Fortbildungsteil 2/2011

Problem Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Im Rahmen der obstruktiven Schlafapnoe (OSA) gibt es eine Reihe von interdisziplinären Folgeerkrankungen, die nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Lebenserwartung des betroffenen Patienten erheblich beeinflussen können. Nachfolgend soll auf verschiedene mit dem OSAS assoziierte oder sogar kausal verknüpfte Herz-Kreislauf-Erkrankungen eingegangen werden.

Die obstruktive Schlafapnoe führt zu einer Vielzahl von Folgesymptomen, deren Leitsymptom die exzessive Tagesmüdigkeit aufgrund eines durch die rezidivierenden Atemstillstände bedingten gestörten Schlafs ist. Eine OSA mit Folgesymptomen wird auch als obstruktives Schlafapnoe-Syndrom (OSAS) bezeichnet. Das Schlafapnoe-Syndrom ist häufig mit verschiedenen, vor allem internistischen Erkrankungen assoziiert, bei denen die schlafbezogene Atmungsstörung als Ursache oder zumindest Teilursache beziehungsweise begünstigender Faktor gewertet werden kann [Hader et al., 2004; Sanner et al., 2004]. Hierbei stehen die Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie die arterielle Hypertonie, die koronare Herzkrankheit, verschiedene Herzrhythmusstörungen, der Lungenhochdruck (pulmonale Hypertonie) und der Schlaganfall im Vordergrund. Es können aber auch metabolische Störungen mit dem OSAS assoziiert sein, wie zum Beispiel der Diabetes mellitus, der dann einen zusätzlichen Risikofaktor für die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellt (Tabelle). Das OSAS wird mittlerweile neben Nikotinkonsum, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörung (Hyperlipidämie) als zusätzlicher Risikofaktor für die Entstehung einer Atherosklerose angesehen. Als denkbarer Pathomechanismus ist eine durch die schlafbezogene Atmungsstörung entstandene endotheliale Dysfunktion zu diskutieren [Duchna et al., 2003] (Abbildung).

Arterielle Hypertonie

Zwischen OSA und arterieller Hypertonie besteht eine enge Assoziation beziehungsweise kausale Beziehung. OSAS-Patienten weisen gegenüber einer altersgleichen Population erhöhte Blutdruckwerte auf. Das OSAS wird aufgrund der wissenschaftlichen Datenlage schon längere Zeit als unabhängiger Risikofaktor für die Entstehung einer arteriellen Hypertonie angesehen [Duchna et al., 2003]. Das relative Risiko, eine arterielle Hypertonie zu entwickeln, steigt mit dem Schweregrad der OSA von mehr als dem Zweifachen bei milder OSA bis fast auf das Dreifache bei mittel- bis schwergradig ausgeprägter Schlafapnoe [Peppard et al., 2000]. Diese enge Beziehung besteht allerdings nur bei Patienten jüngeren und mittleren Alters und solchen, die auch eine vermehrte Tagesmüdigkeit aufweisen [Haas et al., 2005; Kapur et al., 2008]. Auf der anderen Seite konnte man beim Therapieansatz der Nierenarterienablation, das heißt der intravaskulären Ablation der efferenten Sympathikusfasern, die den Nieren entspringen, neben der Senkung des systemischen Blutdrucks auch eine Senkung des nächtlichen Apnoe-Hypopnoe-Indexes (AHI) beobachten, was pathophysiologisch eine wechselseitige Beziehung zwischen Schlafapnoe und Bluthochdruck impliziert [Witkowski et al, 2001]. Die Behandlung mit CPAP wiederum kann zu einer Senkung der Blutdruckwerte bei den Betroffenen führen [Becker et al., 2003; Sanner et al., 2002]. Eine neuere Studie belegt, dass Patienten mit erhöhtem Sauerstoff-Entsättigungsindex eine größere Wachstumsgeschwindigkeit ihres Bauchaortenaneurysmas aufweisen. Dies könnte zum einen bedingt sein durch den erhöhten Blutdruck beim Schlafapnoe- Patienten, zum anderen aber auch durch die veränderten abdominellen Druckverhältnisse während der Schlafapnoephasen [Mason et al., 2011]. In jedem Fall sollte bei einem Patienten mit neu diagnostizierter arterieller Hypertonie auch eine Untersuchung auf ein Schlafapnoe-Syndrom durchgeführt werden.

Koronare Herzkrankheit

Viele epidemiologische Daten belegen, dass eine OSA gehäuft bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit (KHK) nachzuweisen ist. Umgekehrt haben Schlafapnoe- Patienten eine etwa dreifach so hohe Inzidenz einer KHK wie nicht an OSA Erkrankte [Peker et al., 2006]. Wiederum steigt das relative Risiko für eine ischämische Herzkrankeit mit der Schwere des Apnoe-Befunds [Sorajja et al., 2008]. Das myokardischämische Ereignis tritt bei KHK-Patienten mit Schlafapnoe gehäuft in den Nachtstunden auf [Kuniyoshi et al., 2008]. Auch ist die Mortalität von KHK-Patienten, die ein OSAS aufweisen, auf das Mehrfache gesteigert [Peker et al., 2000]. Zwar stellt die OSA aufgrund bisheriger Studien einen schwächeren Risikofaktor für die KHK als für die arterielle Hypertonie dar [Shahar et al., 2001]. Auch fehlen derzeitig noch prospektive Populationsstudien mit objektiv diagnostizierter OSA und KHK [Lindberg et al., 2010]. Dennoch sollte natürlich auch bei KHK-Patienten ein Schlafapnoe- Screening erfolgen.

Herzrhythmusstörungen

Drei wesentliche Pathomechanismen erhöhen infolge einer OSA das Risiko, dass hierdurch Herzrhythmusstörungen ausgelöst werden: die intermittierende Hypoxämie, gegebenenfalls auch Hyperkapnie, der für OSAS-Patienten in der Nacht in der Regel gesteigerte Sympathikotonus und die bei OSA ausgeprägten intrathorakalen Druckschwankungen [Lindberg et al., 2010]. Hierbei können sowohl brady- wie auch tachykarde Arrhythmien auftreten. Aufgrund einer neueren Untersuchung weisen mehr als 20 Prozent der Schrittmacher-Patienten einen schwergradigen Schlafapnoe-Befund auf, ohne dass dieser vor der Schrittmacher- Implantation bekannt gewesen wäre [Garrigue et al., 2007]. Auch wurden durch OSA ausgelöste maligne Herzrhythmusstörungen in Zusammenhang gebracht mit letal verlaufenden kardialen Ereignissen während des Schlafes von Patienten mit schwerem OSAS [Gami et al., 2005]. Mit Zunahme des Schweregrads des Apnoebefunds kommt es zu einer Zunahme verschiedener Vorhofwie auch Kammer-Arrythmieformen [Mehra et al., 2006; Mehra et al., 2009]. Auch wenn es sich beim Vorhofflimmern nicht um eine primär lebensbedrohliche Herzrhythmusstörung handelt, so ist aufgrund der hohen Inzidenz dieser kardialen Störung von besonderer Bedeutung, dass sie häufig mit der Schlafapnoe assoziiert ist und Patienten mit erfolgreicher Rhythmisierung eine doppelt so hohe Rezidivquote aufweisen, wenn ein vorhandenes OSAS nicht adäquat mit einer CPAP-Therapie behandelt wird [Abe et al., 2010; Kanagala et al., 2003]. Bei Auftreten von Herzrhythmusstörungen sollte also unbedingt auch eine Abklärung im Hinblick auf das Vorliegen einer behandlungsbedürftigen OSA erfolgen.

Lungenhochdruck (Pulmonale Hypertonie)

Auch wenn es bei OSAS-Patienten während der im Schlaf auftretenden Apnoen immer wieder zu spitzenmäßigen pulmonalen Drucksteigerungen kommt, so liegt nur bei etwa einem Fünftel der Patienten eine auch am Tage nachweisbare pulmonale Hypertonie vor [Atwood et al., 2004]. Diese ist darüber hinaus auch nur von einer mäßiggradigen Ausprägung. Diese Erkenntnis führte aber immerhin dazu, dass die Klassifikation der pulmonalen Hypertonie (die sogenannte „Dana Point-Klassifikation“) die „pulmonale Hypertonie bedingt durch das Schlafapnoe-Syndrom“ mittlerweile als eigene Entität berücksichtigt [Simonneau et al., 2009]. Ein alleine infolge eines OSAS entstehendes Cor pulmonale stellt dennoch sicherlich die Ausnahme dar, auch wenn schon diese milden Formen der pulmonalen Hypertonie hämodynamisch sehr gut auf eine CPAP-Therapie ansprechen [Sajkov et al., 2002]. Dagegen haben Patienten mit einer Kombination aus OSAS und chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) (sogenanntes „Overlap-Syndrom“), gegebenenfalls auch noch mit zusätzlicher Adipositas (COPD-Typ des „Blue-Bloaters“), ein deutlich gesteigertes pulmonales Hypertonie- und damit auch Cor-pulmonale- Risiko. Dieses führt ganz eindeutig zu einer Steigerung der Mortalität in dieser Patientengruppe [Chaouat et al., 1996; Rasche, 1996; Rasche et al., 1997].

Schlaganfall

Die pathophysiologischen Beziehungen zwischen Schlaganfall und OSA sind komplex. Ein OSAS kann entweder chronisch über die hierdurch geförderte Atherosklerose oder akut über krisenhafte Blutdrucksteigerungen oder hämodynamisch/ thromboembolisch wirksame Herzrhythmusstörungen zu einem apoplektischen Insult, also einem Schlaganfall führen. Unmittelbar nach einem Schlaganfall treten wiederum häufig sekundäre schlafbezogene Atmungsstörungen auf, die den Schlaganfallschaden und die akute Schlaganfallsterblichkeit erhöhen können [Schäfer, 2008]. Bei Schlaganfall- Patienten findet sich häufiger als in der Allgemeinbevölkerung ein OSAS. Schlaganfall-Patienten mit OSAS haben wiederum unbehandelt ein deutlich reduziertes Rehabilitationspotenzial. In der „Wisconsin Sleep Cohort Study“ wiesen Schlafapnoe- Patienten mit einem AHI ≥ 20 h-1 ein fast vierfach so hohes Risiko auf, einen Schlaganfall zu erleiden [Arzt et al., 2005]. Ähnliche Ergebnisse konnten bei KHK-Patienten mit Schlafapnoe in einer zehnjährigen Verlaufsbeobachtung festgestellt werden [Valham et al., 2008]. Die Überlebensrate von Schlaganfall-Patienten mit OSAS, die eine CPAP-Therapie regelmäßig anwenden, ist gegenüber den unbehandelten Patienten signifikant gesteigert [Martinez-Garcia et al., 2009]. Internationale Leitlinien zur Behandlung des Schlaganfalls führen mittlerweile die OSA als Schlaganfall-Risikofaktor auf [Adams et al., 2007; Sacco et al., 2006].

Diabetes mellitus

Typ-2-Diabetes und OSA sind beides Erkrankungen mit hoher Prävalenz, aber auch enger Assoziation zu verschiedenen Herz- Kreislauf-Erkrankungen. Komplexe Wechselwirkungen zwischen beiden Erkrankungen werden diskutiert [Keller et al., 2007; Rasche et al., 2010]. Regelmäßiges Schnarchen und OSA führen zu Veränderungen im Glukose- Metabolismus. OSA wird mittlerweile als Risikofaktor für die Entstehung eines Diabetes mellitus diskutiert. Andererseits zeigen Längsschnittstudien über mehrere Jahre keine unmittelbare Risikosteigerung der Entwicklung eines Diabetes mellitus bei Patienten, die zu Beginn der Studie auch an OSA litten [Marshall et al., 2009; Reichmuth et al., 2005]. Als Pathomechanismen im Sinne eines „prodiabetogenen“ Effekts der OSA werden aber weiterhin die bei Schlafapnoe intermittierenden Hypoxämien sowie die infolge der OSA entstehenden Weckreaktionen angesehen [Tasali und Ip, 2008]. Letztere führen unter anderem zu einem Anstieg des Stresshormons Adrenalin und deren Abkömmlingen, was wiederum zu einem Glukoseanstieg im Blut führt. Die CPAP-Therapie der OSA hat häufig den Effekt einer Verbesserung des Glukosestoffwechsels [Harsch et al., 2004]. OSA hat eine enge Assoziation zum metabolischen Syndrom [Onat et al., 2007]. Bei Patienten mit arterieller Hypertonie, koronarer Herzkrankheit oder Diabetes mellitus tritt ein OSAS dreimal so häufig wie in der Allgemeinbevölkerung auf, so dass ein OSA bei Vorliegen eines metabolischen Syndroms zumindest ausgeschlossen werden sollte [Punjabi et al., 2009].

Mortalität von Schlafapnoe-Patienten

Die Bedeutung der OSA wird neben der oben dargestellen häufigen Assoziation mit verschiedenen, insbesondere kardiovaskulären Erkrankungen und der damit verbundenen Multimorbidität der Patienten am eindeutigsten mit der gesteigerten Mortalität von OSA-Patienten deutlich. Patienten mit schwerem OSAS haben ohne Frage schon durch die begleitenden Risikofaktoren ein gesteigertes Mortalitätsrisiko. Die Therapie der OSA führt auch zu einer signifikanten Senkung der kardiovaskulären Mortalität [Doherty et al., 2005]. Die Sterblichkeit unbehandelter OSAS-Patienten ist daher erhöht [Somers et al., 2008]. Dennoch zeigen prospektive Populationsstudien ein nicht ganz eindeutiges Bild. Gerade bei älteren OSAS-Patienten hat die Schlafapnoe offensichtlich einen nicht sehr starken Einfluss auf die Mortalität dieser Altersgruppe [Mant et al., 1995]. OSA scheint aber zumindest ein Prädiktor einer gesteigerten Mortalität bei Menschen mittleren Alters zwischen dem 30. und dem 50. Lebensjahr zu sein [Lavie et al., 1995; Lindberg et al., 1998]. In der „Wisconsin Sleep Cohort Study“ und in der „Sleep Heart Health Study“ wurde kürzlich darüber hinaus ein signifikant gesteigertes Mortalitätsrisiko bei OSA-Patienten mit einem AHI ≥ 30 h-1 belegt [Punjabi et al., 2009; Young et al., 2008]. Ein erhöhtes letales Risiko besteht also insbesondere bei Patienten im mittleren Alter mit schwerer Schlafapnoe.

Zusammenfassung

Leitsymptom des obstruktiven Schlafapnoe- Syndroms ist die exzessive Tagesmüdigkeit aufgrund eines durch die rezidivierenden Atemstillstände bedingten gestörten Schlafs. Ein Schlafapnoe-Syndrom ist häufig mit verschiedenen, vor allem internistischen Erkrankungen assoziiert, bei denen die schlafbezogene Atmungsstörung als Ursache oder zumindest Teilursache beziehungsweise begünstigender Faktor gewertet werden kann. Hierbei stehen die Herz-Kreislauf- Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzkranzgefäßerkrankungen, Herzrhythmusstörungen, Lungenhochdruck und Schlaganfall im Vordergrund. Mittlerweile steht fest, dass die Schlafapnoe einen eigenständigen Risikofaktor für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen darstellt. Daher sollten alle Patienten mit kardio- oder zerebrovaskulären Erkrankungen einem Schlafapnoe- Screening unterzogen werden. Nur so kann die Schlafapnoe erkannt und adäquat therapiert werden, wodurch das Mortalitätsrisiko dieser Patienten gesenkt wird.

Die Schlafapnoe stellt einen eigenständigen Risikofaktor für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen dar. Daher sollten alle Patienten mit kardiooder zerebrovaskulären Erkrankungen einem Schlafapnoe-Screening unterzogen werden. Nur so kann die Schlafapnoe erkannt und adäquat therapiert werden, wodurch das Mortalitätsrisiko dieser Patienten gesenkt wird.

Prof. Dr. med. Kurt RascheHELIOS Klinikum WuppertalKlinikum der Universität Witten/HerdeckeBergisches LungenzentrumKlinik für Pneumologie, Allergologie, SchlafundBeatmungsmedizinHeusnerstr. 4042283 Wuppertalkurt.rasche@helios-kliniken.de

Dr. med. Stephan HoltHELIOS Klinikum WuppertalKlinikum der Universität Witten/HerdeckeBergisches LungenzentrumKlinik für Pneumologie, Allergologie, SchlafundBeatmungsmedizinHeusnerstr. 4042283 Wuppertalstephan.holt@helios-kliniken.de

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