Hinweise geben Zähne und Knochenfragmente

Das Leben eines Steinzeitmenschen wurde erstmals kartiert

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Gesellschaft
Forscher der Universität Göteborg haben erstmals das Leben eines Steinzeitmenschen detailliert kartiert. Zähne und Knochenfragmente belegen, dass der „Vittrup-Mann“, der 1915 erschlagen in einem Moor in Dänemark gefunden wurde, eine lange Reise hinter sich hatte.

Der Vittrup-Mensch wurde erstmals 1915 entdeckt. Sein Schädel war durch mindestens acht Keulenschläge gespalten und sein Körper in ein Feuchtgebiet in Nordjütland gebracht worden. Bis vor Kurzem war das alles, was über ihn kekannt war. Dank einer neuen Studie weiß man jetzt, dass er vor seinem Tod im Jahr 3.200 vor Christus eine weite Reise zurückgelegt hatte. 

„Er kommt aus dem Norden, aus einer relativ kalten Gegend, und es muss eine Küstenregion gewesen sein, denn die Nahrung, die er als Kind zu sich nahm, kam aus dem Meer“, sagt der Archäologe Karl-Göran Sjögren, Mitglied des Forschungsteams. „Er muss ein interessantes Leben geführt haben.“

Er erlebte ein brutales Ende

Das Team geht davon aus, dass der Mann im heutigen Nordnorwegen aufgewachsen ist. Doch als er etwa 18 oder 19 Jahre alt war, landete er aus irgendeinem Grund in Dänemark. Dort stellte er seine Ernährung von Fisch aus dem Meer auf Nahrungsmittel aus der Landwirtschaft um. „Anschließend lebte er zehn bis zwanzig Jahre lang in einer Bauerngemeinde in Dänemark, bevor er starb. Tatsächlich wurde er brutal erschlagen“, berichtet Sjögren.

Die Forscher untersuchten den Zahnstein des Mannes, um zu sehen, was er aß. Sie analysierten auch Sauerstoff- und Strontiumisotope aus den Zähnen des Mannes. Strontium ist ein Element, das in der Nahrung und im Wasser vorkommt und im Kindesalter von den Zähnen aufgenommen wird. Mit dieser Methode konnten Forscher feststellen, dass das Strontium nicht aus dem geografischen Gebiet stammt, in dem der Vittrup-Mann tot im Moor aufgefunden wurde. "So konnten wir die geografische und ernährungsphysiologische Entwicklung dieses Individuums von der Geburt bis zum Tod verfolgen. Soweit wir wissen, ist dies das erste Mal, dass Forscher die Lebensgeschichte eines Menschen so detailliert und aus so langer Zeit kartieren konnten“, sagt der Archäologe Anders Fischer.

Wurde er geopfert?

Warum aber wollten die Archäologen das Leben dieses bestimmten Mannes genauer untersuchen? „Sein Genom unterschied sich deutlich vom Rest der dänischen Steinzeitbevölkerung und genetisch war er eng mit den heutigen Menschen verwandt, die auf der skandinavischen Halbinsel im heutigen Nordnorwegen und Schweden lebten", erzählt Fischer. “Aus diesem Grund haben wir uns entschieden, seine Herkunft und Lebensgeschichte im Detail zu studieren.“

Doch wie er nach Dänemark kam oder warum er erschlagen wurde, ist immer noch offen. Hier können die Archäologen nur spekulieren. In der Steinzeit muss der Weg vom heutigen Nordnorwegen nach Dänemark eine lange und beschwerliche Reise gewesen sein. Sein späterer brutaler Tod könnte laut den Forschern darauf hindeuten, dass er geopfert wurde. „Der Vittrup-Mann ist ein Beispiel für eine rituelle Praxis, die in dieser Zeit üblich war. Die Mordwaffe könnte der Holzknüppel sein, der bei ihm gefunden wurde, als Torfstecher vor mehr als hundert Jahren sein Skelett in Vittrup in Nordjütland fanden“, sagt Archäologieprofessor Kristian Kristiansen, Leiter des Projekts.

Es gibt bereits archäologische Beweise für Kontakte zwischen Dänemark und Nordnorwegen während der Steinzeit, erklärt Lasse Sørensen, Experte für die Jungsteinzeit am Dänischen Nationalmuseum in Kopenhagen. Archäologen wissen demnach seit Langem, dass in dieser Zeit Feuersteinäxte von Dänemark bis zum Polarkreis in Norwegen transportiert wurden. „Die Studie fügt diesen Funden nun einen echten Menschen aus Fleisch und Blut hinzu“, sagt Sørensen.

Die Arbeit ist Teil einer größeren Studie, in der Forscher die Genome und DNA der prähistorischen nordischen Bevölkerung untersuchen. Sie basiert auf der Analyse von DNA und Ernährungsmarkern von 100 in Dänemark gefundenen Zahn- und Knochenresten. Der Vittrup-Mann ist einer dieser 100 Menschen.

Fischer A, Sjögren K-G, Jensen TZT, Jørkov ML, Lysdahl P, Vimala T, et al. (2024) Vittrup Man–The life-history of a genetic foreigner in Neolithic Denmark. PLoS ONE 19(2): e0297032. doi.org/10.1371/journal.pone.0297032

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