Barrieren im Gesundheitswesen

IDZ-Survey zur Lage in den Praxen

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Das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) hat in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Konsumforschung, Nürnberg (GfK) im August 2013 eine Befragung unter Zahnärzten zum Thema Barrierefreiheit von Zahnarztpraxen durchgeführt.

Die Mundgesundheit von Menschen mit Behinderungen ist schlechter als die des Bevölkerungsdurchschnitts [Schulte, 2012]. Oft fällt es ihnen schwer, Mundhygiene eigenverantwortlich durchführen oder sie haben Schwierigkeiten eine Praxis aufzusuchen.

In Deutschland lebten Ende 2011 etwa 7,3 Millionen Menschen mit schweren Behinderungen, dies entspricht knapp neun Prozent der deutschen Bevölkerung. Ursachen der Behinderung können vielfältig sein. Neben angeborenen Behinderungen führen auch Krankheiten, Unfälle oder Kriegsverletzungen zu Beeinträchtigungen. Mit 25 Prozent am häufigsten sind die inneren Organe betroffen, bei 13 Prozent waren Arme oder Beine in der Funktion beeinträchtigt. Bei knapp zwei Dritteln der Schwerbehinderten liegt eine körperliche Beeinträchtigung vor. [Statistisches Bundesamt, 2013].

Zahnarztpraxen beteiligen sich zwar an der Versorgung von Menschen mit Behinderungen, doch war bisher unbekannt, in welchem Ausmaß sie auf die speziellen Bedürfnisse dieser Menschen eingerichtet sind. Anhand wissenschaftlicher Daten kann jedoch abgeleitet werden, dass die zahnärztliche Versorgung von Menschen mit Behinderungen noch immer defizitär ist [KZBV und BZÄK, 2010]. Auch wenn für Menschen mit Behinderung in Deutschland derzeit keine repräsentativen Daten zu Prävalenzen oraler Erkrankungen vorliegen, ergaben regionale Studien, dass die Karieserfahrung 12-Jähriger mit Behinderung mindestens doppelt so hoch ist wie die Karieserfahrung gleichaltriger Kinder ohne Behinderung (DMF-T-Wert 1,42 bis 5,10 vs. 0,7). Erwachsene Menschen mit Behinderung im Alter von 35 – 44 Jahren haben einen mit der Allgemeinbevölkerung vergleichbaren DMF-T (13,5 bis 20,5). Auffällig ist jedoch der deutlich geringere Sanierungsgrad bei Menschen mit Behinderung im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung sowohl bei Kindern als auch bei Erwachsenen [Schulte, 2012].

Vor diesem Hintergrund hat das Institut der Deutschen Zahnärzte (IDZ) in Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Konsumforschung, Nürnberg (GfK) im August 2013 eine Befragung unter Zahnärzten zum Thema Barrierefreiheit von Zahnarztpraxen durchgeführt.

Mit Quotenvorgaben nach Bundesländern wurde eine Zufallsstichprobe von 301 Allgemeinzahnärzten in niedergelassener Praxis gezogen. Diese wurden gebeten, online einen semi-standardisierten Fragebogen zu verschiedenen Themenfeldern zu beantworten. Drei der Fragen bezogen sich auf das Thema Barrierefreiheit. Zunächst sollten die wichtigsten Maßnahmen zum Erreichen einer barrierearmen Zahnarztpraxis genannt werden, gefolgt von einer Einschätzung der Barrierefreiheit der eigenen Praxis mit Angabe der Personengruppen, für die eine Barrierefreiheit in der Praxis realisiert ist oder werden soll.

Stufenloser Zugang zur Praxis hat Priorität

Als die wichtigste Maßnahme für die Barrierefreiheit einer Zahnarztpraxis wurde ein stufenloser Zugang zur Praxis von über 86 Prozent der befragten Zahnärzte genannt. Vor allem Maßnahmen, die auf Rollstuhlbenutzer oder Menschen mit Gehhilfen ausgerichtet sind, wurden von einer Mehrheit der Zahnärzte als wichtig erachtet. 67 Prozent nannten diesbezüglich rollstuhlgerechte Türen und 52 Prozent barrierefreie Toiletten. Auch Maßnahmen, die keine größeren Umbauten benötigen, können zur Barrierefreiheit einer Praxis beitragen. Dazu gehören Stühle mit Armlehnen im Wartebereich, hell ausgeleuchtete Räume, kontrastreiche Markierungen von Glastüren oder Lesebrillen für die Patienten. Diese Maßnahmen wurden von den Studienteilnehmern als weniger wichtig angesehen, nur wenige Befragte gaben an, eine dieser Maßnahmen zu den wichtigsten drei zu zählen.

Die zentralen Ergebnisse der Befragung zeigen, dass bereits über 75 Prozent der Zahnarztpraxen ganz oder teilweise barrierefrei sind (siehe Grafik). 22 Prozent der Zahnärzte haben bisher keine Maßnahmen zur Barrierefreiheit in der eigenen Praxis ergriffen. Während 49 Prozent der Zahnärzte angeben, Ihre Praxis sei vollständig barrierefrei, besitzen nach eigener Einschätzung immerhin 27 Prozent eine teilweise barrierefreie Praxis. Weitere zwei Prozent haben bereits geplant, in den nächsten zwölf Monaten ihre Zahnarztpraxis barrierefrei zu gestalten. Dabei hatte das Alter der Befragten keinen Einfluss auf die Barrierefreiheit. Zahnärzte aller Altersgruppen sind vergleichbar gut auf Menschen mit Behinderungen eingestellt.

Mit entsprechenden Maßnahmen wird insbesondere auf in ihrer Mobilität eingeschränkte Menschen sowie ältere Patienten eingegangen. Auf Senioren und Menschen mit Gehhilfen sind über 88 Prozent aller barrierefrei eingerichteten Zahnarztpraxen eingestellt, auf Rollstuhlbenutzer 82,5 Prozent. Etwa die Hälfte aller barrierefreien Praxen hat darüber hinaus Maßnahmen für Menschen mit geistiger Behinderung getroffen. Patienten mit anderen Behinderungen wird es dagegen weniger leicht fallen, eine für sie barrierefrei zugängliche Praxis zu finden. Auf Hörgeschädigte sind lediglich 40 Prozent der barrierefreien Praxen eingestellt, Sehgeschädigte und Stumme können nur jeweils weniger als ein Drittel der barrierefreien Praxen ohne Schwierigkeiten nutzen.

Erfreulich ist, dass ein Großteil der Zahnärzte bereits Maßnahmen ergriffen hat, die eigene Praxis barrierearm zu gestalten. Es wird jedoch auch deutlich, dass diese Maßnahmen vor allem auf Menschen mit Mobilitätsproblemen sowie Rollstuhlfahrer ausgerichtet sind, die nur eine Teilgruppe der Menschen mit Behinderungen in Deutschland bilden. Maßnahmen wie rollstuhl- gerechte Türen oder eine barrierefreie Toilette, welche Rollstuhlfahrern den Praxis- besuch erleichtern oder erst ermöglichen, sind für eine hör- oder sehgeschädigte Person nur wenig hilfreich. Bei der barrierefreien Gestaltung einer Zahnarztpraxis sollte daher überlegt werden, welche Personengruppen mit den Maßnahmen erreicht werden können. Auch wenn die Barrierefreiheit für Menschen mit weniger häufigen oder offensichtlichen Behinderungen in Zahnarztpraxen noch weiter ausgebaut werden muss, ist ein großer Teil der Praxen bereits barrierefrei oder barrierearm, das Thema Barrierefreiheit ist also in der Zahnärzteschaft angekommen.

Dr. Nele KettlerInstitut der Deutschen Zahnärzte (IDZ)Universitätsstraße 7350931 Kölnwww.idz-koeln.de

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