Eine umstrittene Reform
Was ist die GOÄ?
Die GOÄ regelt nach Informationen des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) die Abrechnung privatärztlicher Leistungen, also medizinischer Leistungen außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie entspricht der Gebührenordnung für Zahnärzte (GOZ), die Grundlage für die Abrechnung privatzahnärztlicher Leistungen ist.
In der GOÄ sind die einzelnen ärztlichen Leistungen mit ihren Bewertungen verzeichnet. Das Leistungsverzeichnis gliedert sich in Grundleistungen (zum Beispiel Beratungen und Untersuchungen), nichtgebietsbezogene Sonderleistungen (zum Beispiel Anlegen von Verbänden und Blutentnahmen) und gebietsbezogene Leistungen (zum Beispiel Behandlungen im Bereich der Chirurgie und Untersuchungen im Bereich der Laboratoriumsmedizin). Die Bundesregierung erlässt die GOÄ mit Zustimmung des Bundesrats als Rechtsverordnung.
„Der Entwurf der Novelle bringt Rechtssicherheit und Transparenz.“
BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt
Die Ausgangslage
Wie das BMG auf seiner Website mitteilt, erfolgte die letzte Novellierung der GOÄ mit Wirkung zum 1. Januar 1996; daher sei eine Überarbeitung erforderlich. Hierzu hatten die Bundesärztekammer (BÄK) und der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV-Verband) einen gemeinsamen Vorschlag als fachliche Grundlage für eine Novellierung erarbeitet.
Die BÄK legte den Delegierten des 129. Deutschen Ärztetags in Leipzig Ende Mai den Entwurf für eine GOÄ-Novelle zur Abstimmung vor. Von der Entscheidung hängt ab, ob der erarbeitete GOÄ-Entwurf als Kompromiss zwischen Ärzteschaft und PKV-Verband akzeptiert und an das BMG übergeben werden kann. Laut BÄK kann lediglich die Bundesregierung im Zuge eines Verordnungsverfahrens eine Reform der Gebührenordnung auf den Weg bringen, denn die GOÄ ist eine staatliche Verordnung.
Ob die Delegierten dem Entwurf zustimmten oder nicht, stand zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht fest. Denn im Vorfeld hatten 25 Fachgesellschaften und Berufsverbände gegen die Novelle mobil gemacht (Lesen Sie mehr dazu auf zm-online!).
Warum hat es so lange gedauert?
Ein Grund liegt für die BÄK darin, dass die Politik eine Einigung zwischen Ärzteschaft und PKV zur Bedingung für eine Novelle gemacht hat. Das Leistungsverzeichnis und die arzteigenen Bewertungen des Entwurfs der GOÄ-Novelle hat die BÄK nach eigenen Angaben gemeinsam mit rund 170 ärztlichen Verbänden erarbeitet.
Wie geht es weiter?
Gibt der Deutsche Ärztetag grünes Licht für den Entwurf der neuen GOÄ, soll er ans BMG mit der Aufforderung übergeben werden, die Novelle einzuleiten. Bis zur Novellierung will ihn die BÄK mit den ärztlichen Verbänden und dem PKV-Verband weiter verbessern. Auch nach Inkrafttreten ist eine Weiterentwicklung durch eine gemeinsame Kommission vorgesehen.
Welche Positionen gibt es?
Bundesärztekammer
Die BÄK hält eine Reform der GOÄ für dringend notwendig. „Es ist Zeit, dieses völlig veraltete Leistungsverzeichnis endlich zu reformieren. Der Entwurf der Novelle bringt Rechtssicherheit und Transparenz“, sagte BÄK-Präsident Dr. Klaus Reinhardt im Mai vor Journalisten in Berlin.
Aus Sicht der BÄK geht es bei der GOÄ-Novelle „um viel mehr als um die Vergütungsregelungen für die Behandlung der Privatversicherten in Deutschland. Es geht um ein Wesensmerkmal des freien ärztlichen Berufs“.
Dass die GOÄ seit Jahrzehnten nicht mehr novelliert wurde, verursache eine Vielzahl praktischer Probleme, Fehlanreize und Abrechnungsstreitigkeiten, so die BÄK. Nun liege nach einem mehrjährigen Prozess ein Entwurf für einen gemeinsamen Novellierungsvorschlag von BÄK und PKV-Verband vor, der „im engen Austausch mit den ärztlichen Berufsverbänden und Fachgesellschaften“ erarbeitet wurde.
Aus dem vorliegenden Novellierungsvorschlag ergibt sich der BÄK zufolge für die Breite der Ärzteschaft eine bessere Vergütung und eine Anpassung des Gebührenverzeichnisses an den medizinischen Fortschritt. Zudem sorge man für mehr Rechtssicherheit und Transparenz – was Ärzten und Patienten zugutekomme. Künftig solle die GOÄ kontinuierlich an die Entwicklung der Medizin und der Kosten angepasst werden.
Wie die BÄK erläutert, geht man von einem Anstieg des Gesamtvolumens der PKV-Ausgaben von 13,2 Prozent innerhalb der ersten drei Jahre nach Inkrafttreten der Novelle aus – das wären rund 1,9 Milliarden Euro. Die große Mehrzahl der Ärzte würde deshalb von einer Umsetzung des jetzt vorliegenden Entwurfs deutlich profitieren.
Wer unterstützt die BÄK-Position?
Für die Verabschiedung der GOÄ-Novelle sprach sich Anfang Mai der Hausärztinnen- und Hausärzteverband (HÄV) bei seiner Frühjahrstagung aus. Die neue Fassung stelle eine „deutliche Verbesserung“ des Status quo dar und solle nach der entsprechenden Beschlussfassung des 129. Deutschen Ärztetages von der Politik zügig verabschiedet und in Kraft gesetzt werden, machte der Verband deutlich.
Rückendeckung kommt auch vom Verband der Privatärztlichen Verrechnungsstellen (PVS-Verband). Vergleichsberechnungen von GOÄalt zu GOÄneu belegten, dass der vorliegende Entwurf die finanzielle Situation von Ärztinnen und Ärzten grundsätzlich verbessern und gleichzeitig dem Ziel eines transparenten und modernen Leistungskatalogs gerecht werde. Dass sich die Bewertungen einzelner Leistungen und Leistungsbereiche dabei künftig vom Status quo unterscheiden können, lasse sich über die künftige gemeinsame Kommission aus Vertretern der BÄK, des PKV-Verbands und der Beihilfe korrigieren. Die derzeit gültige GOÄ spiegele den medizinischen Sachstand der 80er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts wider – daraus resultierten heute zahlreiche praktische Probleme und Fehlanreize für Ärztinnen und Ärzte. Der Vorschlag einzelner Arztgruppen, anstelle einer Novellierung nur die Steigerungssätze oder den Punktwert nach oben anzupassen, würde diese Situation lediglich verschärfen und somit das Grundelement des freien Arztberufs gefährden, so der PVS-Verband.
„Die Disziplinen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden.“
Initiative „GOÄneu – So nicht!“
Initiative „GOÄneu – so nicht!“
Anders sehen das etwa 25 Fachgesellschaften und Berufsverbände, die sich – unter Federführung der Deutschen Röntgengesellschaft – zur Initiative „GOÄneu – So nicht!“ zusammengeschlossen hatten. In einer gemeinsamen Stellungnahme erteilten sie dem Entwurf der GOÄ-Novelle in der aktuellen Fassung eine Absage. Die Unterzeichner bekräftigten zwar, dass eine neue GOÄ notwendig sei, „aber nicht um jeden Preis und nicht auf Kosten der ärztlichen Geschlossenheit“.
Ihre Ablehnung begründeten die Unterzeichner damit, dass die aktuell vorliegende GOÄneu „nicht das Resultat eines innerärztlichen Abstimmungsprozesses“ sei. Von der innerärztlich konsentierten Fassung sei in der jetzt vorgelegten Fassung nicht mehr viel zu erkennen. Vielmehr sei diese allein zwischen der BÄK, dem PKV-Verband und den Beihilfeträgern ausgehandelt worden.
Das Ergebnis sei „in hohem Maße intransparent“, kritisieren die Mitglieder der Initiative. Den zum Teil hohen und überproportionalen Abwertungen von Leistungen fehle eine nachvollziehbare und überzeugende Begründung. Der Grundsatz, dass die Leistungsbewertungen einer betriebswirtschaftlichen Kalkulation folgen sollten, sei „zugunsten einer Volumenbetrachtung verlassen“ worden. Im Ergebnis gebe es „sachlich nicht nachvollziehbare Vergütungsansätze“.
30 Jahre GOÄ in Kürze
Ab 1996: GOÄ ohne relevante Novellierung, Gespräche mit dem PKV-Verband und der Politik seit über 15 Jahren; Politik macht vorhergehende Einigung zwischen BÄK und PKV zur Bedingung für eine Novelle
2017/2018: Verständigung auf Gebührenverzeichnis, Rechtsrahmen und Preiseffekt (Vorbehalt: Gesamteinigung und ordnungspolitische Stabilität)
2021: Fertigstellung einer ärzteeigenen Bewertungsversion
2022/2023: Testbetrieb zu Auswirkungen des Entwurfs einer neuen GOÄ auf die Ausgabenentwicklung
2023: Übergabe der ärzteeigenen Bewertungsversion ans Bundesgesundheitsministerium
2023/2024: Gespräche über die Bewertungen mit dem PKV-Verband, prognostizierter Anstieg des Gesamtvolumens der PKV-Ausgaben von 13,2 Prozent (kein Budget)
2024/2025: Clearingverfahren mit BV/FG mit sachgerechten Anpassungen des Reformentwurfs
27.–30. Mai 2025: Delegierte des 129. Deutschen Ärztetages stimmen über Reformentwurf ab.
Die Absenkung der Vergütungssätze führe zu einer unterschiedlichen Vergütung der ärztlichen Arbeitszeit. „Die Disziplinen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden“, betonen die Unterzeichner. Abschließend fordern sie grundlegende Korrekturen der aktuellen Fassung der GOÄ-Novelle.