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Phänomen mit tiefgreifenden Folgen für die Mundgesundheit

Wie Dentalscham Menschen vom Zahnarztbesuch abhält

Scham kann laut einer Studie dazu führen, dass Menschen ihre Mundgesundheitsprobleme nicht behandeln lassen. Ein besseres Verständnis des Phänomens jedoch könnte mehr Betroffene ermutigen, sich Hilfe zu suchen.

Dentalscham ist ein wenig erforschtes, aber weit verbreitetes Phänomen mit tiefgreifenden Auswirkungen auf die Mundgesundheit und auf Ungleichheiten", schreibt das interdisziplinäre Forschungskollektiv in seinem Positionspapier. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kopenhagen, Exeter und Plymouth gehen davon aus, dass das komplexe Zusammenspiel zwischen Mundgesundheit und Scham eine unabhängige Analyse erfordert.

„Wir behaupten, dass die Betrachtung der bedeutendsten Herausforderungen der Zahnmedizin – soziale Ungleichheiten in Bezug auf die Mundgesundheit, Stigmatisierung, unzureichende tägliche Mundpflege und fehlende Bindung an zahnmedizinische Versorgungssysteme – durch die Linse der Scham ein tieferes Verständnis ihrer komplexen und vielfältigen Dynamiken ermöglichen kann.“ Scham biete eine Erklärung in Fällen, in denen Personen nicht vor der Behandlung selbst Angst haben, sondern eher davor, ihre Zähne zu zeigen oder relevante Lebensstilfaktoren wie Rauchen und Details zu ihrer Ernährung offenzulegen.

Konfrontation ist meist kontraproduktiv

Die Forschenden warnen davor, dass Ihr zahnmedizinisches Personal mit seinen Aussagen – sei es absichtlich oder unabsichtlich – bei den Patientinnen und Patienten Schamgefühle hervorrufen kann. Der gezielte Einsatz von Scham, um ein gewünschtes Gesundheitsverhalten zu fördern, führe aber zumeist nicht zu positiven Veränderungen. Im Gegenteil: Die Betroffenen könnten sich in der Folge noch mehr zurückziehen, um solche Konfrontationen zu vermeiden. Da diese Dynamik in der Zahnmedizin häufig eine Rolle spiele, sei ein erweitertes Wissen über Dentalscham sowohl in der Theorie als auch in der Praxis erforderlich.

Orale Probleme durch die Linse der Scham

Die Forschenden haben drei Situationen identifiziert, in denen Dentalscham tendenziell auftritt. Erstens könne sie direkt auf Probleme der Mundgesundheit oder des ästhetischen Erscheinungsbilds der Zähne zurückgehen. Beispiele dafür seien sichtbare Zahnprobleme wie abgebrochene, kariöse, dunkle oder fehlende Zähne sowie Mundgeruch und Funktionsstörungen der Zähne beim Essen, Trinken oder Sprechen.

Zweitens könnten beispielsweise soziale und wirtschaftliche Missstände den Grad, in dem jemand seine Mundgesundheit erhalten und verbessern kann, deutlich beeinflussen. Dieser Effekt werde durch soziale Verletzlichkeiten und Entbehrungen wie Traumata und Missbrauch, Armut, geringe Lese- und Schreibfähigkeiten und schädliche Bewältigungsstrategien wie Drogenmissbrauch noch verstärkt. Dies gelte jedoch nicht nur für Menschen in marginalisierten Lebenssituationen, sondern komme auch allgemein in der Gesellschaft vor, beispielsweise im Hinblick auf Ess-, Trink- oder Rauchgewohnheiten.

Drittens könne man Dentalscham stellvertretend für andere erleben und so unsicher werden, wie man mit einer Person mit Mundgesundheitsproblemen umgehen soll. In jedem Fall gehen die Autoren davon aus, dass Dentalscham zu einem geringeren Selbstwertgefühl, sozialer Isolation und einem ungünstigen Verhalten in Bezug auf die Mundgesundheit führen kann.

In der Zahnmedizin und in Gesundheitseinrichtungen tätige Personen sollten daher in dentaler Schamkompetenz geschult werden.

„Scham kann eine Erklärung dafür sein, warum manche Menschen beim Zahnarzt nicht gerne ihre Zähne zeigen oder ihm nicht sagen, dass sie rauchen oder sich schlecht ernähren.“

Prof. Luna Dolezal von der Universität Exeter

Dentalscham sei sowohl eine Folge als auch ein entscheidender Faktor für Mundgesundheitsprobleme – eine Folge, weil Mundgesundheitsprobleme Scham auslösen können, und ein Faktor, weil sie sowohl die tägliche Zahnpflege als auch die Teilnahme am Zahnarztbesuch behindern kann. Dadurch könne sich Dentalscham in eine sich selbst verstärkende Spirale verwandeln.

Die Abwärtsspirale betrifft nicht nur die Mundgesundheit

„Da unsere Zähne gut sichtbar sind und einen zentralen Einfluss auf unser allgemeines Erscheinungsbild und Wohlbefinden haben, beeinträchtigt die Dentalscham unser Selbstwertgefühl, unsere sozialen Interaktionen, unseren Zugang zum Arbeitsmarkt, zu Pflegesystemen und sozialen Diensten“, heißt es in der Studie. Die Abwärtsspirale, die Dentalscham auslöst, betreffe also nicht nur die Mundgesundheit, sondern auch andere Lebensbereiche.

Zahnärztinnen, Zahnärzte und ihre Teams sollten darin geschult werden, Scham zu erkennen und sich ihrer Rolle in der institutionellen Kultur bewusst sein, um die potenziell schädlichen Auswirkungen zu verringern. Es sei wichtig, in der Zahnarztpraxis ein vorurteilsfreies Umfeld zu schaffen, in dem sich die Patienten vertrauensvoll und ermutigt fühlen, ihrer Mundgesundheit Priorität einzuräumen.

Folker L, Dolezal L, Jespersen AP, Paisi M, Withers L, Worle C, Øzhayat EB. Dental Shame: A Call for Understanding and Addressing the Role of Shame in Oral Health. Community Dent Oral Epidemiol. 2025 Sep 21. doi: 10.1111/cdoe.70019. Epub ahead of print. PMID: 40976871.

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