Fortbildungsteil Digitale Zahnmedizin

3-D-gedruckte Restaurationen als neue Therapiemöglichkeit

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Florian Beuer
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Die Entwicklungen im Bereich des dentalen 3-D-Drucks sind inzwischen so weit fortgeschritten, dass die – über das experimentelle Stadium hinausgehende – klinische Anwendung in Sichtweite kommt. Die Technologie verspricht ästhetische, preisgünstige und schnelle definitive Versorgungen. Erste klinische Studien hierzu werden an der Charité – Universitätsmedizin Berlin durchgeführt. Besonderes Augenmerk liegt auf der Erprobung eines keramisch gefüllten Hybridmaterials in Bezug auf dessen Farbstabilität und Verschleißverhalten.

Zu den großen Fortschritten in der Zahnmedizin durch die Einführung der CAD/CAM-Technologie (computer-aided design / computer-aided manufacturing) gehört die Etablierung von Zirkondioxidkeramik als Zahnersatzwerkstoff. Erst durch die Verbreitung industrieller Fräsanlagen im Dentalbereich konnte das Material umfangreich in der Zahnmedizin Anwendung finden. Der große Vorteil des Materials besteht darin, im Zweifelsfall vollkommen metallfreie Versorgungen zu ermöglichen. Es erlaubt den vollkeramischen Einsatz im belasteten Seitenzahnbereich ebenso wie vergrößerte Brückenspannweiten. Auch als Material für enossale Implantate findet es zunehmend Verwendung. Es ist sicher nicht übertrieben davon auszugehen, dass der Siegeszug der CAD/CAM-Technologie und hier insbesondere die subtraktive Fertigung wesentlich mit dem Erfolg von Zirkondioxid verbunden ist und umgekehrt. Die Qualität von auf diesem Weg erstelltem Zahnersatz hat inzwischen ein derart hohes Niveau erreicht, dass größere Entwicklungssprünge in den vergangenen Jahren ausgeblieben sind und in naher Zukunft auch nicht erwartet werden.

Der größte Nachteil der CAD/CAM-gestützten subtraktiven Fertigung besteht jedoch darin, dass nur ein Bruchteil des in der Regel sehr hochwertigen Materials am Ende das Werkstück bildet und nicht zerspant wird. Damit einhergehend besteht – abhängig vom Material – teilweise ein hoher Verschleiß der Fräswerkzeuge.

Die additive CAD/CAM-unterstützte Fertigung hat deshalb insbesondere für die Herstellung von Schienen, Schablonen, individuellen Abformträgern und Einsetzschlüsseln bei großen prothetischen Rehabilitationen Verbreitung gefunden. Wirtschaftlich ist dies interessant, aber eine zahnmedizinische Therapieerweiterung lässt sich bislang hieraus nicht ableiten. Dies könnte sich nun ändern.

Seit einigen Jahren werden 3-D-Druck-Materialien für temporäre Versorgungen für die beliebten DLP- und SLA-Drucker (Tabelle 1) angeboten (zum Beispiel VarseoSmile Temp, BEGO, Bremen, Deutschland) – seit Februar 2020 sogar keramisch gefüllte Hybridmaterialien für definitive Restaurationen (VarseoSmile Crown plus, BEGO, Bremen, Deutschland). Sie erlauben die Herstellung von definitivem Zahnersatz wie Einzelzahnkronen, Inlays, Onlays und Veneers sowie von mehrgliedrigen Brücken als provisorische Versorgung. Sowohl natürliche Zähne als auch Implantate können als Pfeiler genutzt werden.

Werkstoffkundliche Aspekte

Das klinische Verschleißverhalten und die Farbveränderungen von 3-D-gedruckten Restaurationen wurden bisher wissenschaftlich nicht untersucht. Untersucht wurde dagegen das Abrasionsverhalten von ungefüllten Kompositen im Vergleich zu Keramiken – in vivo wie auch in vitro [Güth et al., 2019; De Angelis et al., 2020; Dederichs et al., 2020; Hao et al., 2018]. Allerdings wurden hier keine 3-D-gedruckten Restaurationen und auch kein keramisch gefülltes Hybridmaterial verwendet, so dass eine Vergleichbarkeit zu den Untersuchungen des Autorenteams nur schwer möglich ist. Bei dem an der Charité verwendeten Hybridmaterial VarseoSmile Crown plus handelt es sich um eine Kompositematrix, die mit Keramikpartikeln gefüllt ist. Der Gesamtanteil an anorganischen Füllstoffen (Partikelgröße 0,7 μm) beträgt 30 bis 50 Massen-Prozent. Dieses Material zeichnet sich durch eine niedrige Alterungs- und Verfärbungsneigung aus. Die Anfertigung von ästhetisch hochansprechenden Restaurationen ist möglich. Diverse, ans bekannte VITA®-classical-System angelehnte Farbtöne (A1 bis D4) stehen zur Verfügung. In-vitro-Studien belegen hohe Bruchlasten und zahnähnliche Abrasionseigenschaften. Bereits geringste Wanddicken von nur 1 mm führen bei einer hohen Biegefestigkeit von 116 MPa bis 150 MPa (abhängig vom Fertigungs- beziehungsweise Bearbeitungsprozess) und einem Elastizitätsmodul von 4.090 MPa zu einer hohen Formstabilität und Festigkeit der Restauration. Die Wasserlöslichkeit liegt bei < 1 µg/mm3. Dieser niedrige Wert vermindert Verfärbungen durch Nahrungsmittel und Getränke. Eine Befestigung mit dualhärtenden Befestigungskompositen wird empfohlen. Bei dieser Zementierungsart konnten in Abzugsversuchen mit Kräften zwischen 800 bis 1.000 Newton (ohne und nach Kausimulation) keine Dezementierungen beobachtet werden. Auch ein Auswaschen des Befestigungskomposites oder ein sich bildender Randspalt konnte nicht nachgewiesen werden. Spannungen auf die Zementfuge sind durch angenäherte Wärmeausdehnungskoeffizienten vermindert. Eine hohe Biokompatibilität und eine dementsprechend geringe Zytotoxizität führten zur Zulassung als Medizinprodukt der Klasse IIa.

Additive versus subtraktive Herstellung

Das neue keramisch gefüllte Hybridmaterial ist für die additive Herstellung vorgesehen. Im Vergleich zu subtraktiv zu bearbeitenden Hybridkeramiken erfolgt die Herstellung der Restaurationen schneller. Der 3-D-Druck als additives Verfahren führt außerdem zu einem weit geringeren Materialverlust. Lediglich die Supportstrukturen sind nicht weiter zu verwenden. Der Materialaufwand kann so deutlich reduziert werden. Für eine definitive Krone fallen Materialkosten von weniger als zwei Euro bei einer Materialnutzung von weniger als zwei Gramm pro Restauration an.

Patientenfall 1

Eine 19-jährige Patientin mit nicht angelegten seitlichen Schneidezähnen im Oberkiefer wurde kieferorthopädisch dahingehend vorbehandelt, dass die Zähne 13 und 23 an die Position der oberen seitlichen Schneidezähne bewegt wurden. Außerdem wurden alle Zähne lückig positioniert, um ein ausreichendes Platzangebot für eine non-invasive prothetische Versorgung zu schaffen. Der zahnärztliche Befund zeigte ein kariesfreies Gebiss bei guter Mundhygiene. Im Bereich der Eckzähne wurden Implantate gesetzt.

Nach erfolgter Osseointegration erfolgte die prothetische Versorgung in regio 13–23 mit 3-D-gedruckten Kompositrestaurationen (VarseoSmile Crownplus, Firma Bego, Bremen, Deutschland) unter Nutzung des Varseo XS-Druckers (Firma Bego, Bremen, Deutschland). Hierfür wurde ein Intraoralscan (Primescan, Dentsply Sirona Deutschland GmbH, Bensheim, Deutschland) durchgeführt. Die entsprechenden Scanbodies wurden für die Implantate beim Scan verwendet. Die fertigen zahngetragenen Restaurationen wurden anschließend mittels Konditionierung des Schmelzes (37-prozentige Phosphorsäureätzung) und Applikation eines selbstätzenden Adhäsivs auf Schmelz und Dentin (Scotchbond™ Universal, 3M ESPE, Dental Products, Minnesota, USA) durch Verklebung (RelyX™ Ultimate, 3M ESPE, Dental Products, Minnesota, USA) auf den Zähnen befestigt. Die implantatgetragenen Restaurationen regio 13 und 23 wurden verschraubt.

Abb. 1: Ausgangssituation | Charité

Abb. 2: Ausgangssituation | Charité

Abb. 3: Oberkiefer-Aufsicht der Ausgangssituation | Charité

Abb. 4: Fertige Restaurationen | Charité