„The Dentist“

Gefangen in der Zahnarztpraxis

nl/mb
Der fiese Zahnarzt ist wieder da. Der seine Patienten gegen deren Willen überdosiert betäubt und in seinem ganz speziellen Behandlungsraum heimlich ein paar kleine Experimente durchführt. Der es ausnutzt, dass seine Patienten ihm wehrlos ausgeliefert sind. Es ist lange her, dass man den Zahnarzt als so bösen Buben denken musste. Nichts wie raus hier!

„Nach einer Lachgasbehandlung wachen Sie im Wartezimmer der Zahnarztpraxis auf. Die Praxistür ist abgeschlossen, die Tür zum Behandlungsraum ebenfalls zu, nur die Bürotür von Dr. Siènski steht offen. Das Telefon klingelt. Da niemand zu sehen ist, nehmen Sie das Gespräch an. Am Apparat: Die Sekretärin von Siènski, ihrem Zahnarzt; sie spricht hastig und aufgeregt. Ihr Chef experimentiere schon lange mit Röntgenstrahlen. Viele Patienten seien sehr krank geworden, einige gar auf mysteriöse Weise verstorben. Dr. Siènski betäube seine Patienten im Wartezimmer durch die Einleitung von hochdosiertem Lachgas, bevor er an ihnen Experimente durchführe. Die einzige Möglichkeit zu entkommen sei, den Haupthahn für die Lachgaszufuhr abzudrehen. Dazu müsse aber zunächst der Code für den Aktenschrank ermittelt werden. Darin finde man erste Beweise sowie den Zugangscode für Dr. Siènskis speziellen Behandlungsraum, in dem die Experimente stattfinden. Dort gebe es dann Hinweise auf einen weiteren Code, um zum Haupthahn für die Lachgaszufuhr zu gelangen. Allerdings bleibe nur eine Stunde Zeit, bis das Lachgas eingeleitet wird. Dann komme auch Siènski zurück …“

Mit diesem Horrorszenario startet „The Dentist“ – die Brettspielerweiterung von Escape Room.

Die Zeit läuft ...

Die zm-Redaktion hat das Spiel ausgepackt und ist eingetaucht in die düstere Welt des Dr. Siènski. Wir wollten herausfinden, ob und wie viel zahnmedizinisches Wissen nötig ist, um Siènski das Handwerk zu legen. Und wie – nun ja – realistisch die Spielidee umgesetzt wurde. Taugt das Spiel als Team-Event für Ihr Praxisteam? Wir öffnen also den ersten Umschlag, die Zeit läuft …

Neben einem Grundriss der Praxisräume im Zwanzigerjahre-Look beinhaltet der erste Umschlag ein detailliertes Zahnschema des Milch- und des bleibenden Gebisses und den Terminkalender von Dr. Siènski. Zuerst sind wir mit unserem zahnmedizinischen Wissen den beiliegenden Hinweiskarten einige Schritte voraus, gefühlt machen wir Zeit gut, weil wir „vom Fach“ sind. Die gewonnene Zeit verlieren wir aber wieder bei der Suche nach Zahn 19 – und müssen nach 30 Minuten schließlich die Lösungskarte zurate ziehen. Überraschend simpel ist dann die Auflösung des ersten Rätsels – da haben wir wohl „zu zahnmedizinisch“ gedacht.

Im zweiten Umschlag – im Aktenschrank von Dr. Siènski – finden wir diverse Zahnfilme, die echten Zahnfilmen verblüffend ähnlich sehen und uns Hinweise auf seine Experimente liefern sollen. Wir müssen die Röntgenbilder den richtigen Patienten zuordnen und sie dann richtig lesen, um den zweiten Code zu knacken. Die schaurige Atmosphäre des Spiels wird durch einen Zeitungsausschnitt mit Todesanzeigen aufrechterhalten, die das mysteriöse Ableben einiger Patienten belegen. Auch bei der zweiten Etappe sind wir der richtigen Lösung ganz nah, liegen aber erneut knapp daneben. Erst die helfende Lösungskarte bringt uns zum letzten Rätsel.

Nun befinden wir uns endlich im speziellen Behandlungsraum des Dr. Siènski. Die Atmosphäre, die das Bild des Raums vermittelt, den wir aus dem dritten Umschlag ziehen, gleicht eher einer Gefängniszelle denn einem patientenfreundlichen Behandlungsraum, gepaart mit dem Vintage-Charme des Labors von Dr. Jekyll. Es wird noch einmal ein bisschen „zahnmedizinischer“, wieder hilft uns unser Background ein wenig, doch die Uhr tickt, die Zeit wird knapp. Dr. Siènski kommt zurück, schließt die Praxistür auf… und die zm-Redaktion versinkt im Dunst des hochdosierten N2O …

Meinung der Redaktion:

Nach 60 Minuten spannender Rätsel müssen wir zähneknirschend konzedieren, dass wir den maliziösen Zahnarzt nicht überwältigen konnten. Die Retro-Aufmachung dieser Grusel-Praxis weckt, trotz realistischer Darstellung der Räumlichkeiten und fachlich korrekter Elemente, wenig Assoziation mit einem normalen Zahnarztbesuch. Unser zahnmedizinisches Grundwissen, von dem wir glaubten, es würde uns schneller zur Lösung der Mission führen, hat uns zwischendurch geholfen, erwies sich aber manchmal auch als eher hinderlich – da hätten wir einfacher, spielimmanenter denken müssen. Das Spiel ist so aufgebaut, dass es mehr durch logisches Denken, Intuition und Spielerfahrung als durch Fachkenntnisse zu bewältigen ist. Die vermeintlich ausgeklügelten Rätsel schienen uns an mancher Stelle ein wenig verworren, so dass wir nach (erfolgloser) Beendigung des Spiels die Lösung online recherchieren mussten, um alle Schritte nachvollziehen zu können. Die angegebene Schwierigkeitsstufe 4 ist offensichtlich nur etwas für fortgeschrittene Patienten, äh Escape-Room-Legends.

Escape Games und „Escape Room – das Spiel“

Die ersten Live-Escape-Games entstanden 2007 in Japan, in Deutschland folgte 2013 als erste Stadt München, zwei Monate später Köln. Und der Freizeitkick ging hier voll durch die Decke: Mittlerweile gibt es allein in Deutschland 370 Anbieter mit 954 Escape Rooms in 179 deutschen Städten [www.escaperoomgames.de]. Im Netz kann man T-Shirts bestellen, die einen als „Escape Room Master“ oder „Escape Room Legend“ ausweisen. Anfang Januar kam in den USA und Ende Februar in Deutschland die erste große Hollywood-Produktion (nach verschiedenen Billig-Produktionen) „Escape Room“ ins Kino, der deutsche Kinostart für Teil 2 – obwohl noch nicht gedreht – steht schon fest, es ist der 16. April 2020. Andere Spieleverlage reiten mit verschiedenen Exit-Games dieselbe Welle.

Immer geht es darum, den Kampf gegen die Zeit zu gewinnen, um seine Freiheit wiederzuerlangen – da sind eine Menge Spielideen möglich. Alles, was Angst macht oder bedrohlich wirkt, geht. Da ist jemandem dann der böse Zahnarzt – „The Dentist“ – eingefallen, der (Lach-)Gas ins Wartezimmer einleitet. Dr. Siènski weckt die längst verblasste Erinnerung an den bösesten Zahnarzt der Filmgeschichte. Vor über 40 Jahren war es in dem US-Spielfilm „Marathon Man“ (deutsch „Der Marathon-Mann“) Laurence Olivier als Dr. Christian Szell, der Dustin Hoffman im Zahnarztstuhl folterte, um ein Geständnis zu erzwingen. Szell wollte wissen, wo die Diamanten versteckt sind, die er als KZ-Zahnarzt jüdischen Gefangenen – bevor das Gas eingeleitet wurde – abgepresst hatte. Es ist, als hätten diese legendäre Folterszene und die dämonische Figur des fiesen Zahnarztes Pate gestanden für die Escape-Room-Spielerweiterung.

nl/mb

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