Universität Münster

COVID-19: Studie warnt vor Pandemie-Populismus

mg
Gesellschaft
Alternative Nachrichtenmedien haben im deutschsprachigen Raum viele Verschwörungstheorien zur Pandemie verbreitet. Das ist das Ergebnis einer Studie aus Münster, die vor gesellschaftlichen Folgen warnt.

Die KommunikationswissenschaftlerInnen der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster untersuchten für ihre Arbeit rund 120.000 Face Book-Posts vom 1. Januar bis zum 22. März. Rund 15.000 dieser Posts stammten von alternativen Nachrichtenmedien, der Rest von klassischen Medienhäusern.

Leugnen des Klimawandels, Flüchtlingskrise, Weltuntergang - und Coronavirus

„Unsere Analyse zeigt, dass es, anders als Politiker, Journalisten und die Öffentlichkeit vermuten, kein nennenswertes Maß an frei erfundenen Nachrichten gibt. Vielmehr hat sich gezeigt, dass sich die Alternativmedien während der Corona-Krise gerne die Faktenlage zurechtbiegen und Gerüchte sowie einzelne Verschwörungstheorien verbreiten", erläutert Studienleiter Prof. Dr. Thorsten Quandt. "Diese Medien vermischen in ihren Veröffentlichungen das Leugnen des Klimawandels, die Flüchtlingskrise, Weltuntergangstheorien und das Coronavirus.“

Die Ergebnisse zeigten, dass die alternativen Nachrichtenmedien ihren Prinzipien in der untersuchten Phase der Corona-Krise treu bleiben. Die große Mehrheit der Beiträge spiegelte traditionelle Mainstream-Medienberichte in Bezug auf ihre aktuelle Struktur und die beteiligten Akteure wider. "Wir haben hier keine völlig erfundene Realität gesehen", schreiben sie. Wie erwartet, finde sich vielerorts jedoch ein "populistischer Dreh" und ein "Anti-Establishment-Ton", der öffentliche Institutionen und politische Aktionen der Regierung kritisiert und starke Emotionen hervorruft.

Zusätzlich zeigten die Daten, dass alternative Nachrichtenmedien prominente Gerüchte und Verschwörungstheorien über COVID-19 und die Ursprünge von SARS-CoV-2 enthalten und eine bemerkenswerte Anzahl von Interaktionen mit dieser Art von Inhalten erzeugen.

"Pandemie-Populistische" News über die Krise

"Auch diese Geschichten waren eng mit der allgemeinen Weltanschauung alternativer Nachrichtenmedien und bereits existierenden Narrativen verbunden", erklären die Autoren. Im Wesentlichen habe die Analyse ergeben, dass alternative Nachrichtenmedien tatsächlich "in Form eines Pandemie-Populismus" über die Krise berichten, einem bestimmten und erwarteten Kommunikationsstil folgen, aber nicht einfach offene Lügen verbreiteten. 

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Die Autoren verweisen auch auf die "erheblichen Einschränkungen" ihrer Arbeit: Diese konzentriere sich mit Deutschland auf ein einzelnes, spezifisches Land, einen relativ kurzen Zeitraum und untersuche nur die Facebook-Aktivitäten der relevantesten alternativen Nachrichtenmedien im Land. Vergleichende Daten aus anderen Ländern, weiteren Social-Media-Kanälen und über einen längeren Zeitraum könnten hilfreich sein, um die getroffenen Aussagen zu den Informationsstrategien alternativer Nachrichtenmedien zu überprüfen.

Alternative Medien tragen zur Verwirrung in der Öffentlichkeit bei

Ihr Fazit: Trotzdem lasse sich schon jetzt festhalten, dass alternative Nachrichtenmedien durch ihre spezifischen Rahmenstrategien und durch die Konstruktion einer widersprüchlichen, bedrohlichen und misstrauischen Weltanschauung zur Verwirrung in der Öffentlichkeit beitragen, die jede offizielle Erklärung in Frage stellt. "Dies kann für die soziale Kohärenz in einer beispiellosen Zeit der Krise dysfunktional sein", heißt es. 

Politische Forderungen, solche Debatten einzuschränken oder zu zensieren, scheinen den Autoren "auf der Grundlage unserer vorläufigen Analyse ungerechtfertigt zu sein" – es sei sogar wahrscheinlich, dass solche rechtlichen Schritte kontraproduktiv sein könnten, weil sie antisystemische Gefühle weiter nähren würden, möglicherweise ohne die beabsichtigten kurzfristigen Auswirkungen zu haben. 

Boberg, S.; Quandt, T.; Schatto-Eckrodt, T.; Frischlich, L. (2020). Pandemic Populism: Facebook Pages of Alternative News Media and the Corona Crisis – A Computational Content Analysis. ArXiv: 2004.02566 [Cs.SI],http://arxiv.org/abs/2004.02566.

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