Bisher unbekannte Drogen überschwemmen Europa
Europa wird von immer mehr neuen und offenbar immer gefährlicheren Designer-Drogen überschwemmt. Im vergangenen Jahr wurden in den Ländern der Europäischen Union 81 bis dahin unbekannte, künstlich hergestellte Rauschmittel entdeckt. Das seien acht mehr als im bisherigen Rekordjahr 2012, teilte die EU-Drogenbeobachtungsstelle (EBDD) in ihrem am Dienstag in Lissabon veröffentlichten Jahresbericht mit.
Die Drogenproblematik in Europa gestalte sich "zunehmend komplex", heißt es. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström äußerte bei der Präsentation die Sorge, dass "die in Europa heute konsumierten Drogen möglicherweise die Gesundheit der Konsumierenden noch stärker schädigen" könnten als früher.
350 neue Drogen seit 1997
Seit Einrichtung eines Frühwarnsystems im Jahr 1997 wurden der EBDD und Europol inzwischen mehr als 350 neue Drogen gemeldet. Die Flut setzte allerdings erst vor wenigen Jahren ein. Bis 2006 ging es praktisch immer um eine Handvoll neuer Drogen. 2008 verzeichnete die EBDD noch 13 neue Substanzen. Die Zahl neuer synthetischer Drogen kletterte danach jedoch von 24 (2009) auf 41 (2010), 49 (2011) und 73 (2012) rapide.
Der EBDD-Bericht unterstreicht zwar Erfolge im Bereich der "etablierten Drogen" wie Heroin oder Kokain, hier würden stabile und zum Teil rückläufige Trends bei Konsum und Verfügbarkeit registriert. Es kämen aber "neue Bedrohungen" auf. Besonders gefährlich seien die Heroinersatzmittel. Die Zahl der Todesfälle infolge des Konsums synthetischer Opioide steige. In drei Viertel aller Fälle von tödlichen Überdosierungen (6.100 im Jahr 2012) seien Opioide nachgewiesen worden, heißt es in der Studie.
Hundertmal zu stark wie Heroin
Als besonders gefährlich wird das synthetische Opioid Fentanyl betrachtet, das mindestens hundertmal so stark wie Heroin ist. Fentanyl wird als Schmerzmittel benutzt, aber auch illegal hergestellt. Den Erkenntnissen zufolge wird vor allem im Norden Europas immer mehr konsumiert. Das gilt demnach insbesondere für Estland, wo zuletzt die größte europäische Sterblichkeitsrate in Zusammenhang mit Überdosierungen (191 je 1 Million Einwohner/innen) weit vor Norwegen (76 je 1 Million) registriert wurde.
Es gebe Anzeichen dafür, so Malmström, dass zum Beispiel auch das auf der Straße verkaufte Ecstasy immer stärker werde. Diese Feststellung trifft laut EBBD aber auch auf seit langem verbreitete vielkonsumierte "alte Drogen" wie Cannabis - in Europa das meistgebrauchte Rauschgift - zu. "Hier wirken sich neue Herstellungsverfahren unmittelbar auf die Stärke der Cannabisharz- und Cannabiskrautprodukte aus", heißt es.