Studie zum EU-Arzneimittelmarkt

Kaum Chancen zur Harmonisierung

Einer vom EU-Parlament in Auftrag gegebenen Studie zufolge zahlen deutsche Patienten im Schnitt 23 Prozent mehr für patentgeschützte Medikamente als Versicherte in anderen europäischen Ländern. Generika wiederum sind in einigen Ländern teurer als in Deutschland. Die Gründe für die verschiedenen Preisniveaus und für den unterschiedlichen Zugang zu Arzneimitteln sind vielfältig. Das erschwert den direkten Vergleich. Dennoch fordern einzelne EU-Abgeordnete eine Harmonisierung der Preise. Die Erfolgsaussichten sind allerdings gering.

Ein europäischer Binnenmarkt für Arzneimittel ist bislang nur in Teilen Realität. So durchlaufen zwar die meisten Medikamente bereits eine zentrale Zulassung bei der Europäischen Arzneimittelagentur in London. Wie teuer die Produkte sind und inwieweit die Patienten Anspruch auf Erstattung der Kosten haben, entscheiden die einzelnen EU-Länder allerdings nach wie vor selbst. Das führt zu teilweise immensen Preisunterschieden und zu unterschiedlichen Zugangsmöglichkeiten für ein und dasselbe Medikament. Im Schnitt weichen die Preise innerhalb der EU um 25 Prozent voneinander ab. In Einzelfällen kann die Differenz sogar deutlich höher ausfallen. Das ist eines der Ergebnisse einer Studie, die der Wissenschaftliche Dienst des Europäischen Parlaments im Auftrag des Gesundheits- und Verbraucherschutzausschusses erstellt hat.

Die Studie wurde mit Spannung erwartet, nachdem deutsche Europaabgeordnete im Sommer letzten Jahres eine Harmonisierung der Arzneimittelpreise in der EU gefordert hatten. „Teilweise liegen die Preise für die Behandlung mit lebensnotwendigen Medikamenten in Deutschland um 50 bis 60 Prozent höher als in Ländern wie Italien, Belgien, Griechenland und Spanien“, so der CDUPolitiker Dr. Peter Liese. Derartige Preisunterschiede seien unsozial, meint auch die CSUEuropaabgeordnete Dr. Anja Weisgerber.

Die Studie bestätigt zwar, dass Deutschland nach wie vor zu den Hochpreisländern im europäischen Arzneimittelmarkt zählt. Die Analyse eines Warenkorbs von 150 rezeptpflichtigen Medikamenten ergab, dass die Produkte hierzulande im Untersuchungsjahr 2008 in der Regel 23 Prozent teurer waren. Der Bericht zeigt allerdings auch, dass dies nicht für alle Medikamente gilt. Bestimmte Krebstherapeutika kosten beispielsweise in Ungarn oder Finnland mehr. Auch sind die Pro-Kopf-Ausgaben für Arzneimittel in Griechenland am höchsten. Deutschland lag 2008 mit knapp 500 Euro pro Patient und Jahr lediglich an vierter Stelle.

Verschiedene Regeln

Grund für die Unterschiede sind vor allem verschiedene Distributionswege und die Regeln für die Preisfestsetzung in den einzelnen Staaten. So zählte Deutschland bis vor Kurzem neben Malta und Dänemark zu den einzigen drei EU-Ländern, in denen die Pharmaindustrie selbst festlegen konnte, wie teuer ein Medikament ist. Durch das am 1. Januar dieses Jahres in Kraft getretene Arzneimittelneuordnungsgesetz gilt dies nicht mehr uneingeschränkt. Die Preise für Innovationen müssen die Hersteller hierzulande nun mit dem GKV-Spitzenverband abstimmen. In den übrigen Staaten bestimmt hingegen schon seit Längerem entweder der Gesetzgeber den Preis oder die Firmen handeln den Preis mit dem Staat aus. In Großbritannien wiederum beeinflussen die Unternehmensgewinne die Preisbildung.

Aber auch eine Reihe von weiteren Faktoren wirken sich auf die Preise und die Höhe der Arzneimittelausgaben aus, wie das volkswirtschaftliche Einkommen, unterschiedliche Mehrwertsteuersätze, Rabattierungsmöglichkeiten sowie unterschiedlich hohe Großhandels- und Apothekenspannen.

Direkter Vergleich schwer

Genau dies macht einen direkten Vergleich der Preise und der Arzneimittelausgaben aber auch sehr schwer, wie die Studie zeigt. „Es scheint, dass die Preise für Medikamente höher sind, je höher das Pro-Kopf-Einkommen des Landes“, lautet ein Fazit der Studie. Auch hätten Patienten in kleineren und ärmeren EU-Mitgliedstaaten einen eingeschränkteren Zugang zu Arzneimitteln, da diese Märkte für die Hersteller offensichtlich weniger attraktiv sind, so eine weitere Schlussfolgerung. Besonders deutlich werde dies bei den Nachahmerpräparaten. Die größten Anteile am Pharmamarkt (über 50 Prozent) haben Generika in Deutschland, Großbritannien, Dänemark und Schweden. Zugleich sind bei den Nachahmerprodukten die Preisdifferenzen am größten. Beispiel Ramipril: Dieses Generikum kostet in Griechenland das 16-Fache dessen, was Patienten in den Niederlanden für das Bluthochdruckpräparat bezahlen müssen.

Eine Harmonisierung der Arzneimittelpreise hätte nach Ansicht von Liese eine Reihe von Vorteilen. Das System würde fairer, da für alle Bürger die gleichen Preise gelten würden. Zudem ergäben sich nach Auffassung des CDU-Politikers enorme Effizienzgewinne. „Die Unternehmen unterhalten zurzeit riesige Mitarbeiterstäbe, um die Preise in den unterschiedlichen Ländern auszuhandeln oder um auf anderem Wege auf die Preisbildung politisch Einfluss zu nehmen.“ Die Kosten hierfür seien in der Forschung und Entwicklung neuer Medikamente besser aufgehoben, meint Liese.

Der CDU-Europaabgeordnete Dr. Thomas Ulmer hält dagegen nichts von einer Harmonisierung. „Nach wie vor liegt die Gesundheitspolitik in der Kompetenz der Nationalstaaten. Insofern können wir nur Empfehlungen abgeben“, so der Arzt. Auch fürchtet er, dass eine Änderung der Distributionswege den Verlust von Arbeitsplätzen zur Folge hat.

Ulmer spricht sich daher dafür aus, dass die Mitgliedstaaten ihre Arzneimittelpolitik besser aufeinander abstimmen und sich an bewährten einzelstaatlichen Verfahren orientieren sollten. „Mit der gemeinsamen Bevorratung von Impfstoffen gegen Pandemien werden wir einen ersten Versuch der Koordinierung unternehmen. Dabei können wir beurteilen, wie starr oder wie flexibel die nationalen Systeme sind und ob eine verstärkte Zusammenarbeit auch in anderen Bereichen Sinn macht.“

Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) hält eine engere Koordinierung ebenfalls für den geeigneteren Ansatz. „Eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten insbesondere bei der Kosten-Nutzen-Bewertung von Arzneimitteln wäre ganz im Sinne der Patienten“, betont der Leiter des Brüsseler BPI-Büros, Dr. Alexander Natz.

Petra SpielbergChristian-Gau-Str. 2450933 Köln

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