Arbeitgeber darf Corona-Testpflicht anordnen
Die Klägerin war als Flötistin an der Bayerischen Staatsoper mit einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt 8.351,86 Euro beschäftigt. Nachdem die Oper zum Schutz der Mitarbeiter vor COVID-19 bereits bauliche und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenbereichs und die Neuregelung von Zu- und Abgängen ergriffen hatte, entwickelte sie Zu Beginn der Spielzeit 2020/21 im Rahmen ihres betrieblichen Hygienekonzepts in Zusammenarbeit mit dem Institut für Virologie der Technischen Universität München und dem Klinikum rechts der Isar eine Teststrategie.
Die Oper verlangte Einen PCR-test im Abstand von ein bis drei Wochen
Vorgesehen war die Einteilung der Beschäftigten in Risikogruppen und je nach Gruppe die Verpflichtung zur Durchführung von PCR-Tests in unterschiedlichen Zeitabständen. Als Orchestermusikerin sollte die Klägerin zunächst wie alle Mitarbeiter zu Beginn der Spielzeit einen negativen PCR-Test vorlegen und in der Folge weitere PCR-Tests im Abstand von ein bis drei Wochen vornehmen lassen.
Ihr Arbeitgeber bot hierfür kostenlose PCR-Tests an, alternativ konnten die Mitarbeiter PCR-Testbefunde eines von ihnen selbst ausgewählten Anbieters vorlegen. Die Frau weigerte sich aber, PCR-Tests durchführen zu lassen und meinte, diese seien zu ungenau und stellten einen unverhältnismäßigen Eingriff in ihre körperliche Unversehrtheit dar. Anlasslose Massentests seien unzulässig. Daraufhin wurde ihr mitgeteilt, dass sie ohne Testung nicht an Aufführungen und Proben teilnehmen könne, dagegen klagte sie.
Der beklagte Freistaat stellte in der Folge von Ende August bis Ende Oktober 2020 die Gehaltszahlungen ein. Seit Ende Oktober 2020 legte die Klägerin dann ohne Anerkennung einer Rechtspflicht PCR-Testbefunde vor. Für die Zeit von Ende August bis Ende Oktober 2020 wollte sie ihr Gehalt einklagen, hilfsweise die Bezahlung der Zeiten häuslichen Übens. Weiter verlangte sie, ohne Verpflichtung zur Durchführung von Corona-Tests jedweder Art beschäftigt zu werden.
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab. Die vom Senat nachträglich zugelassene Revision der Klägerin hatte keinen Erfolg. "Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs. 1 BGB verpflichtet, die Arbeitsleistungen, die unter seiner Leitung vorzunehmen sind, so zu regeln, dass die Arbeitnehmer gegen Gefahren für Leben und Gesundheit soweit geschützt sind, als die Natur der Arbeitsleistung es gestattet", urteilten die Erfurter Richter.
Zur Umsetzung des Arbeitsschutzes darf der Arbeitgeber Weisungen erteilen
Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) konkretisieren demzufolge den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber im Hinblick auf die Sicherheit und das Leben der Arbeitnehmer obliegen. Zur Umsetzung arbeitsschutzrechtlicher Maßnahmen kann der Arbeitgeber Weisungen nach § 106 Satz 2 GewO hinsichtlich der Ordnung und des Verhaltens der Arbeitnehmer im Betrieb erteilen. Das hierbei zu beachtende billige Ermessen wird im Wesentlichen durch die Vorgaben des ArbSchG konkretisiert.
Daher war die Anweisung zur Durchführung von PCR-Tests nach dem betrieblichen Hygienekonzept der Bayerischen Staatsoper rechtmäßig. Sie hatte mit Blick auf die pandemische Verbreitung von SARS-CoV-2 mit diffusem Ansteckungsgeschehen zunächst technische und organisatorische Maßnahmen wie den Umbau des Bühnenraums und Anpassungen bei den aufzuführenden Stücken ergriffen, diese aber als nicht als ausreichend erachtet und dann - auch um den Vorgaben der Sechsten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmen-Verordnung zu genügen – mit wissenschaftlicher Unterstützung ein Hygienekonzept erarbeitet, um den Spielbetrieb zu ermöglichen und die Gesundheit der Beschäftigten zu schützen.
Der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit ist verhältnismäßig
Der mit der Durchführung der Tests verbundene minimale Eingriff in die körperliche Unversehrtheit sei verhältnismäßig, entschieden die Richter. Auch das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung mache die Testanordnung nicht unzulässig, zumal ein positives Testergebnis mit Blick auf die infektionsschutzrechtlichen Meldepflichten und die Kontaktnachverfolgung ohnedies im Betrieb bekannt werde. Die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf Vergütung. Der auf die Bezahlung der Zeiten häuslichen Übens gerichtete Hilfsantrag sei ebenfalls unbegründet.
Eine Vergütung dieser Zeiten sei nur geschuldet, soweit sie auf die tarifvertraglich geregelten Dienste – Proben und Aufführungen – bezogen sind. Daran habe die Klägerin im Streitzeitraum aber nicht teilgenommen. Der Beschäftigungsantrag, mit dem die Klägerin ihren Einsatz ohne Verpflichtung zur Durchführung von Tests jedweder Art zur Feststellung von SARS-CoV-2 erreichen wollte, ist als Globalantrag schon deshalb unbegründet, weil bereits der für die Zahlungsanträge maßgebliche Zeitraum zeigt, dass wirksame Testanordnungen möglich sind.
BundesarbeitsgerichtUrteil vom 1. Juni 2022Az.: 5 AZR 28/22 –Vorinstanz: Landesarbeitsgericht MünchenUrteil vom 26. Oktober 2021Az.: 9 Sa 332/21