Interview mit Dr. Johan Wölber

„Der Patient redet sich in die Veränderung“

Was ist Motivierende Gesprächsführung (MIT)? Und wie sollte der Zahnarzt mit seinem Patienten reden, um ihn zur Verhaltensänderung zu motivieren? Dr. Johan Wölber sagt: Der Schlüssel liegt in der Anerkennung und Wertschätzung des Gegenübers.

Herr Dr. Wölber, was genau versteht man unter Motivierender Gesprächsführung?

Motivierende Gesprächsführung (engl: Motivational Interviewing, MI) wird in der Fachliteratur definiert als kooperativer, zielorientierter Kommunikationsstil mit besonderer Aufmerksamkeit auf die Sprache der Veränderung. Dieser Stil ist darauf konzipiert, die persönliche Motivation für und die Selbstverpflichtung auf ein spezifisches Ziel zu stärken. Dafür werden die Motive eines Menschen, sich zu ändern, in einer Atmosphäre von Akzeptanz und Mitgefühl hervorgelockt und erkundet.

In der Motivierenden Gesprächsführung sollte der Therapeut vier Grundhaltungen beachten: Akzeptanz, Mitgefühl, Kooperation und Evokation (damit ist ein Hervorlocken von Aussagen und Ideen gemeint). Zudem sind vier Prozesse im MI beschrieben: Beziehungsaufbau, Fokussierung („Über welches Thema reden wir?“), Evokation und Planung. Bevor es zur Planung geht, sollte der Patient allerdings schon Veränderungsabsichten haben.

Wie kann der Zahnarzt seine Patienten motivieren, selbst etwas für ihre Gesundung zu tun?

Das (noch) am häufigsten anzutreffende und intuitive Vorgehen ist, dass Zahnärzte ihren Patienten Anweisungen und Vorschläge geben, die oft mit Argumenten begleitet werden. Das produziert zumeist Widerstand beim Patienten (Klassische Reaktion: „ja, aber…“). Beim MI hingegen wird der Patient in einer wertschätzenden, akzeptierenden Atmosphäre gefragt, welche Gründe, Motive und Ziele er selbst hat in Bezug auf bestimmte Themen wie Mundhygiene, Ernährung, Adhärenz und/oder Rauchen.

Die Aussagen des Patienten werden vom Zahnarzt bestätigt (gelobt) und es werden weitere Motive, Möglichkeiten und mögliche Barrieren erkundet. Wenn der Patient bereit zur Verhaltensänderung ist, werden mit ihm individuelle nächste Schritte geplant. Der Zahnarzt hält sich dabei mit Vorschlägen zurück und begleitet den Patienten mit offenen Fragen, Anerkennungen und Reflektionen.

Zudem achtet der Zahnarzt besonders auf die selbstmotivierenden Aussagen (Aussagen, die für die Veränderung sprechen) und betont diese (zum Beispiel durch Bestätigung oder Reflektion).

Wie kann Motivierende Gesprächsführung beim Patienten wirken?

Anders als bei einer klassischen, vielleicht monologen „Berieselung“ durch den Zahnarzt (und einem einhergehenden „Abschalten“ des Patienten) wird der Patient beim MI freundlich aktiviert. Er klärt für sich selber Fragen wie „Warum sind mir die Zähne wichtig?“, „Wie könnte ich bessere Mundhygiene machen?“ oder „Was kann ich sonst noch machen, um die Parodontitis in den Griff zu bekommen?“. Zudem motiviert sich der Patient selbst, indem er Aussagen zu Gründen, Fähigkeiten und vergangenen Erfolgen (Selbstwirksamkeit) bezüglich der Veränderung dem Zahnarzt gegenüber macht – er „redet sich somit in die Veränderung“. Zudem fühlt er sich durch die Wertschätzung des Zahnarztes bestätigt und kommt mit höherer Wahrscheinlichkeit wieder zum nächsten Termin. Weil der Zahnarzt ihn akzeptiert, kann er auch Gründe äußern, die gegen eine Veränderung sprechen und fühlt sich somit nicht zur Veränderung gezwungen .

Akzeptanz und Wertschätzung sind also die Voraussetzungen für die Entwicklung einer autonomen (selbstbestimmten) Motivation – die dann auch länger wirksam ist als eine von außen aufgezwungene (extrinsische) Motivation.

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