Mediziner und Bewertungsportale

Blockade zwecklos

Moderne Kommunikationswege ermöglichen auch die Suche nach dem „richtigen“ Behandler im Internet. Ob man als Arzt diese Entwicklung begrüßt oder nicht – die Wahrnehmung Dritter wird zunehmend durch Arztbewertungsportale beeinflusst. Mediziner dürfen dabei nicht dünnhäutig sein und sollten sich darauf einstellen.

Im medialen Zeitalter geht ohne PC oder Smartphone gar nichts mehr – und Arztbewertungsportale stehen gerade bei jüngeren Patienten hoch im Kurs, dies belegen immer wieder diverse Studien. Daher taucht auch immer wieder die Frage auf, ob man sich jede Form von Bewertung gefallen lassen muss oder ob es einen Rechtsschutz oder Möglichkeiten der Einflussnahme gibt.

Definition Online-Bewertungsportale

Als Onlinebewertungen bezeichnet man Texte, mit denen Internetnutzer Einschätzungen zu Produkten, Dienstleistungen und Organisationen in dafür vorgesehenen Foren oder Portalen abgeben. Dies ist heute gängige Praxis in verschiedenen Bereichen. Auch bei der Suche nach dem richtigen Zahnarzt lassen sich Patienten immer häufiger von solchen Internetdiensten leiten. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Portale, die speziell auf diese Berufsgruppe zugeschnitten sind.

Die Abgabe einer Bewertung auf den einschlägigen Portalen erfolgt grundsätzlich anhand eines Fragebogens, den der Bewertende beantworten muss. Die Fragebögen umfassen unterschiedliche Bereiche des Zahnarztbesuchs wie Praxisorganisation, Personal, Service, Kommunikation mit dem Arzt – insbesondere Umgang mit möglichen Ängsten und Aufklärung über anstehende Kosten –, die Behandlung sowie den Gesamteindruck. In der Regel werden die Bewertungen in Form von Schulnoten oder vergleichbaren Symbolen wie Sternen wiedergegeben. Teilweise hat der Bewertende auch die Möglichkeit, der Bewertung einen eigens verfassten Kommentar oder eine Empfehlung beizufügen.

Es ist in den meisten Portalen für die Abgabe der Bewertung ausreichend, nur eine E-Mail-Adresse anzugeben. Darüber hinausgehende Angaben wie Name, Anschrift, Patientennachweis oder Ähnliches sind regelmäßig nicht erforderlich.

Sodann können alle Internetnutzer die im Portal gespeicherten Informationen und Bewertungsergebnisse der Zahnärzte abrufen und einsehen. Für das Abrufen dieser Bewertungen und Informationen bedarf es regelmäßig keiner Registrierung im Portal.

Qualitätsanforderungen von BZÄK und KZBV

Gegen unseriöse Portale und unqualifizierte Bewertungen positionierten sich auch schon die Bundeszahnärztekammer und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung: Anfang 2012 gaben diese unter anderem einen Katalog von Qualitätsanforderungen für die Online-Bewertung von Zahnärzten heraus.

Dieser Katalog wendet sich sowohl an die Nutzer solcher Portale, die anhand des Katalogs die Qualität des Angebots prüfen und einschätzen können, als auch an die Anbieter, die ihr Angebot mittels der Kriterien optimieren können. Anliegen dieses Katalogs ist es, die zum Teil doch erheblichen Qualitätsunterschiede der einzelnen Portale zu verringern und eine möglichst einheitliche Basis für die Bewertung von Zahnärzten zu schaffen.

Die Kriterien beziehen sich auf rechtliche (insbesondere datenschutzrechtliche), auf inhaltliche und auf technische Aspekte sowie auf Fragen der Transparenz und der Pflichten des Portal-Verantwortlichen. Punkte, die ein gutes Zahnarztbewertungsportal bieten sollte, sind laut Katalog beispielsweise:

• die Erfüllung von Anforderungen gemäß des Telemediengesetzes

• die Beinhaltung einer Datenschutzerklärung, die den Umgang mit Nutzerdaten und die Voraussetzungen für eine Löschung oder Weitergabe darlegt

• den Hinweis darauf, dass Bewertungen allenfalls Einschätzungen zu einzelnen Aspekten der Versorgung und Betreuung geben können

• die Sicherstellung, dass Freitextfelder zu bestimmten Zeiten geprüft werden, die zu bewertenden Ärzte vor Schmähkritik geschützt werden und ihnen die Möglichkeit der Gegendarstellung eingeräumt wird

Bei Umsetzung und Einhaltung dieser Standards durch die Anbieter könnten solche Portale den Patienten tatsächlich eine Hilfe sein bei der Suche nach dem Zahnarzt seiner Wahl. Rechtlich verbindlich sind diese Kriterien jedoch nicht, so dass die Skepsis gegenüber solchen Bewertungs-portalen – bisweilen berechtigt – nach wie vor groß ist.

###more### ###title### Risiken und Gefahren von Negativbewertungen ###title### ###more###

Risiken und Gefahren von Negativbewertungen

Bei Onlinebewertungen handelt es sich um rein subjektiv empfundene Wahrnehmungen der Patienten, die einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Dies kann ein nicht zu unterschätzender Nachteil sein. Denn häufig betreffen diese Beurteilungen lediglich äußere Umstände der Praxisorganisation.

Eine unter Umständen negative Erfahrung in Bezug auf lange Wartezeiten oder unfreundliche Begegnungen mit dem Praxispersonal kann sich sodann auch auf Wertungen bezüglich der Behandlungsaspekte und der fachlichen Kompetenz des Zahnarztes auswirken und diese mit-einander vermischen.

Ein fundiertes und realitätsgetreues Urteil über medizinische und fachliche Kompetenzen vermögen diese Beiträge schon allein deswegen nicht darzustellen, weil der Patient dies als Laie nicht beurteilen kann. Ob dies den Nutzern der Portale immer bewusst ist, ist fraglich. Dennoch (oder gerade deshalb) können solche Negativbewertungen teils gravierende und einschneidende Konsequenzen für den bewerteten Zahnarzt und/oder seine Praxis bedeuten.

Andererseits sind aber auch die Folgen positiver Bewertungen oder konstruktiver Kritik nicht zu unterschätzen: Ein (zum Teil deutlicher) Anstieg der Patientenzahlen ist möglich, darüber hinaus kann die Praxis auf vermehrt geäußerte Kritik reagieren oder Verbesserungswünsche der Patienten umsetzen.

Reaktionsmöglichkeiten begrenzt

Doch was kann man letztlich tun als ein von Negativbewertungen betroffener Zahnarzt? Grundsätzlich sind die Möglichkeiten der Reaktion begrenzt respektive unter bestimmten Voraussetzungen gegeben:

• Kein Anspruch auf Auskunft

Kürzlich entschied der BGH darüber (Urteil vom 07.07.2014, AZ: VI ZR 345/13), ob ein negativ bewerteter Arzt vom Betreiber des Portals Auskunft über die Anmeldedaten des Nutzers verlangen kann. Dies verneinte der BGH, da es dem Betreiber nach § 12 Abs. 2 Telemediengesetz (TMG) nicht erlaubt ist, die Anmeldedaten herauszugeben.

Denn es fehlt an einer (nach §12 Abs. 2 TMG erforderlichen) datenschutzrechtlichen Ermächtigungsgrundlage, die den Portalbetreiber zur Auskunft an Dritte berechtigen würde. Der Nutzer hatte im zu entscheidenden Fall nicht in die Weitergabe eingewilligt – was regelmäßig der Fall sein dürfte.

Und auch § 14 Abs. 2 TMG hilft nicht weiter. Danach darf der Dienstanbieter zwar im Einzelfall, auf Anordnung der zuständigen Stelle, Auskunft über Bestandsdaten erteilen. Dies jedoch nur soweit dies für ganz bestimmte Zwecke, beispielsweise der Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr, erforderlich ist. Eine Weitergabe von Nutzerdaten wegen persönlichkeitsrechtsverletzenden Äußerungen in Bewertungsportalen ist jedoch nicht möglich, denn eine solche Ermächtigung zum Schutz von Persönlichkeitsrechten ist nicht vorgesehen.

• Meist kein Anspruch auf Löschung

Bei negativen Onlinebewertungen stehen sich letztlich zwei Grundrechte gegenüber: Auf der einen Seite steht der Zahnarzt, der den Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts begehrt; auf der anderen Seite stehen die Nutzer des Portals, die ihr Grundrecht auf Meinungs- und Kommunikationsfreiheit gewahrt sehen wollen. Diese Positionen müssen gegeneinander abgewogen werden.

Doch führt die Abwägung regelmäßig dazu, dass dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit der Vorrang einzuräumen ist.

Dies liegt nicht etwa daran, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht nichts wert ist, sondern vielmehr daran, dass der Zahnarzt durch die Bewertung lediglich in einem Bereich des Persönlichkeitsrechts betroffen ist, der nicht solch einen starken Schutz genießt. Denn die Bewertungen betreffen „nur“ die berufliche Tätigkeit des Zahnarztes, die einen Teil der sozialen Realität darstellt, der nicht ausschließlich dem Betroffenen allein zugeordnet werden kann.

Vor diesem Hintergrund wird dem Grundrecht auf Meinungsäußerung mehr Gewicht beigemessen, so dass Einschränkungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinzunehmen sind – jedenfalls solange die Grenze des Zumutbaren nicht überschritten wird. Dies hat der BGH in einem aktuellen Urteil vom 23. September 2014 (AZ: VI ZR 358/13) bestätigt – und ausgeführt, dass das Recht des klagenden Gynäkologen auf informationelle Selbstbestimmung das Recht des Portalbetreibers auf Kommuni- kationsfreiheit nicht überwiegt. Der Portalbetreiber/Beklagte ist deshalb nach § 29 Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zur Erhebung, Speicherung und Nutzung sowie nach § 29 Abs. 2 BDSG zur Über- mittlung der Daten an die Portalnutzer berechtigt. Im Rahmen der Abwägung sei zu berücksichtigen, dass das Interesse der Öffentlichkeit an Informationen über ärzt- liche Leistungen vor dem Hintergrund der freien Arztwahl ganz erheblich ist und entsprechende Portale dazu beitragen können, einem Patienten die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen.

Zudem berühren die für den Betrieb des Portals erhobenen, gespeicherten und übermittelten Daten den Arzt nur in seiner sogenannten „Sozialsphäre“, also in einem Bereich, in dem sich die persönliche Ent- faltung von vornherein im Kontakt mit anderen Personen vollzieht. Hier muss sich der Einzelne auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit sowie auf Kritik einstellen.

###more### ###title### Die Grenzen des Zumutbaren ###title### ###more###

Die Grenzen des Zumutbaren

Nicht zuzumuten ist dem Betroffenen sogenannte Schmähkritik. Steht also bei einer Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung mit der Sache im Vordergrund, sondern vielmehr die Herabsetzung der Person, bei der jenseits polemischer und überspitzter Kritik der Bewertete an den Pranger gestellt werden soll, ist dies nicht mehr zulässig und eine Löschung der Bewertung wird möglich.

Jedoch ist diese Schwelle letztlich nur selten erreicht. Denn auch wenn sich die subjektiven Empfindungen der Betroffenen schnell in diesem Bereich bewegen, so sind doch allein objektive und strenge Maßstäbe für die Charakterisierung als unzulässige Schmähkritik anzulegen.

Anonyme Bewertungen zulässig

Auch der Umstand, dass die Wertungen anonym abgegeben werden können (was die meisten Betroffenen oft besonders stört), begegnet rechtlich keinen Bedenken. Zum einen ist insbesondere dem Internet die anonyme Nutzung immanent und muss sogar von den Dienstanbietern ermöglicht werden. Zum anderen besteht im Rahmen des Grundrechts auf Meinungsfreiheit keine Verpflichtung, sich namentlich zu einer bestimmten Meinung bekennen zu müssen.

Hinzu kommt, dass sich die berufliche Tätigkeit des Zahnarztes nicht in einem geschlossenen, abgrenzbaren Raum vollzieht, sondern sich dieser (insbesondere vor dem Hintergrund der freien Arztwahl) dem bestehenden Wettbewerb zu stellen und sich dem Marktmechanismus auszusetzen hat – und zu diesem Wettbewerb und Marktmechanismus gehört heutzutage eben auch die Bewertungsmöglichkeit in öffentlich zugänglichen Quellen.

Unterlassungsanspruch prüfen

Jedoch kann dem Betroffenen unter Umständen ein Unterlassungsanspruch gegen den Dienstanbieter zustehen (vergleiche das BGH-Urteil vom 25.10.2011, AZ: VI ZR 93/10).

Den Betreiber eines Bewertungsportal trifft regelmäßig nur eine eingeschränkte Verantwortlichkeit, weil er die Bewertung weder selbst verfasst, noch sich ihren Inhalt zu eigen gemacht hat, so dass auch nur eine begrenzte Inanspruchnahme in Betracht kommen kann. Indem der Dienstanbieter die Website betreibt und den Ab-ruf der Daten und Wertungen ermöglicht, trägt er mittelbar zur Verbreitung von Äußerungen bei, die das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigen. Dies allein ist jedoch nicht ausreichend für eine Inanspruchnahme. Hinzukommen muss vielmehr die nachweisbare Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfpflichten.

Da Betreiber jedoch nicht dazu verpflichtet sind, Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu über- prüfen, sondern die (Mit-)Verantwortlichkeit des Dienstanbieters vielmehr erst ab Kenntnis von einer Rechtsverletzung zu bejahen ist, ist die Verletzung von Verhaltenspflichten häufig schon nicht gegeben.

Keine fingierten Einträge vornehmen

Diese geringen Reaktionsmöglichkeiten mögen manchem Betroffenen unbefriedigend erscheinen. Dennoch sollte es keine Lösung sein, Bewertungen zu manipulieren – sei es durch die Abgabe fiktiver positiver Bewertungen oder durch das Erkaufen von guten Bewertungen (vergleiche dazu Rechtsprechung bezüglich Hotelbewertungen, LG Berlin Beschluss vom 25.08.2011, AZ: O 418/11). Auch das systematische Zurückhalten negativer Bewertungen wäre als irreführende Werbung unzulässig (wie das Oberlandesgericht Düsseldorf entschied; Urteil vom 19.02.2013, AZ: 20 U 55/12).

Jens-Peter JahnFachanwalt für MedizinrechtKanzlei Dr. Halbe RechtsanwälteIm Mediapark 6A50670 Kölndr.halbe@medizin-recht.com

Melden Sie sich hier zum zm-Newsletter des Magazins an

Die aktuellen Nachrichten direkt in Ihren Posteingang

zm Heft-Newsletter


Sie interessieren sich für einen unserer anderen Newsletter?
Hier geht zu den Anmeldungen zm Online-Newsletter und zm starter-Newsletter.