Gesundheitsfonds

Strittiger Einsparplan

Zwei Milliarden Euro will das Finanzministerium beim Gesundheitsfonds einsparen. Krankenkassenvertreter laufen Sturm und fürchten um ihre Rücklagen für schlechte Zeiten. Auch das Gesundheitsministerium blockt ab. Die zahnärztlichen Standesvertreter sehen durch die geplanten Kürzungen die Verlässlichkeit des GKV-Systems gefährdet.

Sparen hat einen guten Ruf. Wer etwas zurücklegt, kann sich später etwas leisten, lernt schon der Enkel, wenn er von seiner Oma das erste Sparbuch geschenkt bekommt. Das Einsparen allerdings ist weit weniger beliebt. Denn dabei wird jemandem etwas Versprochenes weggenommen.

Die Rolle des obersten Einsparers und damit Buhmanns der Republik übernimmt derzeit (mal wieder) Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Nach Plänen seines Ministeriums sollen insgesamt vier Milliarden Euro eingespart werden, um das Ziel eines strukturell ausgeglichenen Haushalts 2014 zu erreichen. Die Hälfte davon will Schäuble durch eine Kürzung der Zuweisungen an den Gesundheitsfonds einsparen. Es mache wenig Sinn, ein Defizit im Haushalt und gleichzeitig hohe Überschüsse im Gesundheitsfonds zu haben, sagte Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter der „Rheinischen Post“.

Sparbeitrag geleistet

Im Bundesgesundheitsministerium hält man wenig von diesen Rechnungen. „Wir haben mit 4,5 Milliarden Euro unseren Sparbeitrag geleistet“, sagte ein Ministeriumssprecher. „Jetzt sind die anderen Ressorts gefragt, ihren Sparbeitrag zu leisten.“ Ende 2012 lagen die Rücklagen des Gesundheitsfonds bei geschätzten 30 Milliarden Euro. Mit dem Bundeszuschuss für den Fonds übernimmt der Staat einen Teil der auf rund 33 Milliarden Euro bezifferten versicherungsfremden Kassenleistungen, etwa die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern.

Bei den Krankenkassen stoßen Schäubles Pläne auf wenig Gegenliebe. Die Reserven der Krankenversicherung seien nicht zum Stopfen von Haushaltslöchern da, sagte die Vorstandschefin des Kassenspitzenverbands, Doris Pfeiffer. „Die Reserven des Gesundheitsfonds sind ein guter Puffer für konjunkturelle und strukturelle Risiken. Nach wie vor steigen die Ausgaben der Kassen für Krankenhäuser, Ärzte und auch wieder für Arzneimittel schneller als die Einnahmen.“ Christoph Straub, Chef von Deutschlands größter Krankenkasse Barmer GEK, schloss sich der Kritik an: „Die Gedankenspiele der Bundesregierung sind ein Beispiel für die Unzuverlässigkeit politischer Zusagen zur stabilen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.“

Beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sprach man gar von einem „Skandal“, weil die Kürzungen eher früher als später zulasten der Versicherten gingen. Der DGB befürchtet Zusatzbeiträge, wenn die Mittel aus dem Gesundheitsfonds nicht mehr ausreichen.

Bei so viel Kritik an den Plänen der Bundesregierung darf die Opposition nicht fehlen. Der Vizevorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, warf der Regierung vor, sie könne ihre Haushaltsziele nur noch durch tiefe Griffe in die Sozialkassen erreichen. „Schwarz-Gelb will nur noch bis zum Wahltag überleben“, sagte er.

Verlässlichkeit angemahnt

Der Vorsitzende des Hartmannbunds, Dr. Klaus Reinhardt, warnte vor einem weiteren Verfall von Verlässlichkeit und Berechenbarkeit. Eine Politik nach Kassenlage sei die völlig falsche Strategie. „Versicherungsfremde Leistungen wie zum Beispiel die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern und nicht arbeitenden Ehepartnern verlangen ein gesamtgesellschaftliches Engagement und sind daher grundsätzlich über Steuern zu finanzieren“, sagte Reinhardt.

Auch der KZBV-Vorsitzende Dr. Jürgen Fedderwitz mahnte die Verlässlichkeit des GKV-Systems an. „Der Gesundheitsfonds ist kein Säckel, in das man einfach greifen kann. Ohne eine kontinuierlich stabile Finanzbasis kann man keine dauerhafte, flächendeckende und qualitativ hochwertige Versorgung planen und garantieren.“ Erratische Änderungen an der Finanzbasis führten nur zu Jojo-Effekten, glaubt Fedderwitz – sowohl beim Beitragssatz als auch bei den Leistungen.

Die Kassen müssten neben den Mehrausgaben auch den Wegfall der Praxisgebühr verkraften, ergänzte Eric Banthien, Vorsitzender der Interessengemeinschaft Zahnärztlicher Verbände. Das Gesundheitswesen werde zum Steinbruch für die Haushaltspolitik. Für die Kassenzahnärztliche Vereinigung Bayerns (KZVB) ist die geplante Kürzung gar ein „Vorgeschmack auf die Bürgerversicherung“. Deren Einführung und die Abschaffung der privaten Krankenvollversicherung würde Ärzte und Zahnärzte vollständig der Willkür von Haushaltspolitikern aussetzen, findet der KZVB-Vorsitzende Dr. Janusz Rat.

Wie das Gerangel um die Milliarden ausgeht, ist noch unklar. Fakt ist, dass keines der Kabinettsmitglieder gerne etwas einsparen will. Denn dann muss der eine oder andere Plan im eigenen Ressort beerdigt werden. Nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ könnte auch die Rentenversicherung, die in den Verantwortungsbereich von Sozialministerin Ursula von der Leyen (CDU) fällt, zur Haushaltskonsolidierung herangezogen werden.

Auch über die Ausgabenwünsche von Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) gebe es in der Regierung Unmut. Welcher Ressortchef letztlich verzichten muss, steht noch nicht fest. Daran, dass sich Wolfgang Schäuble mit seinen Kürzungsplänen durchsetzt, gibt es allerdings wenig Zweifel.

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