Das US-Gesundheitssystem unter RFK Jr.

How he makes you sick again!

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Massenentlassungen, Kürzung der Forschungsgelder, Einmischung in die Wissenschaft: Der als Impfgegner und Verschwörungstheoretiker bekanntgewordene Robert F. Kennedy Jr. zerstört in kürzester Zeit mithilfe von Donald Trump und seiner Partei das Gesundheitssystem in den USA. Das Trinkwasser-Fluoridierungsverbot zeigt, wie die evidenzbasierte Medizin systematisch ausgehebelt wird.

Erinnern Sie sich noch an die Geschichte mit dem Bären? Im August 2024 gestand der damalige Präsidentschaftskandidat, dass er vor etwa zehn Jahren einen toten Bären im New Yorker Central Park platziert habe. Eigentlich habe er das von einem Lieferwagen überfahrene Tier mitgenommen, um es zu verwerten. Nach dem Abendessen habe er den Kadaver jedoch im Park abgelegt und die Szene mit einem alten Fahrrad so arrangiert, als sei der Bär angefahren worden. Mittlerweile leitet dieser Mann das US-Gesundheitsministerium. Noch Fragen?

Dieser „RFK Jr.“ will jetzt die oberste US-Gesundheitsbehörde (Centers for Disease Control and Prevention, CDC) anweisen, die Empfehlungen zur Trinkwasser-Fluoridierung zurückzunehmen. Derzeit werden schätzungsweise 200 Millionen US-Amerikaner – etwa zwei Drittel der Bevölkerung – mit fluoridiertem Wasser versorgt, aber etliche Staaten arbeiten bereits an einem Stopp.

So unterzeichnete Floridas republikanische Gouverneur Ron DeSantis am 15. Mai ein Gesetz, das die Beigabe von Fluorid zum Leitungswasser untersagt. Damit ist Florida nach Utah der zweite Bundesstaat in den USA, der ein solches Verbot umsetzt. In Florida gilt die Regelung ab dem 1. Juli, in Utah schon seit dem 7. Mai.

Kariesprävention gilt jetzt als Zwangsmedikation

DeSantis unterschrieb das Gesetz bei einer öffentlichen Veranstaltung in Dade City, Florida, allen Bedenken seitens Zahnärzteverbänden und öffentlichen Gesundheitseinrichtungen zum Trotz. „Ja, Fluorid für die Zähne zu verwenden, ist in Ordnung, aber es in der Wasserversorgung vorzuschreiben, ist im Grunde Zwangsmedikation für die Menschen“, sagte DeSantis. Unterstützt  wurde er von dem Gesundheitsminister Joseph Ladapo. Ladapo stand während der Pandemie landesweit in der Kritik, weil er sich gegen die COVID-19-Impfpflicht gestellt hatte. Ein Veto von Bürgermeisterin Daniella Levine Cava gegen die Pläne wurde im Vorfeld von den County-Bezirksräten überstimmt.

79 Jahre währte die wissenschaftliche Erkenntnis, dass „die Fluoridierung des Wassers DIE wirksamste, sicherste und kostengünstigste Maßnahme der öffentlichen Gesundheit zur Vorbeugung und Behandlung von Karies“ ist, hält die Florida Dental Association (FDA) auf ihrer Website fest. Der gestern noch über alle Zweifel erhabene Standard für die Kariesprävention gilt heute also als Zwangsmedikation.

So wie hier ging auch in Utah der Protest gegen das Verbot unter. Die republikanische Abgeordnete Stephanie Gricius, die den Gesetzentwurf eingebracht hat, hatte ähnlich wie DeSantis argumentiert: Ja, sie bestreite nicht, dass Fluorid gewisse Vorteile haben könne, sei aber der Meinung, dass die Regierung den Menschen Fluorid nicht ohne ihre informierte Zustimmung verabreichen sollte.

Die Utah Dental Association (UDA) hatte daraufhin die Bedeutung von Fluorid für die Mundgesundheit – insbesondere für Kinder und andere vulnerable Bevölkerungsgruppen – noch einmal öffentlich herausgestellt. „Wir wollen, dass jeder die Vorteile von Fluorid kennt, auch wenn sein Wasser nicht fluoridiert wird“, hatte UDA-Präsident Dr. Rodney Thornell klargemacht.

Fluorid nur noch auf Rezept

Aber ohne Erfolg: Ungeachtet des Widerstands von Zahnärzten, Ärzten und und Gesundheitsfachleuten wurde der Gesetzentwurf am 27. März von Utahs republikanischem Gouverneur Spencer Cox unterzeichnet. Das Gesetz HB81 verbietet es Landkreisen und Gemeinden seit dem 7. Mai, das öffentliche Trinkwasser zu fluoridieren. Es erlaubt Apothekern jedoch, bedürftigen Einwohnern Utahs Fluoridpräparate ohne Rezept eines Zahnarztes oder Arztes zu verschreiben. RFK Jr. lobte Utah schließlich dafür, dass es der erste Staat sei, der ein solches Verbot erlassen habe.

Zuvor versorgten 25 Wassersysteme in den Landkreisen Davis und Salt Lake sowie in Brigham City rund 1,6 Millionen Menschen mit Fluorid. Brigham City setzte dem Wasser Fluorid seit den 1960er Jahren zu, Davis County seit 1999 und Salt Lake County seit 2003.

Der Umgang mit der Opioidkrise

Trotz seiner ehemaligen, inzwischen überwundenen Heroinabhängigkeit will US-Gesundheitsminister RFK Jr. Ankündigungen zufolge ein jährlich mit 56 Millionen Dollar finanziertes Programm zur kontrollieren Abgabe von Naxolon einstellen. Das Programm der Substance Abuse and Mental Health Services Administration (SAMHSA) hatte in den vergangenen Jahren die Verteilung des Opioid-Antagonisten an Ersthelfer im ganzen Land organisiert, mehr als 66.000 Personen ausgebildet und allein 2024 mehr als 282.500 Rettungskits verteilt. Das Arzneimittel hebt die Wirkung von Heroin, Fentanyl und anderen Opioiden auf und wird bei Überdosierungen verabreicht, um die Atemdepression aufzuheben, damit die betroffene Person überlebt.

Mehrere Studien zeigen, dass es nach einer Dekade gestiegener Zahlen 2024 erstmals einen Rückgang der Überdosis-Toten von knapp 27 Prozent gegeben hat, den Fachleute teilweise der Ausweitung des Naloxon-Zugangs zuschreiben. Ob sich diese positive Entwicklung ohne das SAMHSA-Programm aufrechterhalten lässt, ist offen.

Die neue Generalärztin bringt „Good Energy“ für Kennedy

Mitte Mai nominierte Donald Trump überraschend die Verschwörungstheoretikerin Casey Means als „Surgeon General“. Der oberste Mediziner des Landes klärt die US-Öffentlichkeit regelmäßig über medizinische Erkenntnisse auf und warnt vor gesundheitlichen Risiken. Und das könnte im Fall von Means dramatische Folgen haben.

Die heute 37-Jährige brach 2019 ihre Facharztausbildung an der Universität Stanford ab – nach eigenen Angaben, weil sie erkannt habe, dass die US-Bevölkerung absichtlich krank gehalten werde, damit sie von den Pharma-Riesen ausgebeutet werden könne. Noch im selben Jahr gründete sie ein Health-Tech-Unternehmen namens Levels, das Geräte für eine kontinuierliche Blutzuckermessung für den Heimgebrauch vertreibt. Means preist ihre Produkte gegenüber ihren 800.000 Instagram-Followern immer wieder als ultimatives Gesundheitsgadget an, nicht nur für Menschen mit Diabetes. Vielleicht ist es Zufall, dass Robert Kennedy Jr. vergangenen Monat vorschlug, die US-Regierung solle im Kampf gegen die Adipositasepidemie im Land die Kosten für solche Geräte für bestimmte Patientengruppen übernehmen, anstatt Arzneimittel zur Gewichtsreduzierung zu finanzieren.

Gemeinsam mit ihrem Bruder veröffentlichte Means 2024 ein Buch mit dem Titel „Good Energy“, in dem sie beschreibt, dass schlechte Ernährung und sitzenden Lebensweise „schlechte Energie“ produzieren, die wiederum Ursache für eine Vielzahl chronischer Krankheiten sei. Nach Means Darstellung sind rund 90 Prozent aller Todesfälle in den USA vermeidbar, wenn diese zugrundeliegenden Stoffwechselprobleme durch „Gute Energie“ gelöst werden.

Die Forschung wird rasiert

Trumps Mitte Mai fertiggestellter Haushaltsentwurf für 2026 sieht historisch einmalige Kürzungen für die US-amerikanische Forschung vor: Der National Science Foundation (NSF) stehen Kürzungen um 56 Prozent des Jahresbudgets bevor, die National Institutes of Health sollen rund 37 Prozent weniger erhalten. Auch die Ausgaben der Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) sollen um rund die Hälfte gekürzt werden.

Bereits Ende März hatte das US-Gesundheitsministerium HHS eine dramatische Umstrukturierung angekündigt, die jährlich zu Einsparungen von 1,8 Milliarden US-Dollar führen soll. Dazu soll die Belegschaft des Ministeriums durch Entlassungen und Frühverrentungen von 82.000 auf 62.000 Vollzeitbeschäftigte reduziert werden. Gleichzeitig soll die Zahl der Abteilungen von derzeit 28 auf 15 sowie die Zahl der Regionalbüros von zehn auf fünf sinken.

So tickt RFK Jr.

Robert Francis Kennedy Junior wurde 1954 in Washington D.C. geboren. Er gehört zur Kennedy-Familie und wurde als Umwelt-Anwalt und Umweltaktivist bekannt. 2024 kandidierte er bei der US-Präsidentschaftswahl, zunächst als Demokrat, dann als Parteiloser. Im August 2024 setzte er seinen Wahlkampf aus und unterstützte fortan Donald Trump. Seit Februar 2025 ist RFK Jr. US-Gesundheitsminister im Kabinett Trump II.

Er gilt als Verschwörungstheoretiker und Impfgegner. Nach dem ersten Masern-Todesfall seit Jahren empfahl er überraschenderweise die Impfung – jedoch nur als „persönliche Entscheidung“. Davor riet er zu Vitamin A und Lebertran als Heilmittel. Kennedy verbreitet wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Trotz auch weiterhin, dass Autismus kausal mit Impfungen in Verbindung stehe und dass Bill Gates der Menschheit durch Impfen einen „Chip“ einpflanzen und Bargeld durch einen „Digitalgeld-Chip“ ersetzen wolle, der sich bei Impfverweigerung abschalte.

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Nach Angaben der CDC lag Utah im Jahr 2022 im Ranking der Bundesstaaten mit Trinkwasser-Fluoridierung auf Platz 44 in den USA. Von den 484 Wasserversorgungssystemen in Utah, die Daten an die Behörde meldeten, wurde Fluorid nur in 66 zugesetzt. Dazu gehörte auch Salt Lake City, die Hauptstadt des Bundesstaates und größte Metropolregion Utahs.

Die UDA forderte die Einwohner von Utah nun dringend auf, sich zu informieren, ihre Zahnärzte zu konsultieren und proaktiv Maßnahmen zum Erhalt ihrer Mundgesundheit zu ergreifen. Auch das Utah Department of Health and Human Services (DHHS) gibt den Bürgern auf seiner Seite Tipps, wie sie die fehlende Trinkwasser-Fluoridierung kompensieren können: „Wir sind uns der positiven Auswirkungen von Fluorid auf die allgemeine Gesundheit bewusst. Auch wenn die Fluoridierung des öffentlichen Wassers nicht mehr möglich sein wird, gibt es Maßnahmen, die das Kariesrisiko senken. Das Gesetz erlaubt nun neben Zahnärzten und Ärzten auch Apothekern, Fluorid zu verschreiben“, informiert Dr. Stacey Swilling, State Dental Director des DHHS. Das DHHS veranstaltet in dem Zusammenhang auch Infotreffen mit Zahnärzten, um die Auswirkungen der House Bill 81 zu besprechen und Möglichkeiten aufzuzeigen, wie die Bürger Utahs Zugang zu Fluorid erhalten und ihre Zähne optimal pflegen können.

Zuckerverzicht statt Fluorid-Tabletten

Derweil plant die Food and Drug Administration (FDA), verschreibungspflichtige Fluorid-Tabletten und -Tropfen für Kinder vom Markt zu nehmen. In ihrer Erklärung vom 13. Mai verweist die FDA auf Studien, die einen angeblichen Zusammenhang zwischen Mineral- und Schilddrüsenerkrankungen, Gewichtszunahme und einem niedrigeren IQ nahelegten. Außerdem hieß es, dass die Einnahme von Fluorid „nachweislich das Darmmikrobiom verändert“.

„Der beste Weg, Karies bei Kindern vorzubeugen, ist die Vermeidung übermäßigen Zuckerkonsums und eine gute Zahnhygiene – nicht die Veränderung des kindlichen Mikrobioms. Fluorid kann Bakterien im Mund und auch wichtige Darmbakterien abtöten“, behauptete der neue FDA-Kommissar Dr. Marty Makary, MPH.

Parallel dazu hatte das US-Gesundheitsministerium (Department of Health and Human Services, HHS) erklärt, dass diese Arzneimittel, die für Kinder im Alter von sechs Monaten bis 16 Jahren angeboten werden, nie von der FDA zugelassen worden seien. Die Behörde wolle bis zum 31. Oktober dazu eine „Sicherheitsüberprüfung“ abschließen und danach „geeignete Maßnahmen“ ergreifen, um die Produkte vom Markt zu nehmen. „Mehrere Staaten haben Maßnahmen ergriffen, um die Fluoridierung des Trinkwassers zu stoppen, und in den meisten europäischen Ländern und anderen Ländern der Welt wird dem Trinkwasser kein Fluorid zugesetzt“, führte das HHS weiter aus.

„Es gibt keine wissenschaftlichen Belege dafür, dass Fluorid in geringen Mengen (<2 mg L–1 NaF beim Menschen) die Darmflora beeinflusst“, korrigierte die American Dental Hygienists' Association (ADHA) umgehend die Aussagen der Behörden. Diese Maßnahme der FDA erfolge zu einem Zeitpunkt, in dem Bundesstaaten wie Utah die Fluoridierung des Trinkwassers abschaffen und damit beispiellose Probleme für die Vorbeugung von Munderkrankungen erzeugen, insbesondere in unterversorgten Bevölkerungsgruppen und ländlichen Gebieten mit eingeschränktem Zugang zur zahnärztlichen Versorgung.

Desinformation, Fake News und Beleidigungen

„Fluorid und regelmäßige Besuche bei der Zahnhygiene bleiben wesentliche Bestandteile einer umfassenden Kariesprävention, insbesondere für diejenigen, denen die Mittel für eine routinemäßige Zahnpflege fehlen“, stellte ADHA-Präsidentin Erin Haley-Hitz richtig. „Wir fordern die politischen Entscheidungsträger dringend auf, die tiefgreifenden Auswirkungen dieser Entscheidungen auf die Mundgesundheit der amerikanischen Bevölkerung zu berücksichtigen!"

Wie es jetzt weitergeht? Bei einem Besuch der FDA sagte Kennedy jüngst, dass der „Deep State“ real sei, verwies auf frühere CIA-Experimente zur Gedankenkontrolle und beschuldigte die Mitarbeiter, sie seien „Marionetten“ (“sock puppets”) der Branchen, die sie regulierten. Für die Zahnmedizin steht jetzt schon fest: He will not make America healthy again.

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