Der besondere Fall

Rehabilitation nach Implantatverlust

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Heftarchiv Zahnmedizin
sp
Der vorliegende Fall stellt eine Rehabilitation nach Implantatverlust im atrophischen Oberkiefer vor. Die Vorversorgung bei diesem Patientenfall hatte letztendlich ein juristisches Nachspiel. Die Autoren stellen ihr Krisenmanagement sowie die Neuversorgung vor.

Tim Sahrhage, Achim Großehelleforth

Die 54-jährige Patientin mit unauffälliger Allgemeinanamnese stellte sich erstmalig im Oktober 2005 vor. Ihr Anliegen bestand in einer Behandlung der 2004 alio loco gesetzten Disk-Implantate im Oberkiefer (Abbildung 1).

Die Abbildungen 2 und 3 zeigen die Ausgangssituation der Patientin bei Erstvor- stellung in unserer Praxis. Sie berichtete über die kürzliche Entfernung der Implan-tate 24 und 28. Sie klagte im Rahmen der Erstanamnese neben einer beidseitigen schmerzhaften Schwellung im Oberkiefer auch über eine eingeschränkte Phonetik seit längerer Zeit. Radiologisch sieht man ausgedehnte kreisförmige Osteolysen um die noch vorhandenen Disk-Implantate (Abbildung 2). Bei der intraoralen Befunderhebung zeigte sich der Zustand nach vierfacher erfolgloser Kieferhöhlendeckung „innerhalb von drei Wochen“ mit eitriger Fistelung der linken Kieferhöhle regio 28 nach Entfernung der Disk-Implantate im linken Oberkiefer durch den Vorbehandler.

Behandlung

Nach Abnahme des Zahnersatzes wiesen die Disk-Implantate 16, 14, 12 und 22 eine starke Lockerung auf (Abbildungen 2 und 3).

Das Behandlungsziel bestand zunächst darin, einen entzündungsfreien Zustand der Kieferhöhlen zu erreichen. Es wurden Spülungen der Kieferhöhle unter Antibiose vorgenommen. Nach Abklingen der akut eitrigen Entzündung beidseitig erfolgte die definitive Deckung der Kieferhöhle regio 28 vier Wochen nach Erstvorstellung.

Gleichzeitig wurden die gelockerten Implantate 16, 14, 12 und 22 aufgrund massiver Knochendefekte entfernt. Während der Operation präsentierte sich eine ausgedehnte Perforation der Kieferhöhle regio 16 (Abbildung 4). Der Defekt konnte im Sinne einer plastischen Deckung geschlossen werden. Nach Entfernung der Implantate 12 und 22 war eine weitgehende Perforation des knöchernen Nasenbodens regio 22 ohne Erhalt der Schleimhaut erkennbar. Auch hier erfolgte eine plastische Deckung (Abbildungen 5 und 6).

Die Nachbehandlung verlief problemlos und unter antibiotischer Abschirmung. Vier Wochen post OP war die primäre Behandlung abgeschlossen, und die Patientin konnte mittels einer provisorischen totalen Oberkieferprothese versorgt werden.

Der Zahn 37 war parodontal stark geschädigt und wurde als nicht erhaltungswürdig eingestuft und entfernt. Zahn 45 wurde erfolglos versucht, endodontisch zu erhalten. Durch den stark obliterierten Wurzelkanal und einen erhöhten Lockerungsgrad wurde seine Prognose als ungünstig eingestuft. Er wurde ebenfalls entfernt (Abbildung 7).

Rehabilitation

Nach juristischer Klärung der Schadens- ersatzansprüche konnte die Behandlung im Oktober 2009 fortgeführt werden (Abbildung 8).

Gemeinsam mit der Patientin wurde im Oberkiefer eine implantatgetragene, gaumenfreien Versorgung auf vier Implantaten (Fa. Straumann) geplant. Bei unauffälligem Parodontalbefund erfolgte im Unterkiefer die Planung einer festsitzenden Brückenversorgung.

Der nächste Schritt war zunächst der Knochenaufbau im Oberkiefer beidseits mittels partikuliertem Beckenkammaugmentat und dem Augmentationsmaterial Bio-OSS zum Resorptionsschutz bei minimal vorhandenem Eigenknochen (Abbildung 9).

Nach Abheilung und sechsmonatiger Wartezeit wurden die Implantate 16, 14, 25, 27 im Januar 2011 eingesetzt. Im Rahmen der Implantation im Oberkiefer wurden Knochentransplantate aus dem Kieferwinkel links und rechts entnommen und mithilfe von Kortikalisschrauben mittels Tunneltechnik zum vertikalen Knochenaufbau in regio 36 und 46 fixiert (Abbildung 10).

Im Unterkiefer erfolgte eine festsitzende Versorgung 36 bis 46. Die Implantatinsertion 36 und 46 erfolgte innerhalb der halbjährigen Osseointegrationszeit der Oberkiefer-Implantate im Juli 2011 (Abbildung 11).

In den gesamten klinischen Verläufen waren keine postoperativen Komplikationen zu beobachten. Die Anfertigung der prothetischen Versorgung im Oberkiefer (eine gaumenfreie Galvano-Teleskoparbeit) erfolgte im September 2011 (Abbildung 14).

Der Unterkiefer wurde mit einer NEM-Vollverblendbrücke 36 bis 46 versorgt. Beide Arbeiten wurden im September 2011 eingegliedert. Es fand eine erfolgreiche Osseointegration aller Implantate statt (Abbildung 12). Die Rehabilitation der Patientin ist damit abgeschlossen (Abbildung 13).

Fazit:

In Anbetracht der langwierigen juristischen Auseinandersetzung (März 2007 bis Oktober 2009), die letztendlich zum Nachteil des Vorbehandlers entschieden wurde, ist dringend von einer Überschätzung der eigenen Behandlungsqualitäten abzuraten.

Tim Oliver SahrhageDr. Dr. Achim GroßehelleforthGroßehellforth KollegenAlfred-Bozi-Str. 2333602 Bielefeldkontakt@großehelleforth.de

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