Leitartikel

Quo vadis, PKV?

Heftarchiv Meinung

Sehr geehrte Frau Kollegin,sehr geehrter Herr Kollege,

dass die Gesundheitsreformen zur Rettung der gesetzlichen Krankenversicherung keine Erfolgsgeschichte abgeben, ist bedauerlich. Aber angesichts der vielen unzulänglichen Versuche überrascht es uns nicht mehr. Erstaunen kann allenfalls, dass es den in diesem System arbeitenden Menschen immer noch gelingt, die hohe Qualität der medizinischen Versorgung aufrecht zu erhalten. Die GKV können sie damit auf lange Sicht trotzdem nicht retten. Ein trauriger Fall!

Die privaten Krankenversicherer stecken aus übergeordneten Gründen in einem ähnlich strukturierten Dilemma. Auch sie müssen ihre Antworten auf die demografische Herausforderung der kommenden Jahrzehnte finden. Dass die PKVen ausgetretene GKV-Pfade einschlagen, kann sich als eine der gravierendsten Fehlentscheidungen des deutschen Gesundheitswesens herausstellen.

Verständlich wird das erst durch die nüchterne Erkenntnis, dass das bundesdeutsche Gesundheitssystem davon lebt, neben den hohen Unzulänglichkeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung über eine zweite Säule zu verfügen, die in den zurückliegenden Jahren wenn nicht zufriedenstellend, so doch ohne existenzielle Gefährdung praktizieren ließ. Diese strukturell „gesündere“ Form der Patientenabsicherung hat dazu beigetragen, dass die Sparzwänge der GKVen nicht ganz so brutal durchschlugen.

Aber wegen Niedrigzinsphasen, entsprechend sinkenden Rücklagen oder zu befürchtenden Profiteinbrüchen der Shareholder jetzt aus taktischen Erwägungen heraus angestammte Geschäftsgrundlagen zu ändern, könnte sich systemisch als ausgesprochen gefährlich erweisen.

Dass die durch schlechtere Erträge und mangelndes Neukundengeschäft „verunsicherten“ Privatversicherer jetzt meinen, sie könnten die Sparvorteile, die die Politik an die GKVen austeilt, künftig auch für sich reklamieren, dass sie sich sogar beschweren, als Melkkühe des Systems ausgenutzt zu werden, erzeugt in der entscheidenden Politik Erstaunen, in der bisher auf funktionierende Abläufe setzenden Ärzte- und Zahnärzteschaft Verärgerung und sorgt in den Reihen der Vollversicherten und potentiellen Kunden für starke Zweifel. Es kann nicht verwundern, dass sich die aktuellen Diskussionen um die Kursänderungen in der PKV inzwischen hemmend auf das Versicherungsgeschäft auswirken. Die zunehmende Aggressivität einzelner Unternehmen im Neukundengeschäft – zum Beispiel durch Vergabe extrem hoher Abschlussprämien an Makler oder durch das Ausgleichen über wiederholt extrem hohe Beitragssteigerungen in unterschiedlichsten Tarifgruppen – ist eher kontraproduktiv, wenn es darum geht, diesen Markt zu stabilisieren und zukunftssicher zu gestalten.

Angesichts eines über Jahrzehnte erfolgreich praktizierten Konzepts, das mit generationenadäquatem Vorgehen auf Basis von individuell berechneten Kapitalrücklagen und einem im Gegensatz zur GKV uneingeschränkten Zugang zu medizinischem Fortschritt einen guten Weg zur Absicherung zahn-/medizinischer Behandlungskosten darstellt, wirkt es wie ein historischer Treppenwitz, dass die PKVen diesen Kurs wegen kurzfristig zu erzielender Vorteile aufs Spiel setzen. Und das fällt nicht nur in unseren eigenen Reihen auf.

Die in Fachkreisen und in den Medien gewachsene Skepsis gegenüber dem mit wehenden Fahnen betriebenen Kurs der PKV, auf eigentlich dem GKV-System zugeschriebenen Reformansätzen aufzusatteln, weicht inzwischen der ironischen Überspitzung: Die Privatversicherer seien auf dem besten Wege, sich selbst abzuschaffen.

So einfach sollte man es sich und anderen – ganz unabhängig von der gesellschaftlichen Verantwortung, die in der Systematik der privaten Krankenversicherung liegt – dann doch nicht machen. Denn hier geht es um weit mehr als die gegenwärtig auszulotenden Interessen von Zahnärzten und Ärzten versus PKV. Es gilt, das Opfern eines funktionsfähigen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Versicherungssystems zu verhindern.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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