Neue Studie zu Private-Equity-Gesellschaften in der Versorgung

iMVZ feiern immer noch schöne Weihnachten

„Profitorientierte Ketten von Arztpraxen feiern wahrscheinlich ihr letztes schönes Weihnachten“, versprach Ex-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach Ende 2022. Ach ja. Hätte, hätte, Fahrradkette.

Taten ließ er dieser vollmundigen Ankündigung, wie wir alle wissen, nicht folgen, im Gegenteil. Trotz aller Bemühungen von Ärzte-, Zahnärzteschaft und Teilen der Politik, die Geschäftspraktiken der „Heuschrecken“ im Gesundheitswesen einzuhegen: Das entsprechende Gesetz aus dem BMG kam nicht. Übrigens widmet die neue Bundesregierung dem Thema in ihrem Koalitionsvertrag exakt einen Satz.

Mittlerweile betreiben Private-Equity-Gesellschaften in Deutschland mindestens 54 Praxisketten mit fast 50.000 Beschäftigten an gut 2.000 Standorten (Grafik 1). Das zeigt eine neue bundesweite Untersuchung zu Investoren-geführten MVZ.

12 Ketten an 500 Standorten allein in der Zahnmedizin

Dabei sind die 38 Ketten der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung – mit etwa 27.000 Beschäftigten – die größte Gruppe, berichtet Dr. Christoph Scheuplein, Berater bei der Dienstleistungs-GmbH VDI/VDE Innovation + Technik in Berlin, die für Bundes- und Landesministerien, die Europäische Kommission sowie die Finanzwirtschaft und die Industrie arbeitet. Laut seiner Studie sind allein in der zahnmedizinischen Versorgung zwölf Ketten mit rund 12.500 Beschäftigten an 500 Standorten aktiv.

Die Konzerne der ambulanten Versorgung

Seit 2017 geht die Zahl der MVZ in Deutschland rapide nach oben – und mit ihr auch die Anzahl branchenfremder, also nicht-ärztlicher, Investoren als deren Eigentümer. Private-Equity-Gesellschaften sind laut Studie „eine besonders aktive, kapitalkräftige und renditeorientierte Gruppe innerhalb dieser Investoren“. Sie haben Praxisketten aufgebaut, indem sie auf regionaler, aber auch auf Bundesebene viele MVZ oder Arztpraxen zu „Konzernen der ambulanten Versorgung“ zusammengefügt haben. Das treibt den Trend zur Ambulantisierung der Medizin stark voran und dehnt das Aufgabenfeld von MVZ weiter aus.

Die erste Gründungswelle PE-geführter Praxisketten reichte Scheuplein zufolge von 2015 bis 2019, dann ging die Zahl der Neuzulassungen im ersten Pandemie-Jahr stark zurück, um 2021 und 2022 mit 26 Gründungen erneut rasant anzusteigen. Ende 2024 kamen die meisten Private-Equity-geführten Ketten (12) aus der Zahnmedizin, es folgte die Radiologie (8). Die Augenheilkunde brachte es auf die höchste Zahl an einzelnen Praxis-Standorten (504), den zweiten Platz besetzte, genau: die Zahnmedizin (500) (Grafik 2).

Bei den 63 in Deutschland gegründeten Praxisketten zählte Scheuplein bislang 27 Eigentümerwechsel, 23 davon führten zu einer Übernahme durch eine weitere Private-Equity-Gesellschaft. So wurden 15 Ketten an einen Finanzinvestor weiterveräußert, drei gingen sogar in dritte Hände. Und weitere fünf fusionierten im Zuge eines Weiterverkaufs an einen Finanzinvestor mit einer anderen Arztkette, das heißt, sie existieren nicht mehr als selbstständige Arztkette.

Ein externer Investor kann ein MVZ in der vertragsärztlichen ambulanten Versorgung nur dann übernehmen, wenn es von einem Krankenhaus oder einem Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen getragen wird.

§ 95 Absatz 1a SGB V (Scheuplein)

Demgegenüber sieht Scheuplein vier Ausstiege, bei denen sich keine Private-Equity-Gesellschaft einschaltete: Eine Kette wurde an ein Branchenunternehmen verkauft und eine andere ging pleite. Zwei weitere Unternehmen wurden an ihre früheren ärztlichen Eigentümer zurückverkauft.

Die Unternehmenssitze liegen künftig eher im Ausland

Was Scheuplein beobachtet: Die Gründungen diversifizierten sich neuerdings mehr und mehr auf fachlicher Ebene und Private Equity dringe inzwischen auch massiv in die Allgemeinmedizin ein. Er geht davon aus, dass sich die bisherige Akquisitionsstrategie fortsetzt und dass es durch die Käufe und Verkäufe zu einer Internationalisierung der Unternehmenssitze von Praxisketten kommt.

So könnte ein MVZ-Transparenzregister aussehen

Diese Anforderungen hat Autor Christoph Scheuplein an ein MVZ-Transparenzregister:

  • 1. Praxisketten und ihre eigentumsrechtlichen Strukturen stehen im Zentrum des MVZ-Transparenzregisters.

  • 2. Alle MVZ, die eigentumsrechtlich von einer Holding gesteuert werden, müssen einer Praxiskette zugeordnet werden.

  • 3. Die Finanzstruktur muss bis zur kapitalsammelnden Einheit („Fonds“) und der sie verwaltenden Einheit („Private-Equity-Gesellschaft“) verfolgt werden. Da die Kapitalanleger keine Entscheidungen zur Führung der Praxisketten treffen, spielen sie auch für das Register keine Rolle.

  • 4. Ein- und Austritte von MVZ in die Praxiskette brauchen ein fortlaufendes Monitoring. Da sich die „Finanzstruktur“ nur beim Ausstieg oder Wechsel einer Private-Equity-Gesellschaft ändert, muss sie nur zu festgelegten Zeitpunkten, etwa jährlich, überprüft werden.

  • 5. Da die Praxisketten meist überregional agieren, sollten die Daten bundesweit zusammengeführt werden.

  • 6. Die Daten über die Eigentumsstrukturen sollte man mindestens der gesundheitspolitischen Fachöffentlichkeit zur Verfügung stellen und die breitere Öffentlichkeit regelmäßig mit einem Bericht über die Entwicklung informieren.

  • 7. Diskutiert wird der Aufbau des MVZ-Transparenzregisters zumeist als Erweiterung des bestehenden Arztregisters. Da die MVZ-Daten aus den KV-Bezirken bereits bei der KBV und der KZBV zusammengeführt werden, ließe sich mit geringem Aufwand ein zentraler Datenabgleich durchführen.

Für ihn wirft das Geschäftsmodell der Finanzinvestoren eine entscheidende Frage auf: „Bringen die Gewinnmotive der Gesellschaften das ambulante Versorgungssystem in Deutschland, das durch die Solidargemeinschaft des gesetzlich Krankenversicherten getragen wird, langfristig in eine Schieflage?“

Was die Player fordern

In der Debatte um das MVZ-Transparenzregister haben die beteiligten Akteure unterschiedliche Vorstellungen:

  • Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) unter Karl Lauterbach befürwortete eine Erweiterung der bestehenden Arztregister, um Informationen über die Träger von MVZ systematisch zu erfassen, hielt aber zusätzliche separate Datensammlungen für unnötig. Gesellschafter und Träger – inklusive Trägertyp und Rechtsform – eines MVZ sollten explizit in die ärztlichen und zahnärztlichen Zulassungsverordnungen übernommen werden. Schwierigkeiten sah das Ministerium in der Identifizierung der Eigentumsstrukturen bei börsennotierten Unternehmen oder mittelbaren Gesellschaftern. Das BMG war auch für eine „Schilderpflicht“ am Behandlungsort. Ein entsprechender Referentenentwurf des BMG sah 2022 vor, dass Daten über die MVZ-Träger einheitlich und auch für andere Praxisformen erhoben werden, die im Dezember 2024 verabschiedete Verordnung enthielt diese Regelungen jedoch nicht mehr.

  • Der Bundesrat hat 2023 auf Initiative von Bayern, Hamburg, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein eine Entschließung zur Einrichtung eines gesonderten MVZ-Registers angenommen, das von den KZven und KVen geführt werden und nachgelagerte Gesellschafterstrukturen identifizieren soll. Das zugrunde liegende Gutachten der KV Bayerns enthält eine Einsicht für Ärzte und Krankenkassen, der Bundesratsentschluss dehnt diese sogar auf die gesamte Öffentlichkeit aus.

  • Die KV Bayerns plädiert für ein eigenständiges MVZ-Register, das von den KVen verwaltet wird und detaillierte Angaben zu Trägergesellschaften und deren Gesellschaftern enthält. Dabei sollte eine Einsichtsmöglichkeit für Ärzte und Krankenkassen bestehen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung könne die regionalen MVZ-Register zu einem Bundes-MVZ-Register zusammenführen.

  • MVZ-Betreiber und ihre Interessenvertretungen unterstützen die Vorschläge für ein Transparenzregister, lehnen aber weitergehende regulatorische Maßnahmen ab.

  • Patientenorganisationen befürworten eine strengere Regulierung und fordern mehr Transparenz über renditeorientierte Akteure und deren Einfluss auf die ambulante Versorgung.

  • Der KZBV ist zwingend, dass im Gesetz neben einer räumlichen auch eine fachliche iMVZ-Gründungsbeschränkung für Krankenhäuser verankert wird. In Anlehnung an die bei den KZVen und der KZBV geführten Zahnarztregister sollte man zudem eine Rechtsgrundlage für die Einrichtung eines „MVZ-Registers“ auf Bundes- und Landesebene schaffen.

  • Die BZÄK fordert eine ergänzende Regelung im Zahnheilkundegesetz, die juristischen Personen, die Zahnheilkunde anbieten, mehr Patientenschutz auferlegt. Gewährleistet sein müssten die Sicherstellung zahnärztlicher Unabhängigkeit, ausreichender Haftpflichtschutz und eine „50+1-Regel“, nach der die Mehrheit einer Zahnarztpraxis im Besitz einer Zahnärztin oder eines Zahnarztes sein muss.

Scheuplein / KZBV / BZÄK

„Wir erlassen ein Gesetz zur Regulierung investorenbetriebener Medizinischer Versorgungszentren (iMVZ-Regulierungsgesetz), das Transparenz über die Eigentümerstruktur sowie die systemgerechte Verwendung der Beitragsmittel sicherstellt.“

Der einzige Satz im 146-seitigen Koalitionsvertrag zwischen CSU, CDU und SPD zu iMVZ (Seite 107).

Mit einem klaren Ja beantwortet Scheuplein diese Frage nicht, aber: Insgesamt habe sich die Zahl der Private-Equity-geführten Arztketten und der übernommenen MVZ stetig erhöht, ein Ende dieser Entwicklungen sei nicht abzusehen. Er schlägt vor, das breit konsentierte MVZ-Transparenzregister zu einem schlagkräftigen Instrument auszubauen. Sein Fazit: „Finanzinvestoren bleiben ein aktiver Teil der ambulanten Versorgung in Deutschland, was die Notwendigkeit einer verbesserten Transparenz untermauert."

Christoph Scheuplein, Im Fokus, Finanzinvestoren in der ambulanten Versorgung: Wie sollte ein Transparenzregister für Medizinische Versorgungszentren gestaltet werden?, VDI/ VDE Innovation + Technik GmbH, ISBN 978-3-89750-259-8, Berlin, 9. Mai 2025

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