Resonanz auf das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz

„Eine Loose-loose-Situation!“

Der Protest im Vorfeld war groß. Trotzdem hat das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) nach dem Bundestag nun auch den Bundesrat passiert. Ärzte, Zahnärzte, Krankenkassen, Apotheken und die Pharmabranche fühlen sich von der Politik im Regen stehen gelassen. Grundsätzliche Finanzprobleme der GKV seien nicht gelöst, stattdessen gebe es massive Nachteile und Leistungskürzungen, die auf dem Rücken der Patienten ausgetragen würden, lautet die Kritik.

Von einem „Frontalangriff auf die präventive Patientenversorgung“ spricht die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV). Das GKV-FinStG sieht im zahnärztlichen Bereich vor, dass mit der strikten Budgetierung der Versorgung für 2023 und 2024 die erst kürzlich zugesagten Mittel für die neue, präventionsorientierte Parodontitis-Therapie wieder entzogen werden. Ausnahmen soll es nur für vulnerable Gruppen geben.

Zahnärzte: fassungslos!

 Scharfe Kritik übte die Ärzteschaft vor allem an der Abschaffung der Neupatientenregelung. Bereits im Vorfeld des Bundestagsbeschlusses am 20. Oktober gab es bundesweite Protestaktionen. Die Apotheker monierten die Erhöhung des Apothekenabschlags. Aus Sicht der Pharmabranche ist der Standort Deutschland in Gefahr. Und für die Krankenkassen bietet das neue Gesetz keine Lösung, um die GKV-Finanzprobleme in den Griff zu bekommen. Dennoch hat das Gesetz am 28. Oktober jetzt auch der Bundesrat gebilligt und es tritt zeitnah in Kraft.

Ärzte: Maẞlos enttäuscht

Die Abschaffung der Neupatientenregelung in Kombination mit der Beschränkung der Finanzierung der offenen Sprechstunde führe dazu, die Lage der ohnehin chronisch unterfinanzierten ambulanten Versorgung weiter zu verschlechtern, monierte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen. Die KBV rügt die massiven Leistungskürzungen für die Patienten. Die Kollegenschaft sei frustriert und maßlos enttäuscht von diesem Beschluss. Die KBV geht davon aus, dass es in den nächsten Wochen zu weiteren Protesten gegen die Streichung der Neupatientenregelung kommen wird.

Für den Spitzenverband Fachärzte Deutschland (SpiFA) löst das Gesetz keine Probleme. „Es mag die Finanzlage der Krankenkassen im kommenden Jahr stabilisieren, das Gesundheitswesen selbst hingegen wird geschwächt,“ sagte der Vorsitzende Dr. Dirk Heinrich.

kassen: Kosten sind unfair verteilt

Bereits im Vorfeld der Abstimmung im Bundestag hatten die Krankenkassenverbände – der Verband der Ersatzkassen (vdek), der AOK-Bundesverband, der BKK-Dachverband, die IKK und die Knappschaft an die Abgeordneten appelliert, die Refinanzierung der 17 Milliarden Euro-Lücke 2023 in der GKV fair zu verteilen. Denn auch wenn die Anhebung des Zusatzbeitragssatzes oder die Abschmelzung der Kassenreserven geringer ausfallen sollten als von der Bundesregierung gedacht, seien es nach wie vor die Beitragszahlenden, die für den Löwenanteil aufkommen sollen.

Das Gesetz biete auch keine Lösungen für eine nachhaltige Finanzierung. Die Krankenkassenverbände forderten den Bund deshalb auf, endlich kostendeckende Beiträge für die Gesundheitsversorgung für ALG-II-Beziehende zu zahlen. Auch die Entscheidung, die Mehrwertsteuer auf Arzneimittel von 19 auf sieben Prozent abzusenken, hätte demnach ins GKV-FinStG gehört. Allein diese beiden Maßnahmen hätten die GKV um 15 Milliarden Euro entlasten und die Basis für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung bereiten können. Stattdessen sehe das Gesetz vor, Beitragsreserven bei den Krankenkassen abzuschmelzen und Beitragsmittel aus dem Gesundheitsfonds abzuschöpfen.

Apotheker: Wir sind Keine Kostentreiber!

Der Abschlag, den Apotheken der gesetzlichen Krankenversicherung für jedes rezeptpflichtige Arzneimittel einräumen müssen, wird von 1,77 auf 2,00 Euro steigen. Das entspricht einer Belastung der bundesweit 18.000 Apotheken in Höhe von 120 Millionen Euro pro Jahr netto, rechnete die ABDA-Präsidentin Gabriele Regina Overwiening vor: „Die Apotheken sind keine Kostentreiber. Unser Anteil an den jährlichen GKV-Ausgaben liegt bei 1,9 Prozent. Seit 2005 ist die Tendenz sinkend. Das sind Fakten, die neben der Politik auch der GKV-Spitzenverband endlich anerkennen muss.“ Bereits im Vorfeld der Verabschiedung im Bundestag hatten Apotheken im Saarland, in Schleswig-Holstein, Hamburg und Brandenburg am 19. Oktober aus Protest bereits mittags geschlossen.

Der Bundesverband der Arzneimittelhersteller (BAH) sorgt sich um die Versorgung der Patienten mit innovativen Arzneimitteln und um den Standort Deutschland. „Die Krisen sind allgegenwärtig, umso wichtiger wäre es gewesen, für die Unternehmen keine zusätzlichen Belastungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro zu beschließen. Vielmehr wäre die Chance zu ergreifen, die Arzneimittelversorgung der Menschen sowie den Pharmastandort Deutschland zu stärken und zukunftsfest zu gestalten“, fasst Dr. Hubertus Cranz, Hauptgeschäftsführer des Verbands, die Kritik der Branche zusammen.

Pharma: Mehr Belastung geht einfach nicht!

Ein Argument, das auch der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) aufgreift. Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen sagt: „Die Pharmabranche stabilisiert die Finanzen der Krankenkassen mit Milliardenrabatten. Seit 2009 sind es insgesamt 174 Milliarden. Mehr geht einfach nicht, wenn man die Versorgung nicht gefährden will. Übrigens sind wir nicht die einzigen, die vor den negativen Effekten des Gesetzes warnen. Fast alle Stakeholder sehen darin massive Nachteile für die Gesundheitsversorgung. Wir haben eine echte Loose-loose-Situation!”

Dr. Wolfgang Eßer

„Das ist faktisch das Aus für diese Behandlung!“

Der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer zeigte sich angesichts der beschlossenen Regelungen fassungslos: „In zahlreichen Gesprächen und in der Expertenanhörung im Bundestag wurde klar dargelegt, dass die strikte Budgetierung das faktische Aus für diese wichtige Behandlung bedeutet. So wichtig die Versorgung vulnerabler Gruppen ist, eine Ausnahmeregelung für die Parodontitis-Therapie hätte alle GKV-Versicherten einschließen müssen. Die weit überwiegende Mehrheit der Patientinnen und Patienten, die dringend auf eine wirksame und auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft basierende Behandlung angewiesen ist, bleibt mit dieser Entscheidung auf der Strecke.“

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