Kommentar

Ein Resümee

Heftarchiv Zahnmedizin

Mit dem in dieser Ausgabe erschienenen Beitrag zum Themenfeld Schweigepflicht und Patientenrechte endet die Reihe „Neue Begriffe in der Zahnmedizin“ – ein Grund, die Entstehungsgeschichte der Reihe nochmals kurz nachzuzeichnen, eine vorläufige Bilanz zu ziehen und dabei auf einzelne Leserkommentare zu antworten.

Ziel der Reihe war es, einige zentrale Fachbegriffe in den Blick zu nehmen, die in den vergangenen Jahren verstärkt Einzug in die (Zahn-)Heilkunde gehalten haben. Dabei handelte es sich vielfach um Termini, die angrenzenden Fachbereichen, wie zum Beispiel der Gesundheitsökonomie, der Medizinsoziologie, der medizinischen Versorgungsforschung und den beiden normativen Fächern Medizinrecht und Medizinethik, entstammen. Viele der Begriffe werden zunehmend häufig in der Fach- und Laienpresse zitiert und genutzt, ohne dass davon ausgegangen werden kann, dass sie allen Adressatinnen und Adressaten geläufig sind.

Ebendiesem Informationsdefizit sollte mit der zm-Reihe Rechnung getragen werden. Jeder Beitrag der Reihe widmete sich hierbei einem spezifischen, abgegrenzten Themenfeld – namentlich den Bereichen „Patientensicherheit und schadensfreie Behandlung“, „Patientenaufklärung und -einwilligung“, „Gesundheitswesen und Gesundheitsversorgung“, „Kommunikation“, „Kollegialität und Rollenverhalten“, „Plagiate und gute wissenschaftliche Praxis“, „Stigmatisierung in der (Zahn-)Medizin“, „Wunscherfüllende Zahnheilkunde“ und „Schweigepflicht und Patientenrechte“.

Anglizismen: Fluch und Segen zugleich

Insgesamt waren die Leserkommentare mehrheitlich sehr freundlich und ermutigend. Besonders häufig positiv kommentiert wurden die Erläuterungen neuer Begriffe aus den Bereichen Medizinethik, Medizinrecht und Medizinsoziologie sowie die vorgestellten Beispiele. Zwei Aspekte riefen jedoch einen gewissen Unmut hervor:

Zum einen betraf dies die Aufnahme und Erläuterung auch englischsprachiger Fachbegriffe. Kritisiert wurde, dass Leserinnen und Leser im Rahmen der Reihe in einer rein deutschsprachigen Fachzeitschrift immer wieder mit Anglizismen konfrontiert würden, anstatt den Fokus vollständig auf deutsche Begrifflichkeiten zu legen und damit die deutsche Sprache gegenüber den immer raumgreifenderen englischen Sprachanteilen zu stärken. Besagter Einwand ist im Prinzip gut nachzuvollziehen und insofern sicherlich dankenswert.

Das Problem besteht jedoch darin, dass bestimmte englischstämmige Termini in der Praxis längst Einzug in die Fachsprache gehalten haben und insofern auch nicht einfach „wegzudenken“ sind. Ein Teil dieser Begrifflichkeiten wird gleichsam selbstverständlich neben den deutschsprachigen Begriffen benutzt (vergleiche etwa den Begriff „Near miss“ aus dem Themenfeld Patientensicherheit, der im Deutschen gelegentlich mit „Beinahe-Schaden“ übersetzt wird). Bei manchen Termini wird allerdings (nahezu) ausschließlich auf den englischsprachigen Fachbegriff rekurriert, so dass sich kein gleich-wertiges deutschsprachiges Synonym ausgeprägt hat beziehungsweise ein solches nicht wirklich etabliert ist.

Hinweisgeber oder Whistle blower

Typische Beispiele hierfür sind die Termini „Informed consent“ (aus dem Themenfeld Patientenaufklärung) oder „Whistle blower“ (aus dem Themenfeld „Gute wissenschaftliche Praxis“), die eben weit geläufiger, etablierter und pointierter sind als ihre deutschen Umschreibungen „Einwilligung nach erfolgter Aufklärung“ oder „Hinweisgeber“. Natürlich kann man diese Entwicklung beklagen, aber eine Reihe zu den existierenden Fachbegriffen kann sich letztlich nur mit dem Ist-Zustand beschäftigen – das heißt mit den Begriffen, die faktisch Einzug in die Fach- oder Laiensprache gehalten haben –, nicht aber mit wünschenswerten Soll-Zuständen. Für Bemühungen zum Eindeutschen von internationalen Fachtermini sei daher an die „Gesellschaft für deutsche Sprache“ (GfdS) verwiesen, die den jeweils aktuellen Sprachwandel kritisch begleitet und Empfehlungen für den Sprachgebrauch abgibt.Der zweite größere Kritikpunkt bezog sich auf den Einzelbeitrag, der sich mit Begriffen rund um das Themenfeld „Stigmatisierung in der (Zahn-)Medizin“ beschäftigte und hierbei der Frage nachging, inwieweit eine kultursensible Medizin bestimmte Missverständnisse und Fehlannahmen im Verhältnis von Arzt und Patienten mit Migrationshintergrund reduzieren kann. Als Beispiele für kulturelle Missverständnisse und Stereotype wurden einzelne stigmatisierende (und insofern problematische) Begriffe wie „Migranten-Rachitis“ oder „Morbus Balkan“ genannt. So schrieb ein Leser: „Es bedarf grundsätzlich KEINER migrantensensiblen Medizin. Ich bin nicht bereit, mich im öffentlichen Raum irgendwelchen Religionsbestimmungen zu unterwerfen. Ich erwarte im Gegenteil, dass die Migranten sich diesem System unterwerfen, denn sie sind hier Gäste und genießen die Freiheit. Ich werde KEINE Speisevorschriften beachten, sondern ich erwarte, dass Migranten sich hier anpassen. Irgendwelche religiöse Vorschriften können Migranten privat ausleben, da hat keiner etwas dagegen. Im öffentlichen Raum gehören sie nicht hin, schon überhaupt gar nicht in den politischen. Die Praxis ist ein öffentlicher Raum! Wenn Migranten öffentlich gern so leben wollen, dann sollten sie in ihr Heimatland zurückkehren und dort auch bleiben!“ Auch in diesem Fall sei zuerst für die kritische, offene Rückmeldung gedankt. Selbstverständlich sind die zitierte Stellungnahme und ähnliche Kommentare als persönliche Meinungsäußerungen zu akzeptieren. Gleichwohl sei angemerkt, dass der Beitrag eine andere Zielrichtung hatte, als es der Kommentar unterstellt. Tenor des Beitrags sollte nicht der Appell sein, (Zahn-)Ärzte sollten sich Patienten mit Migrationshintergrund kulturell „unterwerfen“, sondern vielmehr, dass es im Behandlungsalltag hilfreich wäre, wenn (Zahn-)Mediziner unverständliche Reaktionen von Migrantinnen und Migranten besser deuten und einordnen können. Die Kommunikation ist mutmaßlich einfacher und die Therapietreue des Patienten besser, wenn der Behandler versteht, wie sein Gegenüber denkt, und wenn man fremde, kulturell überformte Verhaltensweisen besser „lesen“ und antizipieren kann.

Positiver Abschluss zum Ende einer Reihe

Auch wenn die Reihe „Neue Begriffe in der Zahnmedizin“ nicht jeder Kollegin und jedem Kollegen gerecht werden konnte, so ergaben sich doch viele Gespräche, interessante Einblicke und immer wieder auch wertvolle, thematisch weiterführende Hinweise und Anregungen.Univ.-Prof. Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil. Dominik GroßInstitut für Geschichte, Theorie und Ethik der MedizinMedizinische Fakultät undUniversitätsklinik der RWTH AachenWendlingweg 252074 Aachen

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