14. Europatag der Bundeszahnärztekammer

Regulierung ist Patientenschutz!

Am 26. Mai findet die Europawahl statt – auch aus gesundheitspolitischer Sicht eine Richtungswahl. Werden die deutschen Standards aufgeweicht? Und: Welche Zukunft haben die in Deutschland bewusst regulierten Berufe im europäischen Binnenmarkt? Antworten gab es auf dem 14. Europatag der Bundeszahnärztekammer (BZÄK) in Berlin.

„Die Europäische Union hat für unseren Berufsstand große Bedeutung. Nur auf den ersten Blick scheint die EU im Praxisalltag weit weg zu sein“, sagte BZÄK-Vizepräsident Prof. Dr. Dietmar Oesterreich bei der Begrüßung zum 14. Europatag, zu dem Mandatsträger aus dem europäischen Parlament und dem Deutschen Bundestag sowie rund 80 Gäste geladen waren. „Kann sich ein deutscher Zahnarzt problemlos in Spanien niederlassen?“, „Sind Gebührenordnungen und sonstige freiberufliche Regelungen mit den Vorgaben des Binnenmarkts vereinbar?“ oder „In welchem Rahmen dürfen Medizinprodukte verwendet werden?“ – alles Fragen, „die mittlerweile in Brüssel entschieden werden“, hob Oesterreich hervor. 

Ist das Berufsrecht ein Markthindernis?

Er sieht die politische Diskussion über die Zukunft der regulierten Berufe, die auf EU-Ebene vorangetrieben wird, deshalb mit Sorge. In der Argumentation der Kommission trägt der Abbau berufsrechtlicher Vorgaben zur Intensivierung des Wettbewerbs im Dienstleistungssektor und zu mehr Mobilität der Beschäftigten in der EU bei. „Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Kommission diesen Politikansatz in den kommenden Jahren fortsetzt“, prognostizierte Oesterreich. Die von der Kommission initiierte Ausschreibung einer neuen Studie zum Zusammenhang von Berufsrecht und Qualität sowie Klagen der Kommission vor dem Europäischen Gerichtshof gegen nationales Berufsrecht – konkret steht die Honorarordnung der Architekten und Ingenieure auf dem Prüfstand – deuten für ihn in diese Richtung.

Die BZÄK sieht den Ansatz aus Brüssel, Wirtschaftswachstum durch den Abbau von Berufsrecht zu fördern, sehr kritisch. Knackpunkt derzeit: die im Sommer 2018 verabschiedete EU-Richtlinie über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung vor Erlass neuer Berufsreglementierungen (RL 2018/958 EU), die bis zum 30. Juli 2020 in nationales Recht umgesetzt werden muss. Um die Auswirkungen dieser Richtlinie ging es in der Diskussion „Berufsrecht als Markthindernis? Welche Zukunft haben die regulierten Berufe im Binnenmarkt?“.

Dr. Heinz Hetmeier, Leiter der Unterabteilung „EU Mitgliedsstaaten und sonstige europäische Länder, EU Binnenmarkt, Europa 2020“ im Bundeswirtschaftsministerium, beschrieb den Prozess so: Es gehe der Kommission darum, den grenzüberschreitenden Binnenmarkt weiterzuentwickeln und Hemmnisse, die sich dem entgegenstellen, zu beseitigen. Leitgedanke sei dabei, die freie Berufsausübung in der gesamten EU voranzutreiben.

Die Gesundheitsberufe stünden momentan aber nicht im Fokus. Berufsregulierungen, wie sie etwa in Deutschland oder Österreich für Heilberufler existieren (Gebührenordnungen, Berufsrecht), seien in anderen EU-Ländern nicht bekannt. Deshalb sei die Politik vor allem in Deutschland daran interessiert, die bewährten Regeln aufrechtzuerhalten. Hetmeier berichtete, dass die Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht gerade erst begonnen habe. Sein Ministerium wolle dafür Sorge tragen, dass die Sonderrolle für Heilberufler erhalten bleibt.

Positionen der BZÄK

Die BZÄK hat zur Europawahl ein Positionspapier mit acht Forderungen an den europäischen Gesetzgeber erarbeitet:

  • Erhalt der bewährten Strukturen der Selbstverwaltung

  • Standortbestimmung der Freiberuflichkeit und eine europäische Charta der Freien Berufe

  • Entbürokratisierung für die Zahnarztpraxen

  • die hohe Qualität der Ausbildung weiterhin gewährleisten

  • Digitalisierung zum Nutzen der Patienten gestalten

  • Amalgam als eines der notwendigen Füllungsmateralien erhalten 

  • Bekämpfung von Antibiotikaresistenzen fortsetzen

  • weitere Initiativen zur Verbesserung der Mundgesundheit anstoßen

Was hat Regulierung mit Qualität zu tun?

BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel bezeichnete das Bestreben der Kommission, durch Deregulierung ökonomische Vorteile zu generieren, als „sehr kritisch“. Bewährte Strukturen der freiberuflichen Selbstverwaltung dürften nicht zugunsten vermeintlicher Beschäftigungseffekte zur Disposition gestellt werden. Das gelte vor allem für Tendenzen, Deregulierung mit dem Thema Qualität zu verbinden.

„Wir werden aus Brüssel oft gefragt, doch nachzuweisen, wie Regulierung mit Qualität zusammenhängt“, sagte er. Engel verwies auf eine Anzahl von Studien, die die EU-Kommission in Auftrag gegeben hat und die darauf abzielen, einen Zusammenhang zwischen berufsrechtlicher Regulierung und der Qualität von Leistungen zu begründen (siehe Artikel S. 18). „Doch wie definiert die EU-Kommission eigentlich Qualität, wenn sie nicht einmal nachweisen kann, was sie unter Evidenz versteht?“, fragte Engel. Bei allen Studien zeige sich, wie schwierig es sei, den Qualitätsbegriff eindeutig zu definieren. Sein Fazit: „Bei der Umsetzung der Richtlinie ist der nationale Gesetzgeber aufgerufen, mit Augenmaß zu handeln und der in der Richtlinie bereits verankerten Sonderrolle der Gesundheitsberufe gerecht zu werden. Unsere Forderung an die Politik ist einfach: keine rein ökonomische Betrachtung von beruflicher Regulierung! Andere Parameter, die eine Regulierung notwendig machen, wie etwa der Schutz von Patienten oder Verbrauchern, dürfen nicht an den Rand gedrängt werden.“

Zu Grundsatzfragen des Binnenmarkts und des Gesundheitsbereichs im Vorfeld der Europawahl diskutierten Norbert Lins (CDU), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Europäischen Parlaments, Gaby Bischoff (SPD), Kandidatin für die Europawahl und ehemalige Präsidentin der Arbeitnehmergruppe im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA), sowie Zahnarzt Dr. Wieland Schinnenburg (FDP), Mitglied im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestags.

„Verhältnismäßigkeitsprüfung“

Am 21. Juni 2018 hat der EU-Rat die Richtlinie über die sogenannte Verhältnismäßigkeitsprüfung verabschiedet. Sie soll den Wettbewerb im Dienstleistungsbereich stärken und die grenzüberschreitende Mobilität von Arbeitnehmern fördern. Vorgeschrieben ist darin ein detailliertes Prüfverfahren, bei dem die Mitgliedstaaten die Vereinbarkeit zwischen Berufsregeln und Binnenmarktfreiheiten belegen müssen. Den Heilberufen wurde ein Sonderstatus eingeräumt. Die Umsetzung in nationales Recht muss bis zum Sommer 2020 erfolgen.

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