Aus der Wissenschaft

Hyaluronsäure in der nicht-chirurgischen Therapie parodontaler Defekte

Søren Jepsen
Seit einigen Jahren ist ein „Hype“ um die Anwendung von Hyaluronsäure-Präparaten in der parodontalen Therapie zu beobachten. Was hat es damit auf sich – was ist durch Evidenz belegt? Eine neue randomisierte klinische Studie hat die adjuvante Applikation von vernetzter Hyaluronsäure im Rahmen der minimalinvasiven nicht-chirurgischen Therapie intraossärer Defekte getestet.

Die konventionelle Parodontalbehandlung konzentriert sich auf die subgingivale Instrumentierung zur professionellen mechanischen Biofilmentfernung, die sich als wirksames Mittel zur Kontrolle des Krankheitsverlaufs und zur Wiederherstellung der parodontalen Gesundheit erwiesen hat. Im Fall von residualen Taschen mit Sondierungstiefen ≥5 mm, die mit intraossären Defekten verbunden sind, die durch vertikalen Knochenverlust gekennzeichnet sind, wird der Behandlungsansatz komplexer. In der Regel ist ein chirurgischer Eingriff die bevorzugte Methode zur Behandlung dieser Defekte, bei denen verschiedene Biomaterialien zur Förderung der parodontalen Regeneration verwendet werden.

In den vergangenen Jahren wurden minimal-invasive nicht-chirurgische Techniken (minimally invasive nonsurgical treatment = MINST) als alternativer Ansatz zur Behandlung von intra­ossären Defekten untersucht. MINST verwendet eine schonende mechanische Instrumentierung mit feinen Ultraschallspitzen und Mini-Küretten, die oft unter Vergrößerung durchgeführt werden. Darüber hinaus wurde vernetzte Hyaluronsäure (cross-linked hyaluronic acid = xHyA) als ergänzende Behandlungsmethode vorgeschlagen, da sie die Wundheilung verbessern, Blutgerinnsel stabilisieren und antimikrobielle Wirkungen entfalten soll. Mehrere präklinische und klinische Studien deuten darauf hin, dass xHyA die Regeneration des parodontalen Gewebes unterstützen kann, indem es die Zellproliferation, Angiogenese und Osteogenese stimuliert.

Ziel der vorliegenden Studie war es, die klinische Wirksamkeit von MINST mit oder ohne xHyA-Gel bei der Behandlung moderater intraossärer Defekte zu untersuchen, wobei das Hauptaugenmerk auf Veränderungen der Sondierungstiefen und weiteren klinischen und röntgenologischen Parametern über einen Zeitraum von sechs Monaten lag.

Material und Methode

Die Studie wurde als einfach verblindete, parallelarmige, randomisierte, kontrollierte Studie konzipiert. Insgesamt 42 Patienten wurden nach dem Zufallsprinzip der Testgruppe (MINST + xHyA) oder der Kontrollgruppe (MINST allein) zugewiesen.

  • Einschlusskriterien:Alter ≥ 18 Jahre, Diagnose einer Parodontitis im Stadium III oder IV, Vorhandensein moderater interdentaler intraossärer Defekte (ST ≥ 5 mm mit einer intraossären Komponente ≥ 2 mm), einwurzelige Zähne oder Molaren mit einer Furkationsbeteiligung ≤ Klasse I

  • Ausschlusskriterien: systemische Krankheiten, starkes Rauchen (≥10 Zigaretten/Tag), Zahnbeweglichkeit Grad 3, Parodontalbehandlung innerhalb der vergangenen zwölf Monate


Nach Stufe 1 der Parodontaltherapie erfolgte die subgingivale mechanische Instrumentierung mit Ultraschallscaler und Gracey-Mini-Küretten. In der Testgruppewurde nach der subgingivalen Instrumentierung zusätzlich xHyA-Gel in die Tasche appliziert. Als klinische Parameter wurden als Hauptzielgröße die Sondierungstiefe (ST) sowie das klinische Attachmentniveau (CAL), Gingivarezessionen (GR), Blutungen beim Sondieren (BOP), Full-Mouth Plaque Score (FMPS) und Full-Mouth Bleeding Score (FMBS) zu Baseline, nach drei und sechs Monaten gemessen. Röntgenologische Parameter zu Baseline und nach sechs Monaten waren die Defektfüllung (DF) und der röntgenologische Defektwinkel (RDA).

Ergebnisse

Von den 42 eingeschlossenen Patienten beendeten 38 die Studie. Beide Gruppen zeigten statistisch signifikante Verbesserungen in Bezug auf die Reduktion der Sondierungstiefe, den Gewinn an klinischem Attachment und die Reduktion des Sondierungsblutens. Nach drei Monaten zeigte die Testgruppe eine signifikant stärkere Reduktion der Sondierungstiefen und höheren klinischen Attachmentgewinn im Vergleich zur Kontrollgruppe – dieser Unterschied blieb jedoch nach sechs Monaten nicht bestehen. Die Gingivarezession blieb zwischen den Gruppen unverändert, was darauf hinweist, dass keine der beiden Behandlungen zu nennenswerten Veränderungen des Weichgewebes führte.

Die radiologische Auswertung zeigte nach sechs Monaten eine stärkere Defektfüllung in der Testgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe, während sich der radiologische Defektwinkel zwischen den Gruppen nicht signifikant unterschied. Während der Studie wurden keine Nebenwirkungen oder Komplikationen dokumentiert.

Ein höherer Prozentsatz an Stellen erreichte in der Testgruppe nach drei Monaten einen Taschenverschluss (ST ≤4 mm) im Vergleich zur Kontrollgruppe (84,2 Prozent vs. 10,5 Prozent), dieser Vorteil nahm jedoch nach sechs Monaten ab (78,9 Prozent vs. 63,1 Prozent). Insgesamt führten beide Behandlungsprotokolle zu klinisch und radiologisch relevanten Verbesserungen, wobei die adjuvante Applikation von xHyA-Gel zu Beginn einen Vorteil zeigte, der sich im Zeitverlauf abschwächte.

Diskussion

Die sechsmonatige Nachbeobachtungszeit der Studie schränkt die Möglichkeit ein, die langfristigen Ergebnisse zu bewerten. Da es sich um eine Studie an einem einzigen Zentrum handelte, sind die Ergebnisse möglicherweise nicht verallgemeinerbar.

Die Stichprobengröße war zwar angemessen, aber dennoch relativ klein, was die Erkennung feiner Unterschiede zwischen den Gruppen einschränken könnte. Idealerweise wäre in der Kontrollgruppe ein Placebo-Gel verwendet worden, um Behandler und Patienten hinsichtlich der Gruppenzugehörigkeit zu verblinden. Das Fehlen von Patientenangaben (Patient-reported outcomes = PROs)wie zum Beispiel zu Schmerzempfinden und mundgesundheitsbezogener Lebensqualität bedeutet, dass subjektive Erfahrungen bei der Bewertung nicht berücksichtigt werden konnten.

Bedeutung für die Praxis

Die Ergebnisse dieser Studie deuten darauf hin, dass MINST ein wirksamer nicht-chirurgischer Ansatz zur Behandlung moderater intraossärer Defekte ist, der zu signifikanten klinischen und röntgenologischen Verbesserungen führen kann. Die zusätzliche Verwendung von xHyA-Gel verbesserte die frühe Heilung und führte zu besseren Ergebnissen nach drei Monaten; diese Vorteile waren jedoch nach sechs Monaten statistisch nicht mehr signifikant.

Während xHyA-Gel die anfängliche Gewebeheilung offenbar beschleunigen kann, sind seine eventuellen langfristigen Vorteile gegenüber MINST allein noch ungeklärt. Weitere Untersuchungen mit längeren Nachbeobachtungszeiträumen sind erforderlich, um festzustellen, ob xHyA zu nachhaltigen regenerativen Ergebnissen beiträgt.

Kliniker können den Einsatz von xHyA in Fällen in Betracht ziehen, in denen eine schnellere anfängliche Heilung wünschenswert ist, aber seine routinemäßige Anwendung bei intraossären Defekten erfordert eine weitere Prüfung.

Diese Studie unterstützt MINST als praktikable Behandlung für moderate intraossäre Defekte (ST ≥ 5 mm mit einer intraossären Komponente von ≥ 2 mm) und bietet ein kurzfristig günstiges Behandlungsergebnis. Die zusätzliche Verwendung von xHyA kann in Fällen, die eine beschleunigte Heilung erfordern, von Vorteil sein; die langfristigen klinischen Vorteile sind jedoch unklar.

Die Studie:
Iorio-Siciliano V, Blasi A, Mauriello L, Salvi GE, Ramaglia L, Sculean A. Non-Surgical Treatment of Moderate Periodontal Intrabony Defects With Adjunctive Cross-Linked Hyaluronic Acid: A Single-Blinded Randomized Controlled Clinical Trial. J Clin Periodontol. 2025 Feb;52(2):310-322. doi: 10.1111/jcpe.14078.

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Univ.-Prof. Dr. med. dent. Dr. med. Søren Jepsen

Direktor der Poliklinik für
Parodontologie, Zahnerhaltung und
Präventive Zahnheilkunde,
Zentrum für Zahn-, Mund- und Kiefer-
heilkunde, Universitätsklinikum Bonn
Welschnonnenstr. 17, 53111 Bonn

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