Neues Kapitel für die Prävention

Die zahnärztliche Früherkennung kommt ins Gelbe Heft

RA Christian Nobmann, Leiter der Abteilung „Koordination Gemeinsamer Bundesausschuss“ der KZBV
Ab Januar 2026 werden auch zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen für Kinder im „Gelben Heft“ dokumentiert. Das hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) auf Antrag der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) am 15. Mai beschlossen.

Alle Eltern kennen das Gelbe Heft. Ausgehändigt zur Geburt, werden im Kinderuntersuchungsheft (kurz U-Heft) die Ergebnisse aller ärztlichen U-Untersuchungen eingetragen. Dem Gelben Heft kommt damit eine wesentliche Bedeutung im Rahmen der medizinischen Prävention als Informations-, Erinnerungs- und Kommunikationsmedium zu. Entsprechend hoch ist die Teilnahmequote an den ärztlichen U-Untersuchungen. Sie liegt im Schnitt bei über 95 Prozent [Schmidtke et al., 2018]. Dies liegt nicht am Gelben Heft allein, auch die unterschiedlichen Einladungssysteme der Bundesländer tragen dazu bei. Aber die Bedeutung des „Gelben Heftes“ und sein Bekanntheitsgrad sind unbestritten [Haaß et al., 2024]. Es ist ein etablierter und zentraler Baustein der ärztlichen Prävention.

Umso wichtiger ist es, dass nun der G-BA auf Antrag der KZBV und im Einklang mit der Wissenschaft und der zahnärztlichen Kammerwelt am 15. Mai 2025 das Gelbe Heft ergänzt hat: Ab Januar 2026 werden die Ergebnisse der bestehenden sechs zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen ebenfalls im Gelben Heft dokumentiert. Damit wird ein neues Kapitel der Erfolgsgeschichte zahnärztlicher Prävention aufgeschlagen.

Zahnärztliche Prävention wirkt, aber …

Die Ergebnisse der 6. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS • 6)haben gezeigt: Zahnmedizinische Prävention wirkt. Die vielseitigen Mundgesundheitsmaßnahmen der vergangenen Jahrzehnte scheinen sich weiterhin auf den positiven Trend einer verringerten Karieserfahrung auszuwirken. In der Gruppe der Zwölfjährigen sind heute 78 Prozent der Kinder kariesfrei [Jordan et al., 2025].

Gleichwohl zeigt sich, dass sich auf einen kleineren Teil der Kinder die Hauptlast der Karieserkrankungen konzentriert. Dieser Befund wird gestützt, wenn man die Inanspruchnahme der zahnärztlichen Früherkennungsunter­suchungen mit der der ärztlichen vergleicht. Im Gegensatz zu den 95 Prozent bei den U-Untersuchungen liegt die Quote bei der zahnärztlichen Früh­erkennung je nach Untersuchung lediglich zwischen 11,5 und 56 Prozent. Insbesondere die 2019 eingeführten drei Untersuchungen für Kinder zwischen dem sechsten und dem voll­endeten 34. Lebensmonat zur Verhinderung frühkindlicher Karies werden weit unterdurchschnittlich wahrgenommen. Dies ist umso bedenklicher, als dass gerade in diesem Alter der Grundstein für eine lebenslange Zahn- und Mundgesundheit gelegt wird.

Nun hat der G-BA auf Antrag der KZBV gehandelt. Mit der Einführung einheitlicher und verbindlicher Dokumentationsvorgaben für die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen sollen mehrere Ziele erreicht werden:

  • Die „Sichtbarkeit“ der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen für Eltern, Kinderärzte und Zahnärzte wird erhöht, um möglichst alle Kinder vom sechsten Lebensmonat bis zum vollendeten sechsten Lebensjahr zu erreichen.

  • Die Termine für die ärztlichen und die zahnärztlichen Untersuchungen werden gebündelt dargestellt.

  • Die intersektorale Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Zahnärzten wird weiter gestärkt.

  • Eine verbindliche Dokumentation überführt die bestehenden unterschiedlichen Ansätze auf Landesebene in eine einheitliche Lösung.

  • Darauf aufsetzend wird eine höhere Inanspruchnahmerate erwartet.

  • Zugleich werden die Weichen gestellt für eine prospektive Überführung der gesamten Dokumentation in ein digitales Format als Medizinisches Informationsobjekt (MIO).


Z1–Z6, MIO, FU-RL …

Der G-BA hat auf Ebene seiner Richtlinien an zwei Stellen angesetzt: Die zahnärztliche Früherkennungs-Richtlinie (FU-RL) enthält ab dem 1. Januar 2026 die Vorgabe, dass die Ergebnisse der sechs zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen verbindlich im Gelben Heft zu dokumentieren sind. Dazu werden die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen einheitlich und prägnant in Z1 bis Z6 umbenannt und die Zeitintervalle der Untersuchungen nun eindeutig geregelt. Die Intervalle ergaben sich insbesondere für die Z4–Z6 bislang nur mittelbar aus den Abrechnungsvorgaben. Zugleich wird die FU-RL Regelungen vorsehen, die im Vorgriff auf eine anstehende Digitalisierung des Gelben Heftes die Dokumentation in elektronischer Form ermöglichen. Damit sind bereits die Weichen für das MIO „U-Heft“ gestellt. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesgesundheitsministerium seiner Verantwortung nachkommt, und das MIO entsprechend mittels Rechtsverordnung gemäß § 342 Abs. 2c SGB V priorisiert und die vorliegende technische Spezifikation umsetzt [Kassenärztliche Bundesvereinigung].

Die Dokumentation selbst, und damit die verbindliche Vorlage für das Gelbe Heft ist über die Anlage 1 der Kinder-Richtlinie des G-BA geregelt. Für jede der sechs zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen enthält die Dokumentation Elterninformationen, Eintragungsmöglichkeiten für die jeweiligen Untersuchungsitems sowie Grafiken der Zahndurchbruchszeiten. Dabei haben sich Inhalt und Umfang der Untersuchungen nicht geändert.

Statement der DGKiZ zum Gelben Heft

Die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnmedizin (DGKiZ) begrüßt die umfassende Aufnahme der bestehenden sechs zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen in das Gelbe Untersuchungsheft („U-Heft“) und ihre Dokumentation in diesem Heft ausdrücklich. Kariesprävention ist umso erfolgreicher, je früher Präventionsmaßnahmen einsetzen. Die Aufnahme der zahnmedizinischen Belange in das U-Heft wird in hohem Umfang zu einer sehr frühzeitigen individuellen Beratung der Betreuungspersonen beitragen und zu weiteren Implementierungen von maßgeschneiderten Maßnahmen bei Kleinkindern führen. Dabei werden die oralpräventiven Impulse nicht nur frühzeitig gesetzt werden, sondern auch einen höheren Anteil an Kleinkindern erreichen, als dies bislang der Fall ist. Kontinuierlich können so auf das Alter des Kindes und seine orale Situation abgestimmte Informationen an die Betreuungspersonen vermittelt sowie Präventionsmaßnahmen umgesetzt werden.

Durch das Hinzufügen der zahnmedizinischen Inhalte in das U-Heft wird die Aufmerksamkeit der Eltern und Betreuungspersonen verstärkt auf die Zahngesundheit gelenkt. Die hohe Akzeptanz des U-Heftes bei den Eltern und die Frequenz der Untersuchungstermine sind wichtige Parameter, auf deren Grundlage der vorliegende Beschluss zu klinisch relevanten Erfolgen der Kariesprävention führen wird. Dabei steht zu erwarten, dass die Ergänzung des U-Heftes um die sechs zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen dazu führen wird, dass die bislang ungleiche Inanspruchnahme von Präventionsleistungen und die damit verbundene Polarisation der Karieslast den Sozialgradienten der Erkrankung nivellieren wird. Im Endeffekt dürfte der Beschluss des G-BA einen Meilenstein darstellen, um die frühkindliche Karies deutlich zu reduzieren.

Prof. Dr. Ulrich Schiffner, DGKiZ Beirat Prävention

Bei der Erstellung der Dokumentation konnte der G-BA Erfahrungen mit den bestehenden unterschiedlichen Kinderzahnpässen, die von KZVen und Landeszahnärztekammern freiwillig erstellt wurden, in seine Entscheidung einfließen lassen. Die Kinderzahnpässe zeigen, dass die Zahnärzteschaft seit Langem ihrer Verantwortung für die Gesundheit der kleinsten Patienten gerecht wird. Die große inhaltliche Bandbreite sowie die unterschiedliche Verbreitung und Handhabung haben aber gezeigt, dass eine Vereinheitlichung der Dokumentation sinnvoll und notwendig ist. Wichtig ist: Die Kinderzahnpässe, die bislang von den Zahnärztekammern der Länder und KZVen herausgegeben wurden, können neben dem neuen Gelben Heft ergänzend weiterhin verwendet werden. Hier finden sich oft hilfreiche weiterführende Informationen und Begriffserklärungen für die Eltern.

Prävention muss gemeinsam gestaltet werden

Die einheitliche Dokumentation über Anlage 1 der Kinder-Richtlinie ist damit das Herzstück der Neuregelungen. Mit diesem Ansatz geht die gemeinsame Selbstverwaltung konsequent den Weg weiter, den sie mit der Einführung der neuen zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen und der ersten Vorgaben zur Vernetzung von Ärzten und Zahnärzten über die Verweise auf die zahnärztlichen Untersuchungen begonnen hat. Zum 1. Januar 2026 werden die Gelben Hefte für die Neugeborenen die neue Dokumentation bereits beinhalten. Für die sich in der Versorgung befindlichen Hefte wird die Dokumentation als Einleger zur Verfügung stehen.

Es bleibt festzustellen: Der Beschluss des G-BA ist ein Meilenstein für die zahnärztliche Prävention. Mit ihm ist zugleich ein Auftrag an den gesamten ambulanten Sektor, die an der Geburt beteiligten Institutionen wie Krankenhäuser und Hebammen sowie an die Wissenschaft verbunden: Eine umfassende Prävention kann nur gelingen, wenn alle an einem Strang ziehen. Es gibt nur eine Gesundheit, gleich welche ärztliche oder zahnärztliche Profession sich ihrer Pflege annimmt.

Damit dieses Ziel erreicht werden kann, bedarf es einer engen Vernetzung aller Beteiligten. Wie das gelingen kann, hat der Beschluss des G-BA eindrucksvoll gezeigt. Selten war die Bewertung durch die wissenschaftlichen Fachgesellschaften in den Stellungnahmen so einheitlich, selten wurde so einvernehmlich auf die Wichtigkeit der Prävention hingewiesen und die Bedeutung einer einheitlichen Dokumentation so hervorgehoben. Damit bietet sich eine große Chance für den zahnärztlichen Berufsstand, diesen Rückenwind zugunsten der Präventionsanstrengungen zu nutzen.

Der Beschluss des G-BA ist unter www.kzbv.de oder www.g-ba.de abrufbar.

Literaturliste

  • Haaß et al.: Evaluation der Kinder-Richtlinie (Uheft-eva) Ergebnisse zur Nutzung des Gelben Hefts, Kinder- und Jugendarzt 2024 (2), 75.

  • Jordan et al.: Karieserfahrung und Versorgung in Deutschland: Ergebnisse der 6. Deutschen Mundgesundheitsstudie (DMS • 6), Deutsche Zahnärztliche Zeitschrift 2025 (2), 90.

  • Kassenärztliche Bundesvereinigung: Technische Spezifikation U-Heft 1.0.1, https://hub.kbv.de/display/UH1X0X1/U-Heft+1.0.1

  • Schmidtke et al.: Inanspruchnahme der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder in Deutschland – Querschnittergebnisse aus KiGGS Welle 2, Journal of Health Monitoring 2018 (4), 68.

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