Anbieter, Autoren und Datenquellen der Information, Aktualität der Daten sowie angewendete Verfahren der Qualitätssicherung unter die Lupe.

Die wissenschaftliche Güte der Portale könne das afgis aber nicht vollständig überprüfen, räumt Oesterreich ein. „Da stößt es an inhaltliche Grenzen. Aber: Es gibt Rahmenbedingungen vor. Dadurch können Patientinnen und Patienten erkennen, ob die Informationen vertrauenswürdig sind.“

Zahnärzte können sich auch engagieren, indem sie die Portale regelmäßig besuchen und die Informationen überprüfen. Alle Portale bieten die Möglichkeit, der Redaktion eine E-Mail zu schreiben – Falschaus sagen sollten zahnmedizinische Profis dort melden. In den meisten Fällen gibt es auch die Möglichkeit, die Artikel zu kommentieren. Hier und ebenso in den zahlreichen Foren können sich Zahnärzte einbringen, um falsche Informationen zu korrigieren. Ein weiterer Tipp: Viele Patienten landen bei ihrer Recherche auf Wikipedia. Das von Usern für User gemachte Onlinelexikon lebt vom Fachwissen seiner Besucher. Jeder kann Änderungen an den Inhalten vornehmen – ebenfalls eine gute Möglichkeit für Mediziner, die Gesundheitsinformationen im Netz mitzugestalten.

Chancen nutzen

Trotz der Risiken: Transparente und ausgewogene Gesundheitsinformationen bieten Chancen. Gut informiert zu sein, ist nicht nur Voraussetzung für die Mündigkeit eines Patienten, solides Vorwissen gibt Ärzten außerdem die Chance, Therapiemöglichkeiten auf höherem Niveau durchzusprechen.

Geschulte und interneterfahrene Patienten erkennen schneller, wann ihnen zweifelhafte Tipps und Empfehlungen untergejubelt werden oder wenn gesetzliche Grenzen überschritten werden – Stichwort Ferndiagnose. Um Patienten in Sachen Online-Recherche zu schulen, entstehen schon die ersten Seminarangebote, zum Beispiel an der Charité in Berlin. „Es ist toll, dass wir Informationen, die es früher nur in Fachbibliotheken gab, per Mausklick aus dem Netz bekommen können“, sagt auch Kai Vogel von der Verbraucherzentrale NRW – und betont im gleichen Atemzug nochmals: „Das persönliche Gespräch mit dem Arzt oder Zahnarzt ersetzt das aber nicht.“ Das bestätigt auch die Stiftung Warentest in ihrem Fazit aus dem Jahr 2009: „Was Sie erwarten können: Allgemeine Infos etwa zur Diagnostik, zu Therapien, zur Vorbeugung. Was Sie nicht erwarten können: Persönliche detaillierte Beratung mit Therapieempfehlungen.“

Susanne TheisenFreie Journalistin in KölnSusanneTheisen@gmx.net

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