Proteus-Syndrom

Abnormer Wuchs einiger Körperpartien

Der Ursache des rätselhaften Proteus-Syndroms sind US-Forscher auf die Spur gekommen. Eine Punktmutation in einem Onkogen scheint für die Erkrankung verantwortlich zu sein. Sie wurde bekannt durch einen Betroffenen, der aufgrund seines abstrusen Aussehens als „Elefantenmann“ bezeichnet wurde.

Das Proteus-Syndrom ist mit einer Inzidenz von weniger als einem Fall auf eine Million Geburten äußerst selten. Die Erkrankung hat ein übermäßiges Wachstum einzelner Körperteile zur Folge, was den Betroffenen meist ein bizarres Aussehen verleiht. Das Syndrom wurde öffentlich bekannt durch einen Film des Regisseurs David Lnych, der in den 80er-Jahren das Leben von John Merrick (1862–1890) verfilmte. Der Mann lebte in Großbritannien und litt am Proteus-Syndrom. Er wies starke Deformitäten von Rumpf und Gesicht auf und wurde auf Jahrmärkten als „menschliches Monster“ gezeigt und als „Elefantenmann“ bekannt.

Punktmutation als Krankheitsursache

Eine amerikanische Forschergruppe um Dr. Leslie Biesecker vom National Human Genome Research Institut in Bethesda hat nun eine Punktmutation im Gen AKT1 als Ursache der Krankheit identifiziert. Sie hat zur Folge, dass sich ein genetisches Mosaik bildet mit verändertem regionalem Wachstum der betreffenden Körperregion. Durch die aktuellen Erkenntnisse eröffnen sich möglicherweise neue Chancen, eine gezielte Behandlung der genetisch bedingten Erkrankung entwickeln zu können.

Bislang allerdings fehlt eine kausale Therapie der Störung. Diese wird meist nicht bereits bei der Geburt diagnostiziert, sondern zeigt sich erst im Verlauf der ersten Lebensjahre, wenn einzelne Körperteile beginnen, unterschiedlich schnell zu wachsen. Das ungleichmäßige Größenwachstum hat kein einheitliches Muster, sondern zeigt sich individuell sehr unterschiedlich. Es betrifft zudem nicht den ganzen Körper, sondern nur einzelne Teile, also zum Beispiel Finger oder Zehen, eine ganze Extremität oder unter Umständen auch eine Körperhälfte. In der Pubertät endet mit dem allgemeinen Größenwachstum meist auch das ungleichmäßige Wachstum der bis dato stark wachsenden Körperteile. Die betroffenen Menschen haben dann unbehandelt oft ein ungewöhnliches, auffälliges Aussehen.

Die Störung wurde nicht zuletzt deshalb nach dem griechischen Meeresgott Proteus als Proteus-Syndrom bezeichnet. Der Halbgott konnte der Sage zufolge seine äußere Erscheinung verändern, um so seinen Feinden unerkannt entkommen zu können. Erstmals beschrieben wurde das Krankheitsbild 1979 durch den amerikanischen Kinderarzt Michael Cohen, der es als eigenständige, von anderen Größenwachstumssyndromen abzugrenzende Störung definierte. Die Prägung des Begriffs Proteus-Syndrom folgte erst 1983 durch den deutschen Kinderarzt Hans-Rudolf Wiedemann.

Verschiedene Krankheitsformen

Während früher der asymmetrische Großwuchs generell als Proteus-Syndrom angesehen wurde, kennt man inzwischen verschiedene Krankheitsformen, die sich in ihrer Ausprägung und auch in ihrem Verlauf und in ihrer Prognose unterscheiden. Die verschiedenen Krankheitsformen haben aber einige Gemeinsamkeiten. So kommt es nicht nur zum unproportionierten Größenwachstum, sondern auch zu einer Verdickung des Fett- oder Bindegewebes sowie oft zu streifenförmigen Veränderungen der Haut zum Teil als verdickte Nävi mit verstärkter Pigmentierung. Beim Proteus-Syndrom bestehen außerdem oft Fehlbildungen im Bereich des Gefäßsystems. Sie können Funktionseinbußen der Organe zur Folge haben und die Prognose der Patienten bestimmen. Die Gefäßfehlbildungen können zudem Thrombosen und eine Lungenembolie begünstigen. Nicht selten entwickeln die Patienten zusätzlich Tumore.

Mit ihren Forschungsarbeiten sind die US-Forscher bezüglich des Krankheitsverständnisses einen deutlichen Schritt weitergekommen. Sie konnten bei 26 von 29 betroffenen Patienten eine Punktmutation im Onkogen AKT1 nachweisen. Das Gen kodiert für die AKT1-Kinase. Dieses Enzym spielt eine wichtige Rolle bei der Zellproliferation und bei der Apoptose, also beim programmierten Zelltod. Kommt es zu einer Mutation – wie dies beim Proteus-Syndrom der Fall ist –, so resultiert eine gesteigerte Enzymaktivität, was das gesteigerte Wachstum in den betreffenden Geweben erklärt.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Köln

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