IQWiG: Vorteile sind mangels geeigneter Studien unklar
Eine Arbeitsgruppe der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) hat im Auftrag des IQWiG untersucht, ob die Behandlungsergebnisse besser oder schlechter ausfallen, wenn vor der ersten Operation einer Lippen-Kiefer-Gaumenspalte die sogenannte Nasoalveolar-Molding-Methode (NAM) angewendet wird: Dabei soll eine individuell angefertigte Kieferplatte mit Nasenelement (Nasensteg) den Spalt mittels Druck- und Zugkräften verkleinern, um die Ausgangslage für die OP zu verbessern.
Zum Hintergrund: Ein allgemein anerkanntes Behandlungskonzept bei Lippen-Kiefer-Gaumenspalten gibt es aktuell nicht. Häufig verschließen MKG-Chirurgen die Lippe im Alter von etwa drei bis sechs Monaten operativ. Vor dem Eingriff versuchen manche gegebenenfalls mittels der NAM-Methode die Schwere der Deformation zu reduzieren. Um die Sprachentwicklung nicht zu behindern, wird der Gaumen in der Regel erst im Alter von 9 bis 18 Monaten verschlossen, mit 6 bis 11 Jahren folgt eine Korrekturoperation.
Wie die Wissenschaftler der MHH nun in ihrem vorläufigen Bericht feststellen, gibt es jedoch bisher keine klinischen Studien, die belastbare Aussagen zu Nutzen und Schaden der NAM zulassen. "In den wenigen verfügbaren Studien werden wichtige Einflüsse auf das Behandlungsergebnis, wie Unterschiede zwischen den Behandlungsgruppen nach Alter bei erster OP und nach Schwere der Deformation, nicht ausreichend berücksichtigt", heißt es in einer Mitteilung.
Störgrößen nicht ausreichend berücksichtigt
Studien mit hoher Aussagesicherheit, also randomisierte kontrollierte Vergleiche zwischen einer Behandlung mit NAM und ohne NAM, gibt es bisher nicht. Was die Arbeitsgruppe der MHH fand, sind vier Studien mit jeweils einer Kontrollgruppe. In ihnen wurde aber nicht berücksichtigt, dass sich die Kinder mit NAM- und jene ohne NAM-Behandlung unterschieden - etwa in Hinblick auf das Alter bei der ersten Operation oder bezüglich der Ausprägung der Spaltbildung. "Das könnte die Behandlungsergebnisse beeinflusst haben", vermuten die Wissenschaftler. Aussagen zum Nutzen oder Schaden der NAM lassen sich aus diesen Studien demnach nicht ableiten.
Aspekte wie Schmerzen, Sprechen oder Atmung fehlen ebenfalls
Ohnehin berücksichtigten diese Studien ausschließlich Parameter zur Gesichtsästhetik, darunter die Symmetrie des Gesichts. Wichtige andere Aspekte wurden nicht erhoben. Für Schmerz gilt das ebenso wie für Sprechen, Atmung, Gehör oder die soziale und emotionale Entwicklung. Untersuchungen, die die Patienten über einen längeren Zeitraum vergleichen, gibt es ebenfalls nicht. Die Arbeitsgruppe der MHH konstatiert in ihrem Berichtsentwurf erheblichen Forschungsbedarf und fordert Studien mit hoher Aussagesicherheit.
Noch keine regelhafte Kassenleistung
In Deutschland gibt es bisher nur wenige spezialisierte Kliniken, in denen MGK-Chirurgen die NAM regelmäßig anwenden. Die betroffenen Kinder und ihre Eltern müssen zur Kontrolle und Anpassung der NAM-Apparatur 12 bis 16 zusätzliche Termine wahrnehmen. Die Mehrkosten in Höhe von 900 Euro bis 1.400 Euro übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen dabei nicht regelhaft.