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Der Jolie-Effekt

ck/dpa
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Wegen Brustkrebsfällen in der Familie ließ sich Angelina Jolie vorsorglich die Brüste entfernen. Auch Frauen in Deutschland sind jetzt besorgt: In vielen Kliniken gibt es mehr Nachfragen.

Auch wenn sich US-Schauspielerin Angelina Jolie (38) jüngst bei einer Filmpremiere strahlend wie eh und je zeigte: Dass sie sich aus Angst vor Brustkrebs vorsorglich die Brüste entfernen ließ, hat offenbar in Deutschland bei vielen Frauen Ängste geschürt.

Wie eine dpa-Umfrage ergab, stehen in vielen Kliniken die Telefone nicht mehr still, Beratungstermine sind für Monate ausgebucht. "Wir sind regelrecht platt gemacht worden", sagte eine Mitarbeiterin der Uniklinik München. Eine Welle der Hysterie, wie sie Experten unmittelbar nach Bekanntwerden des Falls befürchtet hatten, gebe es aber nicht.

An der Berliner Charité sind seit Jolies öffentlichem Bekenntnis Anfang Mai so viele Anfragen eingegangen wie zuvor im gesamten ersten Quartal, sagte die Gynäkologin Dorothee Speiser. Knapp 180 Frauen wollten zum Beispiel wissen, ob bei ihnen ebenfalls ein hohes Brustkrebsrisiko bestehe, ob Gentests möglich sind und ob eine Brustentfernung nötig ist. Bei einem Großteil der Frauen handele es sich um Hochrisikopatienten: Sie hätten in direkter Verwandtschaft mehrere Fälle von Brustkrebs. 

Untersuchung statt Amputation

Jolie hatte ihre Entscheidung zur Amputation mit dem mutierten BRCA1-Gen in ihrer Familie begründet. Das erhöht das Krebsrisiko. Von einer familiären Häufung sind aber nur fünf Prozent der weiblichen Bevölkerung betroffen, sagte Susanne Volpers von der "Frauenselbsthilfe nach Krebs". Vor einem Gentest sollten sich Frauen gut informieren und sich fragen, ob sie das Ergebnis überhaupt wissen wollen. Liegt eine Genmutation vor, sei es statt einer Amputation auch möglich, sich regelmäßig untersuchen zu lassen. 

"Es ist wichtig Ruhe zu bewahren", sagte die Leiterin des Dresdner Brustzentrums, Pauline Wimberger. "Nicht jeder, der Krebs in der Familie hat, hat diesen Gen-Defekt." Und nicht jede, die eine Mutation habe, müsse sich die Brüste abnehmen lassen. Die Brustentfernung sei ein radikaler Schritt, sagte auch Dorothee Speiser von der Charité. Dort werde eine solche OP etwa 20 Mal jährlich vorgenommen. Durch das Vorbild Jolie würden sich Patientinnen mit hohem Risiko in jüngster Zeit eher zu der OP entscheiden, hieß es beim Düsseldorfer Uniklinikum. 

An vielen weiteren Unikliniken und Brustzentren haben sich die Anfragen in jüngster Zeit verdoppelt bis vervierfacht. In Dresden haben sich die Zahlen pro Tag "im Schnitt um das Fünffache erhöht, an Spitzentagen sogar um das Zehnfache", sagte Wimberger. Das Uniklinikum Leipzig hat seit der Berichterstattung über Jolies Entscheidung mehr als 80 Anfragen erhalten zu haben. Normal sind zwei bis drei in der Woche. 

Nachfrage stellt Kliniken vor Probleme

Die Nachfrage stellt die Kliniken vor organisatorische Schwierigkeiten: Am Hannoveraner Zentrum für Brust- und Eierstockkrebs seien frühere Kollegen für die Beratung zurückgeholt worden. Am Uniklinikum Ulm suche man gerade nach Wegen, die Kapazitäten aufzustocken, sagte der Direktor der Frauenklinik, Wolfgang Janni. Es sei aber schwierig, Personal mit entsprechender Fachkenntnis zu finden. 

Zusätzlich leisten die Kliniken auch am Telefon viel Aufklärungs- und Beruhigungsarbeit. Anhand von Checklisten klärt zum Beispiel auch der Krebsinformationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg, ob man sich untersuchen lassen solle. 

Beim Frauenarzt wird Brustkrebs nun ebenfalls verstärkt thematisiert, sagte Christian Albering vom Berufsverband der Frauenärzte. Frauen würden jetzt erstmals überhaupt über familiäre Erkrankungen sprechen und Beratungs- und Früherkennungsangebote wahrnehmen. Von Panik sei aber nichts zu spüren.

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