Wanderung bei Gesundheitsberufen

Der Brain-drain hält sich in Grenzen

Die Erweiterungen der EU in den Jahren 2004 und 2007 um insgesamt zwölf Staaten hat zu weniger Wanderungsbewegungen von Gesundheitsfachkräften geführt als erwartet. Gleichwohl sind die Abwanderungen vornehmlich zulasten der osteuropäischen Staaten gegangen. Dies geht aus dem ersten Bericht eines 2009 begonnenen und von der Europäischen Union (EU) finanzierten Forschungsprojekts (Prometheus) hervor.

Im Rahmen des EU-Forschungsprojekts Prometheus wurden die Wanderungsbewegungen von Angehörigen von Gesundheitsfachkräften aus 17 europäischen Staaten sowie deren Ursachen und Auswirkungen untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass nach den Erweiterungen der Europäischen Union in den Jahren 2004 und 2007 um insgesamt zwölf Staaten weniger Ärzte, Zahnärzte und Pflegekräfte ihr berufliches Glück im Ausland gesucht haben als angenommen.

Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten hinsichtlich ihrer Attraktivität als Einwanderungsland. So zieht es viele ausländische Ärzte ins Vereinigte Königreich, nach Belgien und nach Österreich. In Großbritannien und Irland beispielsweise lag deren Anteil im Jahr 2008 bei über 35 Prozent. Österreich kam auf knapp 15 und Belgien auf zehn Prozent.

Zahnärzte wiederum bevorzugen vor allem Österreich, Großbritannien, Belgien, Ungarn und Finnland. So hatten 43,2 Prozent aller zwischen 2006 und 2008 in Finnland registrierten Zahnärzte ihre Ausbildung im Ausland absolviert.

Deutschland nur mäßig interessant

Deutschland hingegen scheint als Einwanderungsland nur mäßig interessant. Der Anteil ausländischer Ärzte an der Gesamtärzteschaft beträgt hierzulande lediglich rund sechs Prozent. Die meisten Ärzte von ihnen zieht es in die neuen Bundesländer: Im Osten Deutschlands hat sich die Zahl der aus anderen europäischen Staaten eingewanderten Fachkräfte zwischen 2000 und 2008 verdreifacht.

Noch weniger ausländische Ärzte als in Deutschland gibt es lediglich in Frankreich, Italien, Ungarn, Polen und der Slowakei. Beim Pflegepersonal stehen Italien, Großbritannien und Belgien an der Spitze.

Trotz der zurückhaltenden Mobilität ist es dem Bericht des European Observatory on Health Systems and Policies (eine Brüsseler Denkfabrik in der Trägerschaft verschiedener EU-Staaten, europäischer Institutionen und Einrichtungen aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft) zufolge in einigen Ländern zu weitreichenden Veränderungen gekommen. Die durch die Osterweiterung der EU geförderte Mobilität habe das Ost-West-Ungleichgewicht verstärkt, so die Autoren. Auch scheinen bestimmte Fachrichtungen, wie die Anästhesie oder die Notfallmedizin, besonders anfällig für eine Abwanderung.

Verstärktes Ungleichgewicht

Daten belegen, dass vor allem Estland, Ungarn und Rumänien und hier insbesondere die bereits unterversorgten ländlichen Regionen einen relativ großen Abgang von Ärzten zu verzeichnen haben. Als Grund hierfür vermutet das Observatorium die schlechte wirtschaftliche Situation dieser Staaten. So könne ein estnischer Arzt in Finnland beispielsweise das Sechsfache dessen verdienen, was er in seiner Heimat bekommt. Und ein rumänischer Allgemeinarzt wiederum, der in Frankreich arbeitet, könne sein Honorar um das Zehnfache steigern.

Geld sei jedoch nur ein Faktor für die Mobilität, heißt es in dem Bericht. Eine wichtige Rolle spielten auch die Arbeitsbedingungen, das Umfeld und die Arbeitsinhalte.

Als einen möglichen Grund für die ausgebliebene Ärzteschwemme aus dem Ausland nach dem Beitritt der zwölf ost- und mitteleuropäischen Staaten zur EU führen die Autoren des Berichts Sprachbarrieren an. Zum anderen hätten einige Staaten wie Litauen, Polen oder Slowenien die Gehälter von Ärzten und Pflegekräften nach dem EU-Beitritt angehoben, um die Fachkräfte im Land zu halten. In Litauen betrug die Steigerungsquote zwischen 2005 und 2008 zum Beispiel 20 Prozent.

Datenlage noch unzureichend

Die Autoren bemängeln allerdings, dass die Datenlage über die Wanderungsbewegungen und deren Auswirkungen in den meisten der 17 untersuchten Staaten unzureichend ist. So lägen zum Teil nur Informationen darüber vor, wie viele Ärzte die Absicht hätten, auszuwandern, nicht aber, wie viele es tatsächlich tun. Auch gäbe es zu wenige Daten zu den Auswirkungen der Mobilität auf die Gesundheitssysteme. Dies sei aber Voraussetzung für politische Maßnahmen, um dem Fachkräftemangel in Europa entgegenzuwirken, so das Fazit.

Petra SpielbergAltmünsterstr. 165207 Wiesbaden

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