Live-Stream mit dem Bundesgesundheitsminister

Ärzte diskutieren mit Spahn über die Corona-Krise

pr
Fehlende Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel, Umgang mit steigenden Grippezahlen bei gleichzeitigem Wiederanstieg der Infektionen, Erreichbarkeit des Bereitschaftsdienstes 116117: Ärzte diskutierten mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn über die Corona-Krise.

Dass Deutschland vergleichsweise gut durch die Pandemie gekommen sei, habe viel mit der Struktur des Gesundheitswesens zu tun, versicherte der Spahn in einem Live-Stream auf der BMG-Plattform „Zusammen gegen Corona“. Dort diskutierte er mit Vertretern von Ärzteverbänden und Niedergelassenen aus ganz Deutschland.

Erster Schutzwall: die ambulante Behandlung

„Es gibt nicht viele Länder auf der Welt, die so viele niedergelassene Haus- und Fachärzte haben“, sagte Spahn. „In vielen anderen Ländern sind Patienten in die Kliniken gegangen, was das Infektionsrisiko noch weiter erhöht hat. Erster Schutzwall war die ambulante Behandlung, eine der Stärken des Systems. Ich weiß, was jeden Tag in den Praxen geleistet wird!“

Live Diskussion: "Corona und die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte"

Der Vorsitzende der Kasenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Dr. Andreas Gassen, teilte Spahns Einschätzung - obwohl, machte er deutlich, es in den Ländern an Pandemieplänen fehle und der Öffentliche Gesundheitsdienst (ÖGD) erkennbar überlastet gewesen sei. Neben einer „Prise Glück“ haben laut Gassen die niedergelassenen Haus- und Fachärzte und deren Standesorganisationen „den Unterschied gemacht".

Gassen: „Der Schutzwall hat an dieser Stelle funktioniert. Sechs von sieben Patienten sind ambulant behandelt worden.“ Man habe es geschafft, dass das Gesundheitswesen zu keinem Zeitpunkt weder ambulant noch stationär grenzwertig gefordert worden sei. Ein Strukturvorteil, den es für Gassen unbedingt zu erhalten gilt.

Achillesferse PSA

Hilfreich sei vor allem der Schutzschirm für die Niedergelassenen gewesen. Gassen wies aber auch auf Probleme hin: So sei der ÖGD mit einer solchen Pandemie noch nie konfrontiert gewesen und dafür auch nicht ausgerichtet. Auch beim Katastrophenschutz hätte sich erheblicher Nachbesserungsbedarf gezeigt. Eine Achillesferse nannte Gassen den Mangel an persönlicher Schutzausrüstung (PSA). Hieraus sollte man lernen, wie man sich in künftigen Krisen besser aufstellt. „In zu vielen Gesundheitsämtern war schon zu normalen Zeiten nicht genug Kapazität da“, räumte Spahn ein.

Konnektor anschrauben und Pandemie machen, funktioniert nicht

Ziel müsse sein, bei einer zweiten Welle sowohl Patienten zu behandeln als auch den normalen ärztlichen Betrieb aufrecht zu erhalten, sagte Dr. Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchow-Bundes. „Wir stellen fest, dass Einiges unterblieben ist: Patienten sind nicht in die Praxen gekommen“, sagte Heinrich.

Er appellierte, sich auf die Kombination einer zweiten Pandemie-Welle und nächsten Grippewelle einzustellen und keinen „Wust an Formularen“ aufzubauen. Auch sollten in Zeiten der Krise andere Projekte einmal ausgesetzt werden. Heinrich: „Wir können nicht unter dem Tisch liegen und den nächsten TI-Konnektor anschrauben und gleichzeitig Pandemie machen. Das wird nicht funktionieren.“ Lobend erwähnte er den ärztlichen Bereitschaftsdient der 116117 - er habe sich bewährt und sei ausbaufähig zu einem allgemeinen Termin- und Beratungspool.

Für weniger Bürokratie und weniger Formulare plädierte auch Spahn. „Verschiebebahnhöfe“ beim Testen und bei deren Finanzierung würden weidlich genutzt – das sei ein Problem, das er auch von anderer Seite geschildert bekomme. Spahn ging auch auf die Grippeimpfungen ein – ein Thema, das im Herbst wieder aktuell werde. Genügend Impfstoff sei da, erklärte er.

116117? Immer besetzt!

Dr. Christopher Schultz, Arzt in Weiterbildung im Ärztezentrum Büsum gGmbH, berichtete aus seiner Praxiserfahrung während des Lockdowns im Frühjahr: Zwar seien weniger Patienten in die Praxis gekommen, dafür habe es viel telefonische Beratung gegeben. Hinzu kamen für die Ärzte täglich neue Maßgaben und Regeln aus Politik und KV. Das habe letztlich zu Mehrarbeit geführt. Außerdem habe es negative Erfahrungen mit dem Bereitschaftsdienst 116117 geegben. „Da war ständig besetzt“, berichtete Schultz.

Weiterhin habe es Probleme mit fehlender Schutzausrüstung und Desinfektionsmitteln gegeben sowie viele offene Fragen an das Gesundheitssamt zur Quarantäne - zum Beispiel: Wer übernimmt das Monitoring auch an Wochenenden? Maskentragen und Abstand halten, das sei in Touristen-Hotspots wie Büsum schwierig und müsse aber gerade hier gewährleistet sein, betonte Schultz.

Der Mangel beim Cent-Artikel Masken habe Deutschland in der Krise an seine Grenzen geführt, bestätigte Spahn. Bei solchen Engpässe werde man dafür sorgen, unabhängig vom asiatischen Markt zu werden. Es sollen künftig wieder Produktionen im eigenen Land zur Verfügung stehen und nationale Reserven angelegt werden.

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