Rheuma und orale Gesundheit

Parodontitis und Rheumatoide Arthritis

Eine Parodontitis und rheumatische Erkrankungen sind durch eine chronische Entzündung am Knochen gekennzeichnet, die sich bei der Parodontitis lokal, bei entzündlich-rheumatischen Erkrankungen systemisch manifestiert. Studien haben gezeigt, dass es einen Zusammenhang zwischen der Parodontitis und rheumatischen Erkrankungen gibt. Patienten mit einer Rheumatoiden Arthritis haben ein deutlich höheres Risiko für das Vorhandensein einer Parodontitis. Offenbar sind die Bakterien, die bei der Parodontitis eine Rolle spielen, auch mitverantwortlich für das Entstehen einer Entzündung im Gelenk.

Parodontitis und Rheumatoide Arthritis (RA) entstehen durch entzündliche Veränderungen am Zahnhalteapparat und an den Gelenken. Verschiedene klinische und experimentelle Beobachtungen der vergangenen Jahre haben Assoziationen zwischen beiden Krankheitsbildern gezeigt [Detert et al., 2010]. Bei beiden Erkrankungen werden proinflammatorische Zytokine (IL-1ß, IL6 und TNF-alpha) hochreguliert, was zu einer überschießenden Immunantwort führt [Wolff et al., 2014].

Bei der RA resultieren hieraus eine entzündliche Proliferation der Gelenkinnenhaut und nachfolgend der Abbau von Gelenk und Knorpel. Dieser Prozess führt zu Gelenkschwellungen, zu Fehlstellungen und zu einem Funktionsverlust. In der Gelenkflüssigkeit von RA-Patienten konnten Antikörper des bakteriellen Mikroorganismus „Porphyromonas gingivalis“ aus der Mundflora nachgewiesen werden.

Gleichermaßen wurde der Rheumafaktor, der bei der RA häufig positiv nachweisbar ist, in der Gingiva, in der subgingivalen Plaque und im Serum von Patienten mit einer Parodontitis gefunden [Detert et al., 2010]. Vermutet wird, dass die Bakterien die Bildung rheumaspezifischer Autoantikörper fördern (Abbildung 1). Porphyromonas gingivalis exprimiert eine für dieses Bakterium spezifische Peptidyldeaminase, die wiederum die Antikörperbildung gegen zyklische citrullinierte Peptide (CCP-Ak) hervorruft [Wolff et al., 2014].

Die Serumkonzentrationen von CCP-Ak zeigten sich bei Parodontitispatienten signifikant höher als bei Patienten mit gesundem Zahnfleisch [Lundberg et al., 2009]. Vielleicht wird auf diesem Weg die immunologische Toleranz für die Entstehung einer RA unterbrochen [Quirke et al., 2014]. Möglicherweise wird aber auch das lokale Milieu im Parodont und in den Gelenken so verändert, dass die parodontalpathogenen Keime sich vermehrt ansiedeln.

In der „Atherosclerosis Risk in Communities“ (ARIC)-Kohorte erhöhte eine mittelschwere bis schwere Parodontitis bei Nichtrauchern das Risiko für eine RA um das 2,6-Fache [Molitor et al., 2009]. Gänzlich bestätigt wurde das Ergebnis in zwei großen Surveys nicht [Arkema, 2010; Demmer, 2011]. In mehreren Studien belegt ist jedoch, dass Patienten mit einer manifesten RA häufiger an einer Parodontitis erkrankt sind als Gesunde [Wolff et al., 2014].

Die Autoren stellen außerdem Ergebnisse aus einer eigenen Fall-Kontroll-Studie aus Heidelberg dar. Hier war bei Patienten mit einer frühen RA (Symptomdauer 2 Jahre, n = 22) im Vergleich zu Gesunden bei vergleichbarer oraler Hygiene die Anzahl an verlorenen Zähnen erhöht (5,7 versus 1,9), sie hatten tiefere parodontale Taschen (3,4 mm versus 2,7 mm) und eine höhere Wahrscheinlichkeit für eine Blutung im Rahmen der zahnärztlichen Untersuchung (19 Prozent versus 9 Prozent) [Wolff et al., 2014].

Studie bestätigt: Frühe RA-Patienten leiden oft unter Parodontitis

In der bundesweiten Früharthritis-Kohorte „Course And Prognosis of Early Arthritis“ (CAPEA) bestätigte sich der hohe Anteil an Parodontitis bei frühen RA-Patienten. Um die Zusammenhänge zwischen Parodontitis und entzündlich-rheumatischen Krankheiten in epidemiologischen Studien an großen Fallzahlen bestimmen zu können, wurde im Rahmen dieser prospektiven Kohortenstudie ein Patienten-Fragebogen entwickelt, in dem die wichtigsten Parameter der Parodontitis (unter anderen Zahnzahl, Zahnfleischtaschen, zurückgehendes Zahnfleisch, gelockerte Zähne) abgefragt werden. Zusätzlich wurde eine semiquantitative Einschätzung des behandelnden Zahnarztes zum Schweregrad der Parodontitis erhoben und vorhandene Röntgenbilder der Patienten wurden evaluiert (n = 353).

Mithilfe der zahnärztlichen Angaben wurden die Sensitivität und die Spezifität des Fragebogens validiert. Die Patienten- angaben waren deutlich mit dem Parodontitis-Score des Zahnarztes assoziiert. Hiernach hatten 34 Prozent der untersuchten Patienten eine milde, 26 Prozent eine moderate und zehn Prozent eine schwere Parodontitis. 76 Prozent der Patienten hatten bereits bei Diagnose der RA eine reduzierte Zahnzahl (40 Prozent 20 bis 27 Zähne, 14 Prozent 10 bis 19 Zähne, 21 Prozent 10 Zähne, mittleres Alter 55 Jahre).

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Zahnzahl ist ein guter Indikator

Die Zahnzahl allein erwies sich als relativ guter Indikator für das Vorliegen einer Parodontitis bei Berücksichtigung des Patientenalters, und auch als geeignet, um eine schwere Ausprägung von einer milden bis moderaten Parodontitis abzugrenzen [Callhoff et al., 2014]. Anhand der Zahnzahl wurde der Zusammenhang zu einer höheren Krankheitsaktivität der RA bei vorzeitigem Zahnverlust bestätigt (Abbildung 2) und darüber hinaus gezeigt, dass das erhöhte Risiko für eine hohe Krankheitsaktivität selbst nach Totalsanierung des Gebisses bei zahnlosen Patienten fortbesteht [Westhoff et al., 2012].

Auch bei Patienten mit einem Sjögren- Syndrom, das unter anderem durch eine reduzierte Speichelbildung charakterisiert ist, sind Parodontitis und Zahnverlust häufig. Im Vergleich zu Gesunden zeigen sich bei Sjögren-Patienten höhere Plaquewerte, Sulkusblutungen, höhere Sondierungstiefen, ein vermehrter Parodontalindex und ein erhöhter Attachment-Verlust [Detert et al., 2012].

In einer am Deutschen Rheuma-Forschungszentrum durchgeführten Studie mit einem Vergleichskollektiv aus der Normalbevölkerung berichteten die Patienten mit einem Sjögren-Syndrom (n = 153) signifikant häufiger über Gingivitis (46 Prozent versus 21 Prozent), Parodontitis (24 Prozent versus 10 Prozent) und Zahnverlust (mittlere Zahnzahl 21 versus 23) als die altersgleichen gesunden Frauen [Westhoff et al., 2012]. Hierbei war der Zahnverlust sowohl mit ausgeprägten Zahnfleischentzündungen als auch mit vorausgegangener Karies assoziiert.

In einer kürzlich publizierten Meta-Analyse von fünf klinischen Studien wurde untersucht, ob die Entzündungsaktivität der RA durch eine nicht-operative Behandlung der Parodontitis reduziert werden kann. Die Auswertung von fünf klinischen Studien zeigte eine Verbesserung der klinischen Aktivitätsparameter. Auf die Rheumafaktoren und die CCP-Antikörper hatte die Parodontitis-Therapie hingegen keinen Effekt [Kaur et al., 2014].

Ob sich dieser Zusammenhang bestätigt, muss an größeren Patientenkollektiven unter Berücksichtigung von weiteren Einflussfaktoren untersucht werden. Eine Therapie mit TNF-alpha- beziehungsweise IL-6-Inhibitoren hat hingegen nicht nur die Symptomatik der RA, sondern auch die radiologische Progression von RA und Parodontitis reduziert [Wolff et al., 2014].

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Schlechte Mundgesundheit bei Rheuma-Erkrankungen

Neben dem immunologischen Zusammenhang zwischen Parodontitis und RA gibt es diverse funktionelle Einschränkungen, die bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen das Risiko für entzündliche Veränderungen im Mundraum erhöhen. Eine Kiefergelenkbeteiligung im Rahmen einer RA kann zu einer deutlich eingeschränkten Mundöffnung führen. Die Abflachung des Kondylus und Erosionen der Fossa oder zystische Aufhellungen sind charakteristisch für eine Arthritis am Kiefergelenk. Eine Aufbissschiene hilft, das Gelenk zu entlasten [Willershausen et al., 2010].

Auch bei einer progressiv systemischen Sklerose kann die zunehmende Verhärtung des Bindegewebes zu einer eingeschränkten Mundöffnung führen (Mikrostomie) und zusätzlich die Handmotilität deutlich eingeschränkt sein (Abbildungen 3 und 4). Patienten mit einer Sklerose haben außerdem eine reduzierte Durchblutung der Gingiva. Neben kapillarmikroskopischen Veränderungen sind vaskuläre endotheliale Wachstumsfaktoren vermindert nachweisbar [Detert et al., 2010].

Patienten mit einem Sjögren-Syndrom haben aufgrund entzündlicher Veränderungen an den Tränen- und Speicheldrüsen einen deutlich reduzierten Speichelfluss, der neben der Mundtrockenheit die Anreicherung von bakteriellen Belägen auslösen kann. Der Morbus Behçet geht häufig mit Aphthen und Ulzerationen in der Mundschleimhaut einher, die wiederum zu einer eingeschränkten Mundhygiene führen können und Parodontalerkrankungen begünstigen. Weitere klinische Zeichen eines Morbus Behçet sind eine Uveitis, eine Oligoarthritis und Hautmanifestationen.

Neben den Auswirkungen der rheumatischen Erkrankungen ist auch die immunsuppressive Therapie mit einer erhöhten Anfälligkeit für bakterielle Besiedelungen verbunden. Außerdem gibt es spezifische Nebenwirkungen, die sich im Mundbereich manifestieren. So kann eine Therapie mit Ciclosporin A, die heute seltener bei der RA verwendet wird, aber bei schweren Verläufen und bei Kollagenosen noch zum Einsatz kommt, zu einer Gingivahyperplasie führen (Abbildung 5). Nicht zuletzt erschweren die bei vielen rheumatischen Erkrankungen deutlich eingeschränkte Feinmotorik der Fingergelenke und auch der fortgeschrittene übergeordnete Bewegungsverlust im Bewegungsapparat eine ausreichend zuverlässige Mundhygiene.

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Zusammenfassung

Zusammenfassend ist die Verbindung zwischen RA und Parodontitis inzwischen hinreichend bekannt. Bei Patienten mit rheumatischen Grunderkrankungen sollte die Aufmerksamkeit auf Anzeichen einer Parodontitis und auf mögliche krankheitsbedingte Einschränkungen in der Mundhygiene gerichtet werden. Eine frühzeitige Therapie kann nicht nur die Folgeschäden der Parodontitis reduzieren, sondern möglicherweise auch den Krankheitsverlauf der RA abmildern.

Dr. Katinka Albrecht, Johanna Callhoff, Prof. Dr. Angela ZinkDeutsches Rheuma-Forschungszentrum BerlinCharitéplatz 1, 10117 BerlinAlbrecht@drfz.de

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