Die gesteuerte Knochenregeneration
Regeneration ist ein in der Medizin häufig verwendeter Begriff und bedeutet die Neuentstehung beziehungsweise Wiederherstellung eines Ursprungszustands. Doch wo funktioniert dies im menschlichen Körper wirklich? Bis dato ist es zum Beispiel in der Neurologie nicht möglich, Nervenzellen nach Lähmungen zu regenerieren. Auch in der Zahnmedizin sind die Heilungsvorgänge in den meisten Fällen lediglich Reparaturprozesse, so zum Beispiel nach einer konventionellen parodontologischen Therapie. Untersuchungen zum Thema Knochenregeneration finden heute in zahlreichen medizinischen Disziplinen statt und sind eine wichtige Schnittstelle zwischen orthopädischer, zahnmedizinischer und zunehmend auch endokrinologischer Forschung.
Klinisch nimmt zum Beispiel die Knochen- regeneration einen wichtigen Stellenwert in der Implantologie ein, und zwar dann, wenn ein Knochenaufbau vor oder simultan mit der Implantatinsertion notwendig wird. Im Rahmen der Knochenregeneration kommen Prozesse der Frakturheilung zum Tragen. Dies zeigt sich nicht nur bei der Knochenneubildung, sondern vor allem auch bei der sogenannten Remodellierung. Durch die mechanische Belastung des Implantats erfolgt eine Druckübertragung auf den Knochen. Das Wechselspiel zwischen Knochenaufbau und Knochenabbau wird beeinflusst und resultiert in einer Verdichtung des Knochens in belasteten Regionen. Man könnte diesen Prozess auch als das ökonomische Handeln der Natur bezeichnen. Ermöglicht wird er durch Stammzellen, die entsprechend aktiviert und zu gefäß- oder knochenbildenden Zellen differenziert werden. Die Steuerung dieses komplexen Systems im Sinne einer Kommunikation zwischen den Zellen erfolgt über chemische Botenstoffe. So werden unter anderem im Knochen eingelagerte Wachstumsfaktoren (wie zum Beispiel BMPs, bone morphogenetic proteins) freigesetzt. Klinisch relevant ist, dass der knochenbildende Stimulus vom Lager- knochen und gegebenenfalls aufgelagerten Knochenchips ausgeht, da dort osteogene Faktoren vorhanden sind. Diese erst ermöglichen das Knochenwachstum in Richtung des Augmentats in der Peripherie. Grund- voraussetzung hierfür ist die Gefäßneubildung mit der Sauerstoffversorgung des Gewebes. Eine „gesteuerte“ Knochenregeneration ermöglicht es, nach der Insertion eines Implantats und der Durchführung einer Knochenaugmentation, die Knochenneubildung in Richtung des Augmentats zu führen. Hierbei handelt es sich um eine physiologische Knochenheilung, die bei einer entsprechenden Defektmorphologie mit Hilfe einer Membran in Richtung eines kombinierten Augmentats aus körpereigenen, autologen Knochenchips und xenogenem Augmentationsmaterial gelenkt werden kann. Man nutzt hierzu also die Prinzipien der Natur.
Der Film veranschaulicht die genannten Prozesse und visualisiert die enge Verflechtung von Angiogenese und Osteogenese, die erst eine erfolgreiche „Guided Bone Regeneration“ möglich machen.
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Phase I: Die Wundheilung
Die erste Phase des Films zeigt die klinische Ausgangslage mit der Insertion eines Implantats im anterioren Oberkiefer (regio 12). Um ein erfolgreiches Ergebnis zu gewährleisten, muss der Defekt regeneriert und eine ausreichend dicke bukkale Knochenwand aufgebaut werden. Zur Darstellung der knöchernen Situation wird eine marginale Schnittführung mit disto-vestibulärer Entlastung in regio 13 gewählt. Punktförmige Anbohrungen der Kortikalis mittels präziser Bohrer gewährleisten die Einblutung in das spätere Augmentat, eine Grundvoraussetzung für die folgende Knochenneubildung (Abbildung 1). Diese erfolgt von den Wänden des zweiwandigen Knochendefekts in Richtung des Augmentats. Nach der Implantatinsertion findet die Augmentation mittels autologer Knochenspäne (Abbildung 2) und mit Hilfe eines Knochenersatzmaterials (Abbildung 3) in zwei verschiedenen Schichtungen statt. Zunächst erfolgt die implantatnahe Augmentation mittels autologer Knochenspäne und dann darauf auflagernd die Augmentation mittels einer bovinen, deproteinierten Knochenmatrix im Sinne einer Konturaugmentation. Dieses Knochenersatzmaterial ermöglicht die langfristige Volumenstabilität, da es eine geringe Substitutionsrate aufweist, das heißt im Rahmen des Remodelings praktisch nicht resorbiert wird. Aus mechanischen und biologischen Gründen wird nach der Augmentation eine resorbierbare Kollagen-Membran eingebracht (Abbildung 4). Diese Membran hat die Aufgabe, die knöcherne und weichgewebige Heilung (Mukosa) in zwei Kompartimente zu trennen. Mit der Anbohrung der Kortikalis wird durch die Einblutung der erste Schritt der Wundheilung initiiert. Die Membran, die Knochenspäne, das Knochenersatzmaterial und die Implantatoberfläche stellen jeweils eine Matrix für das entstehende Blutkoagulum dar.
Phase II: Entzündliche Phase der Wundheilung
Die zweite Phase des Films visualisiert den entzündlichen Teil der Wundheilung. Nach der Einblutung (Abbildungen 5 und 6) ist zunächst die unspezifische Immunabwehr aktiv. Granulozyten wandern mittels Diapedese vom intra- und extravasalen Raum ein, phagozytieren verstreute Bakterien und steigern mit freigesetzten Interleukinen die Entzündungsreaktion (Abbildung 7). Die Phagozytose von Bakterien wird von Makrophagen unterstützt, die jedoch eine wichtige Schlüsselfunktion haben und die Entzündungsreaktion mittels entsprechender Botenstoffe in Richtung Gefäßneubildung und Wundheilung umleiten können.
Phase III: Die Proliferative Phase der Wundheilung
Die dritte Phase des Films zeigt zunächst die Gefäßneubildung als Basis für die Sauerstoffversorgung, die in direkter Nähe von Blutgefäßen die Neubildung von Bindegewebe und Knochen ermöglicht. Die Gefäßneubildung ist durch ein Zusammenspiel von Endothelzellen und Perizyten möglich und erschließt Schritt für Schritt das sauerstoffarme Milieu. Dieser Vorgang wird als Angiogenese bezeichnet (Abbildung 8). Diesem Wachstum von Blutgefäßen folgen Fibroblasten, die eine kollagenreiche Bindegewebsmatrix synthetisieren (Abbildung 9). Unter dem Einfluss von Wachstumsfaktoren können im nächsten Schritt Perizyten zur Differenzierung von Osteoblasten – also den knochenbildenden Zellen – beitragen. Diese setzen sich mittels Integrinen auf die Oberflächen des Lagerknochens, der Knochenspäne, des Knochenersatzmaterials und des Implantats. Die Knochenbildung wird durch autologe Knochenspäne beschleunigt und beginnt mit der Synthese von jungem, noch nicht mineralisiertem Knochen, dem sogenannten Osteoid (Abbildung 10). Dieses wird durch die Einlagerung von Kalzium und Phosphat zu mineralisiertem Knochen, die knochenbildenden Osteoblasten differenzieren sich zu Osteozyten. Zu diesem Zeitpunkt trennt die Kollagenmembran nach wie vor das Weichgewebe vom Knochen.
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Phase IV: Remodellierende Phase der Wundheilung
In der vierten Phase des Films wird die Remodellierung des Knochens visualisiert. Mit der Belastung des Implantats durch die Implantatkrone erfolgt aufgrund der Druckübertragung auf den Knochen ein Umbau der Knochenstruktur. Osteoklasten resorbieren Knochen und hinterlassen Resorptionslakunen (Abbildung 11), die wiederum von Osteoblasten mit neugebildetem Knochen aufgefüllt werden. Das Knochenersatzmaterial wird jedoch nur gering resorbiert, was die Volumenstabilität ermöglicht. Die zu diesem Zeitpunkt resorbierte Kollagenmembran muss die Trennung zwischen Knochen und Weichgewebe nicht mehr länger aufrechterhalten. Aufgrund der fehlenden Barriere ist eine zunehmende Durchblutung des aufgebauten Knochens aus Richtung des Periosts gewährleistet. Im Rahmen des Knochenumbaus sind zu diesem Zeitpunkt sogenannte „Cutting Cones“ von zentraler Bedeutung. Diese bestehen aus Osteoklasten, Osteoblasten und einem zentralen Blutgefäß (Abbildung 12).
Mittels Osteoklasten bohren diese Cutting Cones tunnelförmige Stollen in den Knochen, die zeitversetzt mit neuen, konzentrischen Knochenlagen aufgefüllt werden (Abbildung 13). Hierdurch entsteht lamellärer Knochen mit dem charakteristischen Bild der „Osteone“. Die entstehenden Knochentrabekel wirken der Belastungs- achse des Implantats entgegen, was die Langzeitstabilität des Implantats gewährleistet (Abbildung 14).
„Die gesteuerte Knochenregeneration“ ist der fünfte Film der Reihe „Kommunikation der Zellen“ und nach dem Film „Die Osseointegration“ der zweite Film, der die knöcherne Heilung thematisiert. In den letzten Jahren bekam in der Zahnmedizin, neben der klassischen Materialwissenschaft, die Thematisierung biologischer Aspekte der Wundheilung im Rahmen vieler Therapien einen immer wichtigeren Stellenwert in Klinik und Forschung. Ziel dieses neuen Films ist es mittels der Nutzung modernster Medien, Zahnärzten, Studenten und Interessierten einen tiefen Einblick in biologische Heilungsprozesse zu geben und für das Verständnis dieser Prozesse, diese zu visualisieren. Dies hat auch wichtige Aspekte für die Klinik. Nur durch ein Verständnis dieser Prozesse, lassen sich chirurgische, klinische Behandlungsabläufe verstehen und vorhersagbare Behandlungsergebnisse ermöglichen.
PD Dr. Dr. Bernd Stadlinger, Klinik für OralchirurgieKlinik für Mund-, Kiefer- Gesichtschirurgie, Universität ZürichPlattenstr. 11, CH-8032 Zürich, E-mail:Prof. Dr. Reinhard Gruber, Professor für Orale BiologieUniversitätszahnklinik Wien, Medizinische Universität WienSensengasse 2a, AT-1090 Wien, E-mail:Prof. Dr. Daniel Buser, Klinik für Oralchirurgie und Stomatologie,Zahnmedizinische Kliniken Universität BernFreiburgst. 7, CH-3010 Bern, E-mail:Prof. Dr. Dr. Hendrik Terheyden, Rotes Kreuz Krankenhaus Kassel Gemeinnützige GmbHMund-, Kiefer- GesichtschirurgieHansteinstr. 29, 34121 Kassel, E-mail: