Die zm-Kolumne rund um die relevanten Praxisfragen

Auch Bewertungen haben ein Haltbarkeitsdatum

Christian Henrici
Im Nachgang zu meinem Artikel über das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 20.02.2018, mit dem entschieden wurde, der Klage einer Kölner Dermatologin auf Löschung ihrer Daten bei jameda stattzugeben, haben mich erneut viele Zuschriften und Anrufe erreicht. Eigentlich hatte ich das Thema „Bewertungsportale“ vorerst abgeschlossen, möchte aufgrund des umfangreichen Feedbacks aber einige Punkte noch einmal aufgreifen.

Wie lange sind Bewertungen aktuell?

Eine immer wiederkehrende Frage bezog sich auf die Gültigkeit und Rechtfertigung von Bewertungen über einen bestimmten Zeithorizont hinweg. Stellvertretend habe ich Ihnen die oben stehende Mail herausgesucht, in der Kritik an der möglicherweise unbefristeten Darstellung von Bewertungsergebnissen geäußert wird. 

Der Blick nach rechts und und links verdeutlicht die Prinzipienliebe der Deutschen: So finden wir nicht nur bei Lebensmitteln, TÜV-

Zertifikaten oder Medikamenten und Medizinprodukten Haltbarkeitsdaten, sondern auch in der freien Wirtschaft etliche Beispiele dafür, dass Auszeichnungen, Zertifizierungen und Einschätzungen von Experten immer auf einen definierten Zeithorizont angewandt werden. 

Umso mehr verwundert es mich – beispielsweise –, wenn bei der Suche nach einem geeigneten Hotel oder Ausflugsziel für den Sommerurlaub mit der Familie die letzte dargestellte Auszeichnungs des Hotels aus 2015 stammt. Denn in dieser Branche werden in der Regel jährlich Auszeichnungen vorgenommen. Daher geht der Blick der Urlauber heutzutage in aller Regel zuerst auf die Bewertungen, die jedoch mit Vorsicht zu genießen sind: Schlechte Bewertungen aus dem Vorjahr können einer zu diesem Zeitpunkt vorhandenen Baustelle durch den Bau eines Nachbarhotels geschuldet gewesen sein. Positive Bewertungen des Vorjahres bei einem anderen Hotel durch einen umgekehrten Fall in diesem Jahr bereits hinfällig sein. Auch hier stellt sich also die Frage, wie lange Bewertungen für die Allgemeinheit Gültigkeit besitzen sollten. 

Das möchte ich nun auf die Zahnarztpraxis übertragen: Wie also ergibt sich die Gesamtnote eines Zahnmediziners bei jameda aus den Bewertungen der – wir kreieren ein fiktives Beispiel – letzten zehn Jahre? Auf den ersten Blick gibt uns das Profil des Mediziners hierüber keine Auskunft, es werden lediglich die Durchschnittsnote, die Anzahl der Bewertungen und die Weiterempfehlungsquote benannt. 

Werden also wirklich alle Bewertungen einbezogen, egal aus welchem Jahr diese stammen? Eine erste Antwort liefern die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von jameda: Alle Bewertungen, die vor mehr als vier Jahren abgegeben wurden, werden von dem Bewertungsportal automatisch archiviert. Und archivierte Bewertungen haben keinen Einfluss mehr auf die Gesamtnote oder die Weiterempfehlungsquote des betroffenen Arztes. In der Darstellung äußert sich die Archivierung (Seitenaufruf vom 16.04.2018) folgendermaßen: Auch wenn die archivierten Bewertungen nach wie vor in die Gesamtzahl der dargestellten Bewertungen einbezogen werden, unternimmt jameda auf diesem Weg eine generell sinnvolle Einschränkung der allgemeinen Gültigkeit der Bewertungen. 

Die aus der Einschränkung resultierende Folgefrage ist nun, ab welchem Zeitpunkt Bewertungen nicht mehr berücksichtigt werden sollten. Um eine objektive Meinung hierzu zu äußern, betrachten wir die Zahnarztpraxis zunächst aus unternehmerischer Perspektive: Wie jedes andere Unternehmen auch, muss eine Praxis regelmäßig gesetzlichen, strukturellen und personellen Veränderungen begegnen. Verlässt beispielsweise der einzige auf Erbrecht spezialisierte Anwalt oder die langjährige Chefsekretärin, die für den Erstkontakt mit den Mandanten zuständig war, eine Kanzlei, ändert dies mit Sicherheit die Einschätzung bisheriger und potenzieller Mandanten. Ebenso verhält es sich in der Praxis. 

Durch Fluktuationen beim Personal aufgrund von Kündigungen, Schwangerschaften oder Teamerweiterungen wechseln die Ansprechpartner für die Patienten, was sich positiv oder negativ in den Bewertungen niederschlagen kann. Bewertungen, die vor zwei Jahren die mangelnde Modernität der Praxis anprangerten, sind durch eine umfassende Renovierung und Investition in neue Behandlungseinheiten schon wenige Monate später hinfällig. Neben dem Personalwechsel und der Erneuerung der Praxisausstattung spielen auch die Einführung neuer Behandlungsmaterialien und -techniken sowie ein Laborwechsel zu besseren Techniken und neuen Preisen eine entscheidende Rolle.

Aktuell bleibt dem Zahnarzt nur die Möglichkeit, alte Bewertungen mit dem Hinweis auf Neuerungen zu kommentieren, nicht aber, diese aufgrund der fehlenden Aktualität zu korrigieren oder gar zu löschen. Aufgrund der sehr individuell zu betrachtenden Gültigkeit und Nachvollziehbarkeit von Bewertungen, die dem sich kontinuierlich in Bewegung befindlichen Praxisumfeld unterliegen, könnte eine Lösung für eine transparentere Bewertung darin bestehen, zeitliche Abstufungen der Bewertungen vorzunehmen. So könnte die Praxis neben der Gesamtnote der – bleiben wir bei jameda – letzten vier Jahre auch noch zwei Unterkategorien mit den Bewertungen der letzten sechs und 18 Monate erhalten, um die Aktualität der Bewertungen hervorzuheben. 

In diesem Sinne,

Ihr Christian Henrici

Henrici@opti-zahnarztberatung.de

www.opti-zahnarztberatung.de

Christian Henrici

Dipl. Kfm. Christian Henrici ist seit 2006 Gründer und Geschäftsführer der OPTI health consulting GmbH, die nach eigenen Angaben seit 2006 rund 3.000 Zahnarztpraxen in Deutschland beraten hat. Henrici ist Lehrbeauftragter und Referent für Controlling, Personal und Businessplanung. Als Autor erschien von ihm im Quintessenz-Verlag das Buch „Wer braucht schon gutes Personal? – Erfolgreich führen in der Zahnarztpraxis“. Christian Henrici schreibt Fachbeiträge zu den Themen Betriebswirtschaft, Organisation und Führung & Personal in der Zahnarztpraxis und seine regelmäßige Kolumne in den zm.

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