Krankenversicherungen

PKV auf falscher Spur

Kompromisslos fordern die privaten Krankenversicherer mit den anstehenden GOZ- und GOÄ-Novellierungen die Öffnungsklausel. Sie soll die PKV berechtigen, Selektivverträge mit Zahn-/Ärzten zu vereinbaren. Nicht „nur“, um Kosten zu reduzieren, heißt es seitens des PKV-Verbandes. Obwohl die PKV-Kassen zurzeit noch klingeln, drohen mit Demografie-Falle und stetigen medizinischen Fortschritt wachsende Belastungen. Taktische Kurzschlüsse zur GKV-Systematik sind längst Teil praktizierter Kostendämpfung. Die Gefahr für Ärzte und Patienten ist ein Einstieg in die Discount-Medizin und der Umstieg Richtung GKV.

Glaubt man dem PKV-Verbandsvorsitzenden Reinhold Schulte, sind die wirklichen Störenfriede des privaten Gesundheitssystems die Ärzte und Zahnärzte: „Mit einer gewissen Verwunderung müssen wir feststellen, dass einige Ärzteverbände mit teils polemischen Worten und überwiegend falschen Behauptungen zum Kampf gegen die sogenannte Öffnungsklausel blasen“, erklärte der PKV-Spitzenvertreter am 9. Dezember 2010 vor Journalisten in Berlin. Mit „einige“ meint Schulte Bundesärzteund -zahnärztekammer, die – übrigens nach positiver Absprache mit KZBV und KBV – gemeinsam mit Patientenvertretern nicht einmal eine Stunde zuvor öffentlich erklärt hatten, warum sie gegen diesen Prinzipienbruch der PKVen angehen. Schulte seinerseits wollte und musste öffentlich beruhigen: Man sei ohnehin für das Frühjahr mit den Ärztevertretern verabredet. Dann könne „man sich hinsetzen und die Argumente des anderen anhören“. Das Anliegen sei weder Sparprogramm, noch seien Budgets in Planung, die freie Arztwahl werde es weiter geben, beeilte sich Schulte zu versichern.

Aber wie korrespondiert dieses Versprechen mit der offiziellen Aussage des PKV-Verbandsvorsitzenden, mit der Öffnungsklausel „stärker Einfluss auf die Qualität und die sich daraus ergebenden Mengen und Preise von Heilbehandlungen“ nehmen zu wollen? Einflussnahme auf Mengen impliziert Budgetierung, die auf Preise Einsparungen. Und Selektivverträge schränken die freie Arztwahl ein. Aber darüber sollen Ärzte und Zahnärzte aus Sicht der PKV im Vorfeld der politischen Entscheidungsoptionen besser nicht reden. Eine erstaunliche Finte, bedenkt man, dass in Fachkreisen schon ab Jahresanfang 2011 mit einem Referentenentwurf aus dem BMG für die neue GOZ gerechnet wird. Und auch der PKV-Verband weiß, dass hier Diskussionen unter Dritten wenig bringen: Denn nicht die Ärzte und Zahnärzte, sondern das Ministerium macht den Entwurf für die Verordnungen. Das Bundesgesundheitsministerium setzt die Rahmenvereinbarungen der künftigen Gebührenordnung für Zahnärzte – und im Anschluss die für die Verordnung der Ärzte.

Schon vor gut einem Jahr hatten die beiden Berufsgruppen deshalb gemeinsam auf die Gefahren der Öffnungsklausel hingewiesen. Jetzt, anlässlich der bevorstehenden Referentenentwurfs zur neuen GOZ und damit auch prädestinierend für die GOÄ, haben die Heilberufe ihre große Sorge erneut erläutert. Denn Deutschlands Ärzteschaft sieht das duale System von PKV und GKV durch die Annäherungen jüngerer Zeit durchaus in Frage gestellt: „Es geht um Marktmacht“, moniert der Präsident der Ärztekammer Westfalen-Lippe und Mitglied des Bundesärztekammervorstandes, Dr. Theodor Windhorst:

„Die Öffnungsklausel hebelt die Schutzfunktion der Gebührenordnungen aus. ‚Discountklausel‘ statt ‚Öffnungsklausel‘ wäre somit der treffendere Begriff für diese gesundheitspolitische Geisterfahrt der PKV, mit der sie viele Patientinnen und Patienten von einer flächendeckenden ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung auf hohem Niveau ausschließen würde.“

Letztlich wurde der Handlungskorridor für die Gebührenordnungen vom Gesetzgeber festgelegt, um Patienten vor überhöhten Honorarforderungen und Zahn-/Mediziner vor Dumpingpreisen zu schützen. Der Verweis der PKV auf die Freiwilligkeit der zusätzlichen Verträge ist dabei Makulatur. Windhorst warnt, dass sich die Ärzte langfristig einer Öffnungsklausel nicht verweigern könnten: „Mit der absehbar sehr kleinen Gruppe von ‚freien‘ Patienten würden Praxen in existenzielle Nöte geraten.“

„Die freie Wahl des Arztes ihres Vertrauens würde damit ausgeschlossen, die bewährte ärztliche und zahnärztliche Selbstverwaltung zerschlagen und die Mediziner zu Versicherungsmaklern der Privatkassen degradiert,“ befürchtet BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel. Weniger Qualität, höherer Kostendruck, ruinöser Preiswettbewerb und die Dezimierung der zahnärztlichen Versorgung auf „urbane PKV-Zahn-Ketten“ wären die zu erwartende Folge.

Befund: gesund

Dass die Rolle der Versicherungs-Maklerei nicht in das Berufsbild des in direkter Vertrauensbeziehung zum Patienten stehenden Arztes oder Zahnarztes gehört, bedarf aus Sicht der Heilberufe keiner Diskussion. Aktuell läuft die Versicherungsakquise im Bereich der PKV ohnehin wenig rühmlich: Versicherungsmakler, so wurde erst kürzlich über die breite Schiene der Publikumsmedien beklagt, erhalten in Einzelfällen für die Vermittlung von Vollversicherten Provisionen in „hoher vierstelliger Euro-Höhe“ je Abschluss. Laut Handelsblatt ist jeder neue Privatpatient für einen Vermittler bis zu 10 000 Euro wert.

Ein für die stellvertretende BÄK-Hauptgeschäftsführerin Dr. Regina Klakow-Frank sehr fragwürdiger Ansatz: Jährlich würden rund 2,5 Milliarden Euro allein für Abschlussaufwendungen ausgegeben, rechnete die Ärztevertreterin im Fachmagazin „Ärztepost“ vor. Dies entspreche in etwa der Hälfte der jährlichen Ausgaben für ambulante privatärztliche Leistungen.

Mit dieser Ansicht steht sie nicht allein: Selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) befürchtet, dass einige Versicherer ihrer unternehmerischen Verantwortung nicht gerecht werden, weil sie zuließen, dass Makler offensichtlich aus Profitgier die Qualität der Beratung vernachlässigten. Die BaFin kündigte Prüfungen an. Was auch immer dabei herauskommen mag: Die geduldete aggressive Akquise deutet an, mit welchem Druck man das Geschäft ankurbeln will.

Dabei läuft es für die Privatversicherer gegenwärtig gar nicht so schlecht: Die rund 8,8 Millionen Vollversicherten zahlten allein für die Krankenversicherung im Jahr 2009 rund 29,4 Milliarden Euro an Beiträgen. Das sind im Schnitt 3,6 Prozent mehr als noch ein Jahr zuvor. Der Nettoneuzugang belief sich 2009 auf 171 600 Personen, damit erreichte das Neugeschäft fast das Doppelte des Vorjahreswertes (2008: 90 300 Personen). Laut Befund also akut „gesund“?

Immerhin haben selbst im Krisenjahr 2009 Unternehmen wie die Allianz Private Krankenversicherungs AG nach Steuern sehr gute Jahresüberschüsse erzielen können, die übrigens in 2010 noch deutlich übertroffen werden sollen. Die Gruppe der Vollversicherten macht laut PKV-Zahlenbericht nach wie vor 71,9 Prozent der gesamten Beitragseinnahmen aus. Auf Zusatzversicherungen, die erst seit einigen Jahren ihre Wirkung entfalten, entfallen zurzeit 19,5 Prozent.

Für Leistungen mussten die PKVen im Berechnungsjahr 2009 mit 20,45 Milliarden Euro ganze 4,6 Prozent mehr als ein Jahr zuvor ausgeben, für 2010 sollen es voraussichtlich 21,33 Milliarden Euro sein. Ein Hinweis auf exorbitante Erhöhungen zugunsten der Heilberufe? Klakow-Frank sieht das anders:

„Steigende Ausgaben für die ärztliche Versorgung sind kein Solitärproblem der PKV, sondern auch in der GKV und ubiquitär in allen OECD-Staaten zu beobachten.“ Dieses Phänomen sei demografiebedingt. Altersstrukturbereinigt sei die Ausgabenentwicklung in Deutschland, einschließlich PKV, sogar günstiger als in Ländern wie bespielsweise den Niederlanden, deren System in der Diskussion häufig als effizienter und wirtschaftlicher hingestellt werde.

Die BÄK sieht andere Ursachen für die PKVProbleme: Schuld seien die gezielten Destabilisierungsmaßnahmen und Wettbewerbsverzerrungen zugunsten der gesetzlichen Krankenversicherungen in der vergangenen Legislaturperiode, die auf eine Bürgerversicherung abzielten.

Ein Tarif als Basis

Hier liegt der erste, übrigens von der Politik verschuldete Sündenfall sicherlich in der Schaffung des Basistarifs, der zur Zeit knapp 18 000 PKV-Mitglieder auf GKV-Niveau versichert. Diese Gruppe muss von der übrigen PKV-Versichertengemeinschaft per Umlage mit finanziert werden, sollten die Beitragseinnahmen für die Versorgung nicht ausreichen. Das GKV-Umlageverfahren lässt grüßen.

Aber für die Ärzte- und Zahnärzteschaft weit gefährlicher dürfte sein, dass bei Nichteinigung zwischen PKV und Zahn-/Ärzteschaft über die Höhe des Tarifs für diese Versichertengruppe eine Schiedsstelle entscheidet, deren paritätisch neutrale Besetzung wegen zusätzlicher Vertreter aus BMG und Bundesfinanzministerium – eine rechtlich sehr umstrittene Eigenmächtigkeit des Gesetzgebers – einfach aufgehoben ist. KZBV-Vorstandsmitglied Dr. Wolfgang Eßer: „Hier wird der PKV-Verband die Disparität gezielt für seine wirtschaftlichen Ziele nutzen.“ Und das im Endeffekt nicht nur für die etwas über 18 000 Basistarifversicherten: Denn ein auf diesem Weg einmal durchgefochtener niedriger Basistarif kann die Verhandlungen für die GOZ und GOÄ prädestinieren, aber auch als Hebel für Niedrigsttarife bei etwaigen Selektivverträgen auf Grundlage der Öffnungsklausel dienen. „Damit sind auch bei der PKV alle Möglichkeiten für Honorar-Sinkflüge eröffnet“, befürchtet Eßer. Schöne neue Tarifwelt?

Eigentlich sollte die PKV erstmal ihre hausgemachten Fehler angehen: Möglichkeiten zu einer vernünftigen Tarifgestaltung, mit der die Eigenverantwortung der Versicherten gestärkt und die Inanspruchnahme von Leistungen gesteuert werden könnten, so kritisiert Regina Klakow-Frank, werden bisher nicht genutzt. Stattdessen setzt man auf ein undurchschaubares Konstrukt von rund 5 000 unterschiedlichen Tarifen ohne interne Steuerungseffekte und auf „einen fragwürdigen Tarif-Preis-Wettbewerb um PKVNeukunden zu Lasten der Bestandsversicherten“.

Dabei liegt hier die eigentliche, „gute Seele“ des PKV-Geschäftes, das kapitalbildende Verfahren. Mit Alterungsrückstellungen in Höhe von 144 Milliarden Euro haben die PKVen Ende 2009 zwar noch ein Pfund, mit dem das PKV-System wuchern kann. Aber auch diese Sicherheiten haben nach Ansicht beobachtender Konkurrenten in den vergangenen Jahren auf dem internationalen Kapitalmarkt nicht gerade optimale Bedingungen vorgefunden. Christopher Hermann, stellvertretender Vorsitzender der AOK Baden-Württemberg, mutmaßt im Fachpressedienst „Highlights“: „Die PKV kann ihre Altersrückstellungen, ihre Prognosen dafür mit 3,5 Prozent effektiver Entwicklung nicht mehr realisieren, weil sichere Anlagemöglichkeiten und die Zinsentwicklung dies nicht mehr hergeben.“ Im Jahr 2009 wurde, so parierte PKV-Verbandsdirektor Volker Leienbach gegenüber der Financial Times Deutschland, noch eine Verzinsung von 4,2 Prozent erreicht. Aber unübersehbar bleibt: Die ersten Versicherer, darunter Axa und Gothaer, blieben deutlich unter der 3,5 Prozent-Marke.

Unkalkulierbare Beiträge

Also lautet die Devise Beitragserhöhung. Die Allianz verlangt von neuen Kunden inzwischen rund zwölf Prozent mehr. Besonders teuer wird es für Versicherte in sogenannten geschlossenen Tarifen, heißt es seitens des Bundes der Versicherten. Überhaupt zeigen langfristige Branchenüberblicke, wie unkalkulierbar die Entwicklung für Teile der Beitragszahler wurde: Laut Beitragsprüfung des Analysehauses Morgen & Morgen stiegen die Jahresbeiträge in den vergangenen zehn Jahren für Männer durchschnittlich um 1 985 Euro, die Werte für Frauen differierten kaum. Da liegt Kritik nicht fern. Ersatzkassen-Verbandschef Thomas Ballast: „Ein Blick auf die enormen Prämiensteigerungen reicht aus, um festzustellen, dass die PKV alles andere als gesund ist.“

Und das gilt, obwohl die Versicherungsleistungen wie 2009 auch in 2010 „niedriger liegen werden als die Beitragseinnahmen“. Für 2011, dem Jahr, in dem die dreijährige Wechselsperre der freiwillig Versicherten wegfallen und die Beitragsbemessungsgrenze gesenkt wird, erwartet man eine ähnliche Entwicklung. Noch gilt also: „Krank ist anders.“

Trotzdem arbeitet die PKV intensiv am Ausweg aus dem künftigen Kostendilemma, zum Beispiel via Öffnungsklausel. Aber die hat auch rechtlich ihre schwachen Seiten: „Der Mindestsatz der Gebührenordnungen … hat seine kalkulatorische Grundlage darin, dass … die Sicherung der Behandlungsqualität unter diesem einfachen Gebührensatz nicht mehr gewährleistet ist“, warnt bespielsweise der Medizinrechtler Prof. Dr. Thomas Schlegel. Folglich verböten die bestehenden Gebührenordnungen „ruinösen Preiswettbewerb“. Hinzu komme, dass es für die PKV nicht möglich sei, den Privatversicherten einfach zu zwingen, sich von einem bestimmten Arzt oder Zahnarzt behandeln zu lassen. Einseitige Vertragsänderungen sind also nicht möglich. Ein Weg, der den Präsidenten der Bürgerinitiative Gesundheit (DGVP) Wolfram-Armin Candidus antreibt, für seine Klientel gegen die Öffnungsklausel anzutreten: „Freie Arztwahl und die Therapiefreiheit der Ärzte würden sukzessive dem Preisdiktat und den einseitigen Sparvorgaben der PKV zum Opfer fallen,“ warnt der Patientenvertreter.

Aber wie verlaufen die Fronten? „Das Modell Öffnungsklausel wird längst nicht von allen Versicherungen getragen“, weiß Fachrechtler Schlegel: „Es vergrößert nur die Marktmacht der großen Versicherungen, weil diese darüber Vorteile erlangen können und somit der Wettbewerb auf Seiten der PKVen verzerrt wird.“ Problematisch kann sich, so Betriebswirt und Gesundheitsexperte Prof. Jürgen Wasem auf dem im August 2010 vom Euroforum durchgeführten Branchentreff „PKV im Aufbruch“, auch die Problematik der Bestandserhaltung der Kapitalbildung einzelner Versicherter auswirken. Wasem mahnt: „Eine Öffnungsklausel hat nur eine Perspektive, wenn alle Beteiligten hier einen Konsens finden.“ Der besteht aber nicht einmal unter den Privatversicherern. Waren sich schon in den Vorjahren die Branchengrößen nicht einig, ob ihr Heil im Vollversicherungsbereich oder aber in der Akquise von Zusatzversicherungen liegt, sind sich inzwischen selbst Vollversicherer nicht mehr einig, ob die versicherungsmathematisch ausgeklügelten Systeme angesichts der veränderten Demografie und längerer Lebenszeiten auch künftig noch ausreichen werden, den Krankenschutz für ein Versicherungsleben auf derzeitigem Niveau der Rücklagenbildung abzustützen. Lohnt sich angesichts alternder Gesellschaft und medizinischem Fortschritt die PKV-Vollversicherung nach gegenwärtigem Modell noch, fragt man sich in der Branche hinter vorgehaltener Hand.

Im Schlepptau der GKV

Also verlässt die PKV ihre bisher eigenen Spuren: Mit der Gleichstellung zur Rabattgewährung im Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetz (AmNOG) wurde nach Jahren der Abgrenzung ein Weg beschritten, der zunehmend an Phänomenen der GKV-Systematik partizipiert. Zwischenzeitlich wurden auch durch die Beteiligung an der Finanzierung von Gemeinsamem Bundesausschuss und IQWiG die Grenzen weiter aufgeweicht. Durch die jetzt hartnäckig eingeforderte Öffnungsklausel soll der Weg weiterer Parallelen zur GKV konsequent fortgesetzt werden. Und in der Politik wird an allen Ecken offen zugegeben, dass das Ziel der Angleichung beider Systeme auch unter einer schwarz-gelben Regierung keineswegs verworfen wurde. Gestritten wird allenfalls um die Vorzeichen: Geht es in Richtung GKV (Bürgerversicherung) oder PKV (Gesundheitsprämie)?

Entscheidet man sich im BMG tatsächlich für die Öffnungsklausel, mutieren die PKVen im Gesundheitswesen vom „Payer zum Player“, dann nützen weitere Gespräche untereinander wenig. Deshalb der kurzfristig angesetzte öffentliche Protest der Zahnärzte, deshalb die schnell folgenden Nebelkerzen der privaten Versicherer.

Zumindest mit Stand Redaktionsschluss ist die Meinungsbildung in der Politik quer durch das Regierungslager noch nicht abgeschlossen. Anlass genug, an dieser Ecke hartnäckig, aber sachlich weiter zu agieren. Denn die von der PKV angestrebte Klausel ist keineswegs aus der Luft gegriffen. Mit dem als Leiter der Abteilung für Grundsatzfragen der Gesundheitspolitik ins BMG geholten ehemaligen stellvertretenden Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung, Christian Weber, wird das Ministerium wissen, wo und wie es ansetzen muss.

Die private Versicherungsbranche hat ohnehin laut erklärt, dass sie mehr von dieser Bundesregierung will: „Sie sollte den gesetzlichen Kassen verbieten, Zusatzversicherungen zu verkaufen“, sagt PKV-Chef Schulte. Das geltende Recht verzerre den Wettbewerb. Anders als die Privaten zahlten die gesetzlichen Krankenkassen keine Steuern und bildeten auch keine Rückstellungen für ihre Versicherten. „Für die PKV sind Zusatzversicherungen eine wesentliche Säule des Geschäftes. Da darf es keine unfaire staatliche Konkurrenz geben“, meint Schulte.

Dr. Hans Josef Pick, Vorstand der Deutschen Krankenversicherung (DKV), spricht es noch deutlicher aus: „Besser für die Versicherer wäre es, wenn sie die Versicherten direkt steuern könnten.“ Der Aufbau von Zahnarzt- und Arztnetzen ist für ihn ein wichtiges Element der von der DKV verfolgten Verzahnung von Versorgung und Versicherung.

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, Jens Spahn, hat mit Hinweis auf die steigenden Prämien in der PKV geäußert, es könne „Sinn machen, auch über eine Öffnungsklausel zu sprechen“. Zur Sicherheit solle dann aber auch eine Art Untergrenze vereinbart werden, wird Spahn zitiert. Aber wofür dann eine Öffnungsklausel, wenn der Korridor von GOÄ und GOZ tatsächlich neu festgelegt werden soll?

Preiskartelle befürchtet

Aus Sicht der Ärzte- und Zahnärzteschaft ist dieser Schritt schlicht unverständlich. Die Gemeinschaft Fachärztlicher Berufsverbände (GFB) befürchtet, dass „die Öffnungsklausel die GOÄ zum EBM macht und das Geschäftsmodell der PKV mit der GKV verschmilzt. Damit wäre der Untergang der Privatärztlichen Versorgung vorprogrammiert,“ befürchtet die GFB. Bundesweite Vertragsnetze großer Versicherungsunternehmen kämen Preiskartellen gleich.

Noch sehen 73 Prozent der Deutschen eine dauerhaft gute medizinische Versorgung in der PKV gesichert. Auch in den Punkten „Leistungsumfang“, „Transparenz“ und „Preis/-Leistungsverhältnis“ liegt die PKV nach Ansicht der Deutschen klar vor der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – so ein Ergebnis der aktuellen, repräsentativen „Continentale-Studie 2010“. Wollen die Versicherer das alles wirklich aufs Spiel setzen?

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